tag:blogger.com,1999:blog-46147040517275887072024-03-23T11:15:06.179+01:00Schnabeltier EUSchnabeltier Europäische Union: Blog zur Begleitung von EU-Lehrveranstaltungen an der PH LudwigsburgRagnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.comBlogger278125tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-66095667639154842582024-02-28T17:43:00.007+01:002024-02-28T17:44:01.464+01:00"Es ist dein Europa" - Theaterstück in Stuttgart<p>Am Dienstag, den <b>26. März 2024</b>, findet um 19:00 Uhr in der
Volkshochschule
Stuttgart, TREFFPUNKT Rotebühlplatz (Rotebühlplatz 28, 70173 Stuttgart)
eine Veranstaltung zur EU im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen
Parlament statt: "<b>Es ist dein Europa - Biografie einer einzigartigen Kulturgemeinschaft - Theaterstück mit anschließender Diskussion</b>". Mit dabei sind <b><i>Sarah Zickler</i></b>, Generalsekretärin Liberaler Mittelstand e.V., und <b><i>Dr. Ragnar Müller</i></b>, Politikwissenschaftler. Weitere Informationen und die Möglichkeit zur <b>Anmeldung </b>gibt es hier: <a href="https://shop.freiheit.org/#!/Veranstaltung/z11ez" target="_blank">https://shop.freiheit.org/#!/Veranstaltung/z11ez</a>.</p><p><i>Zum Thema</i>:
„Wir haben in Europa einen dauerhaften Frieden geschaffen, der auf die
Versöhnung von Erzfeinden gegründet ist. Das ist ein historisches
Beispiel für die Welt.“ Mit diesen Worten hat der ehemalige
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso die Erfolgsgeschichte der
Europäischen Union zusammengefasst. Führende europäische
Persönlichkeiten waren nach der Katastrophe des Zweiten Weltkiegs
überzeugt, dass politische, soziale und wirtschaftliche Probleme nur
grenzüberschreitend gelöst werden können. Es folgte ein einmaliger
europäischer Integrationsprozess, dem wir Wohlstand und Frieden
verdanken. Viel wird im Jahr der Europawahl über Europa gesprochen. Im
Theaterstück des Wortkinos ergreift sie nun selbst das Wort. Sie
berichtet, wie sie den Kontinent erlebt und appelliert an die
Europäerinnen und Europäer, strapazierfähig, temperamentvoll,
leidensfähig und geduldig zu sein. Ihre Freundin, die Muse Polyhymnia,
singt a capella ein einzigartiges Potpourri von 32 charakteristischen
Liedern aus unterschiedlichen Regionen Europas in Originalsprache.</p>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-84002851824313176072024-01-28T16:41:00.001+01:002024-01-31T17:25:49.770+01:00EU-Exkursion im Mai<p>In der Exkursionswoche im kommenden Sommersemester 2024 wird <i>Ragnar Müller </i>wieder eine Exkursion nach Brüssel anbieten, und zwar vom <b>21.-25. Mai 2024</b>.
Organisiert und durchgeführt wird die Exkursion vom Europa Zentrum
Baden-Württemberg. Vorbereitende Seminarsitzungen finden im kommenden
Semester in der Zeitschiene Di 16-18 Uhr statt. Der erste Termin ist am
Di <b>16. April 2024</b> (Details und weitere Termine im LSF). Aus
organisatorischen Gründen (Stornogebühren vermeiden etc.) muss man sich
jetzt bereits <b>anmelden</b>. Die Kosten (Fahrt, Unterkunft) werden dank Zuschüssen lediglich rund 250,- € p.P. betragen. Nach der Exkursion erhalten die Teilnehmenden zudem für gewöhnlich einen Zuschuss des AStA, der die Kosten weiter relativiert. Wer mitgehen möchte, möge bitte möglichst umgehend und bis spätestens Fr 2. Februar 2024 eine <b>E-Mail </b>an ragnar.mueller@ph-ludwigsburg.de schreiben mit folgenden Angaben:</p><ul><li>Name & Matrikelnummer</li><li>Fächer & Semesterzahl</li><li>bereits besuchte EU-Veranstaltungen</li></ul>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-70778517299192555052023-11-15T10:16:00.004+01:002023-11-15T10:16:25.858+01:00Projekt "Europe in the Classroom"<p>In dem Projekt „Europe in the Classroom“ geht es darum, Lehrkräfte, Studierende und Bildungsexpert*innen zusammenzubringen, um über aktuelle Themen der europapolitischen Bildung zu diskutieren und voneinander zu lernen. Hierfür gibt es dieses Jahr noch drei kurze, digitale Workshops. Man kann an allen Terminen teilnehmen, es ist aber auch möglich, sich einzeln anzumelden:</p><ul style="text-align: left;"><li><a href="https://www.eab-berlin.eu/de/veranstaltung/16-11-2023/europabildung-wo-stehen-wir-und-wo-wollen-wir-hin-eine-bedarfsaufnahme" target="_blank">16.11.2023 </a>: Europabildung – Wo stehen wir und wo wollen wir hin? Eine Bedarfsaufnahme</li><li><a href="https://www.eab-berlin.eu/de/veranstaltung/29-11-2023/unboxing-europe-gemeinsam-europa-verstehen" target="_blank">29.11.2023 </a>: Unboxing Europe - Gemeinsam Europa verstehen</li><li><a href="https://www.eab-berlin.eu/de/veranstaltung/30-11-2023/ep-wahlen-2024-junge-menschen-staerken-und-begleiten-was-braucht-es" target="_blank">30.11.2023</a>: EP Wahlen 2024 - Befähigung junger Menschen zur aktiven Teilhabe</li></ul><p>Der erste Workshop fokussiert auf einer Bedarfserfassung. Wo stehen wir und wo wollen wir hin mit Blick auf das Thema „Europakompetenzen“? Die Ergebnisse des Workshops, der vor allem auf dem Austausch zwischen den Teilnehmenden basiert, bilden die Grundlage für Angebote im Jahr 2024. Im zweiten Workshop wird praktisch mit der digitalen Toolbox von Unboxing Europe gearbeitet. Dabei lernt man diverse Einsatzmöglichkeiten der Unterrichtsmaterialien kennen. Im Anschluss an verschiedene Testphasen werden Umsetzungsideen diskutiert und gemeinsame Ideen formuliert. Der dritte und letzte Workshop der Reihe wirft einen Blick in die Zukunft. Unterstützt von Expert*innen aus dem Bereich Jugend sprechen wir über die Wahlen 2024 und diskutieren, wie der Bildungsbereich junge Menschen mit Blick auf die kommenden Wahlen unterstützen und befähigen kann.</p>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-32581203337423543302023-05-07T09:51:00.003+02:002023-05-07T14:37:46.362+02:00Bericht über den Bürgerdialog: "EU-Außenpolitik in Krisenzeiten" der Jungen Europäer (JEF)<p>Am Freitag, dem 28.04.2023, hat eine von der Organisation „Junge Europäer – JEF Baden-Württemberg“ und der Stadt Sindelfingen organisierte Veranstaltung unter dem Titel „EU-Außenpolitik in Krisenzeiten: Diskutiere mit!“ im Rathaus der Stadt Sindelfingen stattgefunden. Die „Jungen Europäer“ als Jugendorganisation mit Mitgliedern im Alter von 14-35 Jahren sind ein überparteilicher, überkonfessioneller und proeuropäischer Verband und setzen sich laut ihrer <a href="https://www.jef-bw.de/" target="_blank">Homepage</a> für ein demokratisches, bürgernahes und föderales Europa ein.</p><p>Den Auftakt der Veranstaltung leistete Dr. Martin Große Hüttmann von der Universität Tübingen mit einem Impulsvortrag. Die anschließende Diskussion mit Fragerunde wurde von zwei Workshops gefolgt: Dr. Ragnar Müller mit dem Titel „EU-Außenpolitik am Beispiel des Westbalkans“ sowie der von Dr. Martin Große Hüttmann angebotene Workshop „EU-Außenpolitik am Beispiel der Ukraine“. Im Folgenden werden der Impulsvortrag und die zwei Workshops sowie die daraus resultierenden Erkenntnisse zusammengefasst.<span></span></p><a name='more'></a><p></p><p>Martin Große Hüttmann zitierte Henry Kissinger aus den 70er Jahren („Wen rufe ich an, wenn ich mit Europa sprechen will“) zu Beginn seines Vortrags und präzisierte, dass einem bei einem heutigen Anruf der EU der Anrufbeantworter 27 Meinungen – von jedem Mitgliedstaat jeweils die Meinung – vorschlägt, und man sich für eine entscheiden muss. Das Wort „Krise“ definiert Große Hüttmann als „wenn etwas Spitz auf Knopf steht“ und macht deutlich, dass man in der EU zuerst von einer „Krise“, später „Polykrise“ und mittlerweile von einer „Permakrise“ hinsichtlich der EU spricht; das Wort „Krise“ allein wird inzwischen fast inflationär verwendet.</p><p>Auf die Außenpolitik der Europäischen Union bezogen, stellt Große Hüttmann drei „I“ vor: Ideen, Interessen und Instrumente. Erst, wenn es eine sinnvolle Schnittmenge zwischen ihnen gibt, kann so etwas wie Außenpolitik in der EU überhaupt erst entstehen.</p><ul style="text-align: left;"><li>Hinter „<i>Ideen</i>“ stecken die Begriffe Ideen und Leitbilder, als Beispiele werden „europäische Souveränität“, „strategische Autonomie“ oder Resilienz genannt sowie die Mahnung, die Sprache der Macht zu sprechen.</li><li>„<i>Interessen</i>“ stellen Sicherheit und Unabhängigkeit, Frieden, Sicherheit und Wohlfahrt weltweit, Umwelt und Nachhaltigkeit sowie eine regelbasierte Weltordnung dar.</li><li>Das dritte „I“ der "<i>Instrumente</i>" ist bezogen auf soft power statt hard power, den EU-Haushalt sowie die Institutionen der EU.</li></ul><p>Große Hüttmann betont auch den „Gap“, die Lücke zwischen den Erwartungen, die an die EU gestellt werden, und den Kapazitäten, die die EU tatsächlich hat, diese auch zu befriedigen (expectations-capability-gap).</p><p>Im weiteren Verlauf des Vortrags wird das bei wichtigen Abstimmungen geltende Prinzip der Einstimmigkeit angesprochen, wovon die Abkehr auf EU-Ebene oftmals als sinnvollste Lösung in der Diskussion angeführt wird. Hier wirft Große Hüttmann das Prinzip der doppelten bzw. qualifizierten Mehrheit, welches bereits jetzt in der Praxis Verwendung findet, in die Arena mit Verweis auf die jeweiligen Vor- und Nachteile eines solchen Abstimmungsverfahrens.</p><p>Zum Ende des Impulsvortrages werden kurz Szenarien zur Zukunft der EU-Außenpolitik, vor allem hinsichtlich einer weiterhin bestehenden oder möglicherweise bröckelnden Partnerschaft mit den USA, skizziert. So wäre das Szenario der „Superpower EU“ („Zeitenwende“ mit einer neuen Geschlossenheit innerhalb der EU sowie mit den USA) das beste Szenario und die „Powerless EU“ (Business as usual und Zerwürfnis mit den USA; bedingt auch abhängig von den anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA) der worst case. Zwischen diesen beiden Szenarien wären noch eine „Multipower EU“ („Zeitenwende“ und Zerwürfnis mit den USA) sowie eine „Depower EU“ (Einheit und business as usual) denkbar und keinesfalls abwegig.</p><p>Beendet wurde der Vortrag mit dem bekannten Zitat Jean Monnets („Europa wird in Krisen geschmiedet werden, und es wird die Summe der Lösungen sein, die man für diese Krisen erdacht hat“) und dem Verweis auf heute, da wir uns als „Zeitzeugen“ einer sich im Moment aufgrund der „Permakrise“ neu schmiedenden EU bezeichnen können, welche wie so oft Katalysator sowie Motor für neue Innovationen ist.</p><p><i>Europäische Außenpolitik und der Westbalkan</i><br /><br />Bis heute prägen Stereotype das Bild des „Balkans“ in Europa. Der Balkan-Begriff ruft eine Reihe verschiedener Assoziationen hervor. Von kulinarischen Meisterstücken – wie der Balkanplatte - über das pure Gefühl von Strand, Berge, Sonne und Meer, bis hin zu den negativen Bildern des Balkans – spätestens seit Ende des Kalten Krieges scheint die Region zum Synonym von Krieg und Armut geworden zu sein. Doch was genau ist überhaupt als Balkan zu bezeichnen und wie ist dieser im Geflecht europäischer Integration und europäischer Außenpolitik einzuordnen? Diesen Fragen ging Dr. Ragnar Müller – Dozent im Fachbereich Politikwissenschaft der PH Ludwigsburg und Europaexperte – in seinem Workshop „EU-Außenpolitik am Beispiel des Westbalkans“ nach.</p><p>Immer wieder ist die Rede vom „Balkan“, „Westbalkan“ oder „Südosteuropa“. Welche Begrifflichkeit zur Bezeichnung der Länder im Südosten Europas gewählt wird, scheint verzwickt. Anzumerken ist jedoch, dass der Begriff „Balkan“ als höchst problematisch in diesem Zusammenhang zu werten ist. In seinem Ursprung bezeichnet der Balkan-Begriff lediglich ein tertiäres Faltengebirge in Südosteuropa, dessen Hauptkamm in Bulgarien zu verorten ist. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet der Balkan-Begriff jedoch einen territorial weiter gefassten Raum, zu dem die Staaten Bulgarien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Nord-Mazedonien, Albanien, Kosovo, Serbien, Kroatien und Rumänien zählen. Mit Blick auf die diversen Ethnien und Konfessionen des Balkans bietet es sich an, den geeigneteren Terminus „Südosteuropa“ für diese doch sehr heterogene Landmasse anzuführen. EU-intern hält sich nach wie vor die Bezeichnung des Westlichen Balkans. Diese Bezeichnung umfasst eine Staatengruppe südosteuropäischer Staaten, welche noch keine EU-Mitglieder sind.</p><p>Mit Ende des Kalten Krieges 1991 und dem Zusammenbruch des Staatssozialismus kehrt auch das Bild „Rückkehr nach Europa“ in die Köpfe südosteuropäischer Staaten zurück. Wenn ein Staat nach dem Zerfall der Sowjetunion der EU beitritt, so schien Jugoslawien – mit seiner vermeintlich fähigen Produktion von Gütern und der fortgeschrittenen Emanzipation von der Sowjetunion – prädestiniert dafür. Jedoch zeigt sich, dass mit Jugoslawien in den 90er Jahren eben jenes Land zerfällt, dass sich außen- und innenpolitisch bereits im Kalten Krieg am weitesten von der Sowjetunion emanzipiert hatte. Die folgenden Kriege der 90er, mitsamt ihrer humanitären Krisen, lassen einen Beitritt südosteuropäischer Staaten in weite Ferne rücken.</p><p>Nach der Beendigung des Jugoslawienkriegs und dem Tod Franjo Tudjmans (Kroatien) und dem Sturz von Serbiens Slobodan Milosevic beginnt die Zeit der langsam fortschreitenden Stabilität der Region. Auch der – auf Initiative von Joschka Fischer hin – gegründete Stabilitätspakt der Europäischen Union für Südosteuropa festigte das Ziel einer mittel- und langfristigen Stabilität der Krisenregion durch regionale und überregionale wirtschaftliche, demokratische und sicherheitspolitische Zusammenarbeit. Neben den Mitgliedstaaten der EU waren die Balkanstaaten sowie die Mitglieder der G8 beteiligt. Das Gipfeltreffen in Thessaloniki 2003 bestätigte die fortschreitende Integrationsbereitschaft der EU, westliche Balkanstaaten durch feste Beitrittsgarantien in die Europäische Union einzugliedern.<br /><br />Nach der Beitrittswelle von zwölf Staaten (2004, 2007) und den damit einhergehenden politischen Herausforderungen stagnieren jedoch diverse Beitrittsgesuche der noch ausstehenden südosteuropäischen Staaten. Durch vielfältige Krisen, wie der Finanzkrise 2008 oder der sogenannten „Flüchtlingskrise“ 2015 sowie einer EU-Erweiterung um 12 neue Mitgliedsstaaten setzt eine Erweiterungsmüdigkeit ein, die EU scheint mit eigenen politischen Herausforderungen mehr als beschäftigt zu sein. Ein Teufelskreis setzt ein: Ohne Reformen kommt es zu keiner Annäherung an die EU, ohne Zuversicht des Beitritts kommt es zu keinen Reformbemühungen.</p><p>Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022 führt zu einer Zäsur und Zeitenwende in der internationalen Politik. Der russische Territorialhunger führt zu einer „Rückkehr des Krieges nach Europa“. Aus Sicht südosteuropäischer Staaten kehrt der Krieg jedoch nicht erst seit 1945 zurück, sondern war in den 1990er Jahren ein stetiger Begleiter.<br /><br />Es zeigt sich jedoch, dass die Beitrittsperspektive des Westlichen Balkans dadurch deutlich besser geworden ist. Auch die EU muss durch die veränderte Lage verstärkt geopolitisch denken. Dieser europäische Blick auf geopolitische Gesichtspunkt lässt den Westbalkan vermutlich als Gewinner hervorgehen. Die Rückkehr der Geopolitik und die veränderte Systemkonkurrenz bieten nun die Chance einer neuen Integrationsdynamik. Diese scheint untrennbar mit sicherheitspolitischen Fragen verbunden zu sein. Der „Berlin-Prozess“ wird angekurbelt, die EU scheint sich mehr um die Region zu bemühen. Eine Erweiterungspolitik anderer Art setzt ein.</p><p><i>Europäische Außenpolitik am Beispiel der Ukraine</i><br /><br />Seit dem ersten Assoziierungsabkommen, ratifiziert und begonnen zwischen 2014-2016, zwischen den Staaten der EU und der Ukraine und dem erneuten Angriff des russischen Militärs auf ukrainischen Boden im Februar 2022, strebt die Ukraine nun mit deutlichem Nachdruck eine weitere Annäherung an die EU an. Am liebsten mit einem Beitritt der Ukraine zum Bündnis. Durch das sehr öffentlichkeitswirksame Beitrittsgesuch der Ukraine durch ihren Präsident Selenskyj stellen sich verschiedene neue Fragen und Herausforderungen für die EU. <br /><br />Einerseits handelt es sich um politisches Neuland für die EU, da in der Vergangenheit ihre Erweiterungspolitik nur in befriedeten Räumen stattfand. Insbesondere mehrere osteuropäische EU-Staaten sprachen sich dafür aus, der Ukraine bereits kurz nach Beginn des Angriffskrieges den Status als Beitrittskandidat zu verleihen, was sich auch durchsetzte. Dadurch, dass es derzeit (Mai 2023) keine Anzeichen gibt, dass der Krieg in der Ukraine bald endet und die EU-Kommissionspräsidentin der Ukraine ein schnelles Verfahren versprach, stellt sich die Frage, wie damit verfahren werden soll, wenn es Krieg oder kriegsähnliche Zustände in einem Mitgliedsland gibt. <br /><br />Zusätzlich stellt sich die doppelte Herausforderung der Erweiterung und Vertiefung. Die letzte Reform des EU-Vertrages gab es 2007 in Lissabon. Seit 2007 ist die EU aber durch mehrere Krisen gegangen, welche Mängel im System aufgedeckt haben. Weiter gibt es derzeit 8 Beitrittskandidaten, die auf Fortschritte im Prozess warten und hoffen. Dieser doppelte Handlungsdruck wirft die Frage auf, welcher Prozess zuerst begonnen werden soll. Der Reformprozess oder die Erweiterungsbestrebungen.</p><p>Als letzte Herausforderung stellt sich die Frage, ob die Erwartungen, die die Ukraine in den Prozess legt, von der EU erfüllt werden können. Dabei spielt natürlich auch eine Rolle, welche Versprechungen die EU der Ukraine macht. Zu nennen ist hier das Versprechen der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyens, welche der Ukraine ein beschleunigtes Verfahren versprach.</p><p>Weiter befasst sich dieser Beitrag mit den Ideen, Interessen und Instrumenten, welche der EU im Umgang mit der Ukraine zur Verfügung stehen und nach denen sie handelt. Die Idee einer weiteren Annäherung zwischen der EU und der Ukraine ist klar geprägt durch eine friedensfördernde Politik. Durch den Beitritt der Ukraine zur EU würde sie noch deutlicher unter dem Schutz des “Westens” stehen und dies eine abschreckende Wirkung auf mögliche Aggressoren haben. Dies dient natürlich einem politischen und ökonomischen Interesse nach Stabilität in Europa. Erreichen möchte die EU dies durch das seit 2016 in Kraft getretene Assoziierungsabkommen und den nun verliehenen Status als Beitrittskandidat. Weiter fördert die öffentliche Unterstützung innerhalb der EU und der Ukraine für einen Beitritt den Prozess.</p><p>Nach dem Vortrag von Große Hüttmanns wurde die Debatte eröffnet und es wurden verschiedene Aspekte unter den Teilnehmenden diskutiert. Abgesehen von den bisher genannten Problemen stellen sich weitere Fragen, sollte es zu einem Beitritt kommen. Einerseits über die Fairness und Konsequenz des Aufnahmeprozesses. Während mehrere südosteuropäische Staaten seit Jahren über einen Beitritt verhandeln, wurde der Ukraine ein schnelles Verfahren versprochen. Sollte dies umgesetzt werden, könnten sich diese Staaten hintergangen und unfair behandelt fühlen. Andererseits scheint es auch so, dass die Bemühungen der Ukraine größer sind als die der Länder Südosteuropas, was einen schnelleren Beitritt rechtfertigen würde.</p><p>Des Weiteren gilt es zu bedenken, dass mit einem Beitritt der Ukraine diese direkt eines der größten Länder der Union wäre und einer der größten Getreideproduzenten der Welt ist. Daher könnte die Aufnahme dazu führen, dass Regeln, wie beispielsweise die Agrarsubventionen der EU, neu überdacht werden müssen. Die diskutierende Gruppe sprach sich am Ende für einen Beitritt der Ukraine zur EU aus, stellte jedoch die Bedingung, dass keine Verfahren abgekürzt werden sollten und die Ukraine das reguläre Verfahren durchlaufen sollte. </p>Roman Straußhttp://www.blogger.com/profile/02323208421371228829noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-26038647653404601122023-02-18T15:36:00.002+01:002023-02-18T15:37:53.004+01:00Online-Vortrag: EU-Außenpolitik angesichts des Krieges in Europa<p>Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg lädt zu einem Online-Vortrag im Rahmen der LpB-Webtalk-Reihe "Zeitenwende im Gespräch" ein: „<b>Ein Jahr Krieg in der Ukraine: eine Bewährungsprobe für die Europäische Union?</b>“</p><ul style="text-align: left;"><li>Referenten: Prof. Dr. Thomas Diez (Universität Tübingen), Dr. Knut Krohn (Stuttgarter Zeitung)</li><li>Termin: Mittwoch, <b>22. Februar 2023</b>, 18.30 bis 20 Uhr</li><li>Ort: Webex-Konferenzraum</li><li>Kosten: Die Teilnahme ist kostenfrei</li></ul><p><b>Anmeldung </b>unter <a href="https://www.lpb-bw.de/einzelansicht-aktuell/ein-jahr-krieg-in-der-ukraine-eine-bewaehrungspro-22-02-2023" target="_blank">https://www.lpb-bw.de/einzelansicht-aktuell/ein-jahr-krieg-in-der-ukraine-eine-bewaehrungspro-22-02-2023</a>. Die Zugangsdaten zum Webex-Meeting erhält man rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn.</p><p><b>Thema</b>: Kaum jemand hatte sich das vorstellen können: Russland unternimmt einen Angriffskrieg gegen sein Nachbarland Ukraine. Beschönigt als „militärische Spezialoperation” verfolgt Putin überkommene Machtansprüche. Europa findet sich nun zurückversetzt in längst überwunden geglaubte Spannungen und Spaltungen. Die Europäische Union musste sich dieser neuen Situation stellen und rasch Antworten finden: politisch, wirtschaftlich und militärisch. Wie sinnvoll und wirkungsvoll waren die bisherigen Maßnahmen? Wie verliefen die innereuropäischen Entscheidungsprozesse und wo steht Europa heute in diesem brisanten geopolitischen Konflikt?</p>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-57225060880128747292023-02-15T14:21:00.000+01:002023-02-15T14:21:10.827+01:00Herrschaft des (europäischen) Volkes? Das (vermeintliche) Demokratiedefizit der Europäischen Union<p>Quo vadis, EU? Das Projekt, das zu Anfang für Frieden sorgen sollte, hat inzwischen so manches umgesetzt, was in der Gründungszeit, im Mai 1951, für visionär gehalten wurde. Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die zu Beginn aus sechs Staaten (Frankreich, Deutschland, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Italien) bestand, entwickelte sich schnell weiter: Von einem Gemeinsamen Markt über weitere Mitgliedsländer bis hin zu einer gemeinsamen Währung transformierte sich die einstige Gemeinschaft zur heutigen Europäischen Union.</p><p>"Spill over"-Effekte sorgten dafür, dass ausgehend vom Gemeinsamen Markt auch gemeinsame Arbeitsbereiche außerhalb der Ökonomie entstanden: Das Wirtschaftsprojekt wurde zunehmend politisch und steht heute zwischen Supranationalismus und Intergouvernementalismus. Die EU, so wird gerne gesagt, ist ein System <i>sui generis</i>, weder ganz internationale Organisation noch ganz Staat. Doch gerade weil die EU in machen Belangen staatliche Züge angenommen hat, stellt sich die Frage, ob ihre demokratische Legitimation ausreicht. Angela Merkel drückte das in einer Regierungserklärung von 2006 folgendermaßen aus:</p><blockquote><p>„Kurz gesagt muss man feststellen: Europa steht bei den Europäerinnen und Europäern nicht so hoch im Kurs […]. Wir müssen […] den Stand des Projekts Europa kritisch überprüfen. Wir müssen den Bürger in den Mittelpunkt stellen“ (Bundesregierung 2006, S. 3f.).</p></blockquote><p>Doch worunter leidet die demokratische Legitimation der EU? Und wie könnte man der Union zu mehr Demokratie verhelfen? Diesen Fragen geht der folgende Beitrag nach. Ausgehend vom Aufbau der EU wird das sogenannte Demokratiedefizit in institutioneller und struktureller Hinsicht erläutert. Abschließend werden mögliche Lösungsvorschläge vorgestellt und Kritikpunkte geäußert.<span></span></p><a name='more'></a><p></p><p><b>Aufbau der EU und Demokratiedefizit</b></p><p>Die Aufbau der Union wird häufig als abstrakt und kompliziert erachtet. Auch die ZDF-Satiresendung <i>Die Anstalt</i> greift den komplexen Aufbau der EU zusammen mit dem Demokratiedefizit in der Sendung vom 06.09.2015 auf. Um auf das Demokratiedefizit aufmerksam zu machen, beginnen die Satiriker Claus von Wagner und Max Uthoff so: </p><div><iframe allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture; web-share" allowfullscreen="" frameborder="0" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/3lHVcvJdWIs" title="YouTube video player" width="560"></iframe> <br /><br />Claus von Wagner (C.v.W.): „Die meisten Nutzer [gemeint sind hier die Bürger*innen der Europäischen Union] beschweren sich, dass unser Haus [gemeint ist die Europäische Union] nicht den demokratischen Anforderungen entspricht.“<br /><br />Max Uthoff (M.U.): „Diese Leute sind doch gar nicht in der Lage, ein so komplexes Haus wie unseres zu verstehen.“<br /><br />C. v. W.: „Aber sie sollen drin wohnen ... wie soll denn das gehen?! Vielleicht können Sie’s mir erklären, schau’n Sie mal, wir haben da hinten doch den Grundriss von unserem Hotel [gemeint ist hier abermals die Europäische Union].“<br /><br />M. U.: „Ja ... ja, was suchen Sie denn?“<br /><br />C. v. W.: „Na, die Demokratie!“<br /><br />M. U.: „Ach Demokratie ... Demokratie ... was heißt schon Demokratie?“<br /><br />C. v. W.: „Na, das Regieren des Volkes durch das Volk für das Volk.“ <br /><br />(von Wagner/Uthoff 2016, 00:00:00 – 00:01:00).</div><div><br /> <iframe allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture; web-share" allowfullscreen="" frameborder="0" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/Zm6fIF2LIWI" title="YouTube video player" width="560"></iframe> </div><div><br /></div><div>Wie Markus Preiß, Leiter des ARD-Studios in Brüssel, in seinem #kurzerklärt-Video erläutert, ist die Europäische Union „demokratisch mit Schönheitsfehlern“ (Preiß 2019, 00:02:07-00:02:10) und sicherlich weit weg davon, undemokratisch zu sein. Doch über ihr Demokratiedefizit lässt sich schlecht hinwegsehen. Es fußt im Wesentlichen auf zwei Gründen: „zu wenig Bürgerbeteiligung infolge mangelnder Transparenz und eine[r] unzureichende[n] Legitimation der Institutionen der Europäischen Union“ (Bollmohr 2018, S. 73). Doch politische Systeme sind auf Legitimation angewiesen, „um Herrschaft dauerhaft zu sichern“ (Abels 2019, S. 2). <br /><br />Um dieses Demokratiedefizit besser verstehen zu können, ist eine Beschreibung des Aufbaus der Europäischen Union und ihrer Institutionen unerlässlich. Autor*innen, die die Europäische Union für demokratisierbar halten, begreifen die EU als als ein politisches System, das durch institutionelle und strukturelle Reformen verändert werden kann (vgl. Schäfer 2006, S. 354). Sie gehen hierbei von einem Demokratieverständnis gemäß der Übersetzung des Wortes Demokratie (= Volksherrschaft) aus. Wie in der Inszenierung der Anstalt angeklungen, wird von einer Auslegung des Wortes ausgegangen, das das Regieren des Volkes durch das Volk für das Volk als Grundlage nimmt und auf eine Aussage von Abraham Lincoln zurückgeht („government of the people, by the people, for the people“). <br /><br />Die EU hat sieben Organe (vgl. Weidenfeld 2013, S. 116). Den Kern bildet dabei das „institutionelle Dreieck“ bzw. nach der Inklusion des Europäischen Rates durch den Vertrag von Lissabon das „institutionelle Viereck“, bestehend aus dem Europäischen Rat, der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union. Zu den Organen gehört darüber hinaus der Gerichtshof der Europäischen Union, die Europäische Zentralbank und der Rechnungshof. Beginnend mit dem Europäischen Parlament werden nachfolgend alle Institutionen nach der Reihenfolge aufgelistet, wie sie im Vertrag von Lissabon stehen, und ihr Demokratie- bzw. Legitimationsdefizit erläutert.</div><div> </div><div><i><b>Europäisches Parlament</b></i></div><div> </div><div>In das Bewusstsein der europäischen Bevölkerung kam das Europäische Parlament (EP) erst mit der ersten Direktwahl im Jahr 1979 (vgl.: ebd.). Damit war „[d]er Schritt hin zu einem von den Bürgern legitimierten europäischen Einigungswerk […] getan“ (ebd.). Seither gewann das EP an Befugnissen. So wurde beispielsweise mit dem Vertrag von Maastricht (1992) das Mitentscheidungsverfahren eingeführt, „welches das Parlament dem Rat im Gesetzgebungsprozess gleichstellt“ (ebd.).</div><div> </div><div>Wahlen für das Europäische Parlament finden alle fünf Jahre statt (vgl.: Weidenfeld 2006, S. 65). Insbesondere hinsichtlich des Demokratiedefizits ist es wichtig festzuhalten, dass das EP die einzig direkt gewählte Institution der Europäischen Union darstellt. Als solche stellt sie „die unmittelbare Vertretung der Unionsbürger auf der europäischen Ebene dar“ (Weidenfeld 2013, S. 116). Dabei werden die Sitze „degressiv-proportional“ verteilt (ebd., S. 117). Dies führt allerdings dazu, dass „ein deutscher Abgeordneter mehr als 13 Mal so viele Bürger vertritt wie ein Parlamentsmitglied aus Luxemburg oder Malta“ (ebd.). Von einer gleichen Wahl, wie es das Grundgesetz in der Bundesrepublik Deutschland für die Bundestagswahlen vorgibt, kann nicht gesprochen werden. <br /> </div><div>Die Funktionen und Aufgaben des EP sind vielfältig. Es „fungiert zusammen mit dem Ministerrat der Union als Gesetzgeber“ (ebd.) und stellt mit ihm die Haushaltsbehörde dar (vgl. ebd.). Gleichzeitig „kontrolliert [es] die Arbeit der Kommission“ (ebd.). Generell kann von fünf Funktionen des EP gesprochen werden: Systemgestaltungsfunktion, Politikgestaltungsfunktion, Wahlfunktion, Kontrollfunktion und Repräsentations- bzw. Artikulationsfunktion (vgl.: ebd., S. 121ff.). <br /> </div><div>Mit der Systemgestaltungsfunktion hat das Europäische Parlament einen, wenn auch geringen, Spielraum zur „konstitutionellen Weiterentwicklung des EU-Systems“ (ebd., S. 121). Beispielsweise darf das Parlament „Entwürfe zur Änderung der Verträge [vorlegen]“ (ebd.). Außerdem kann eine Erweiterung der Europäischen Union nur mit Zustimmung der Parlaments durchgeführt werden. <br /> </div><div>Die Politikgestaltungsfunktion bezeichnet die Möglichkeit des EP, die Kommission auffordern zu können, eine Gesetzesinitiative zu starten (= indirektes Initiativrecht). Die Kommission muss dieser Bitte innerhalb von drei Monaten nachkommen oder andernfalls ihr Verhalten wohlbegründet erläutern. Das indirekte Initiativrecht teilt sich das EP mit dem Rat. Ebenso teilen sich beide Organe das Haushaltsrecht, wobei das EP in diesem Belang, zumindest auf Ausgabenseite, das letzte Wort behält (vgl.: ebd., S. 122). <br /> </div><div>Die Wahlfunktion wird durch die Wahl des Kommissionpräsidenten erfüllt, der vom Europäischen Rat vorgeschlagen wird. Das EP ist auch an der Bestellung der Kommission beteiligt und muss der Zusammensetzung zustimmen. Die Repräsentations- und Artikulationsfunktion des Europäischen Parlaments wird kritisch gesehen. Aufgrund einer fehlenden europäischen Öffentlichkeit kann eine Repräsentation der europäischen Bürger*innen nicht in dem Maße stattfinden, wie es in nationalstaatlichen Parlamenten der Fall ist. <br /><br />Das Europäische Parlament arbeitet in Fraktionen, die sich nach der politischen Ausrichtung organisieren und sich aus den Mitgliedern des EP aus den verschiedenen Mitgliedsstaaten zusammensetzen. Im Gegensatz zu nationalen Parlamenten gibt es kein „Regierungs-Oppositions-Schema“ (vgl.: ebd., S. 124) und es wird mit Ad-hoc-Mehrheiten gearbeitet. Wie Weidenfeld (2013) klarstellt, bietet diese Herangehensweise „immer wieder neue Möglichkeiten zur persönlichen Einflussnahme […]; [allerdings wird es] für die Öffentlichkeit […] dadurch schwierig, politische Verantwortung zuzuordnen“ (ebd.). <br /> </div><div>Auch wenn sich das EP durch verschiedene Vertragsreformen immer weiter an die „Rolle nationaler Parlamente angenähert“ (ebd., S. 121) hat, besitzt es nicht alle Funktionen der Parlamente der Mitgliedsstaaten. Bezogen auf das EP werden „drei wesentliche Legitimationsmängel“ (Bollmohr 2018, S. 99) aufgezeigt. Einer der Mängel ist der Wahlmodus, denn statt eines „kodifizierten Wahlrechts […] gelten nationale Wahlgesetze mit zum Teil erheblichen Unterschieden“ (ebd., S. 86). Die Sitzverteilung im Europäischen Parlament nach der degressiven Proportionalität verstärkt die Ungleichheit der Wähler*innenstimmen bei der Europawahl.</div><div> </div><div>Zu erwähnen ist hierbei auch, dass es zur Europawahl, anders als bei nationalen Wahlen, kaum einen erkennbaren Wahlkampf gibt. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass es keine europäischen Parteien und deshalb kein parteienspezifisches Wahl- bzw. Parteiprogramm und kaum europäische Themen gibt (vgl.: ebd., S. 86f.). Auswirkungen hat das auf die Arbeitsweise des Europäischen Parlaments. Ohne Parteiprogramm können Mitglieder der Fraktionen lediglich fallbezogen „über Vorgänge beraten und abstimmen, die von der Europäischen Kommission vorgegeben werden“, was den Prozess „unvorhersehbar“ macht (ebd., S: 87). <br /> </div><div>Ein weiterer Mangel ist die eingeschränkte Gesetzgebungsfunktion. Die Rechtsetzungsverfahren werden, trotz Aufwertung des EP, von den Räten dominiert (vgl.: ebd.). Wie Bollmohr (2018) auf Seite 99 feststellt, ist die Beteiligung an der Gesetzgebung mit unter zehn Prozent noch „zu gering“. Zusätzlich wird der fehlende Austausch zwischen Unionsbürger*innen und den Abgeordneten des EP als Mangel gesehen. Das einzige von den Unionsbürgern direkt gewählte Organ hat zwar in den letzten Jahrzehnten an Kompetenzen gewonnen, ist aber in wichtigen Bereichen (Außenpolitik, Steuerpolitik) nach wie vor nicht gleichberechtigt mit den nationalen Regierungen im Rat.<div><b> </b></div><div><i><b>Europäischer Rat</b></i><div style="text-align: left;"> </div><div style="text-align: left;">Der Europäische Rat besteht aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten der EU und entscheidet im Konsens. Er nimmt formal nicht am Gesetzgebungsprozess teil, sondern hat eine gewichtige Rolle bei der „Systemgestaltung und bei der Besetzung von Schlüsselpositionen“ (Weidenfeld 2013, S. 127). Der Europäische Rat hat drei zentrale Funktionen: Lenkungsfunktion, Wahlfunktion und Systemgestaltungsfunktion.</div> </div><div>Die Lenkungsfunktion erlaubt es dem Europäischen Rat, allgemeine Leitlinien für die Politik der EU, vornehmlich für die Außenpolitik, zu erlassen. Er wählt mit dem Präsidenten des Europäischen Rats und dem Hohen Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik die zwei wichtigsten „Vertreter der EU-Außenpolitik“ (ebd.). Darüber hinaus nimmt er eine „Schlüsselstellung“ in der Systemgestaltung ein (ebd.). Schließlich sind die Mitgliedsstaaten die Herren der Verträge und sie entscheiden, welche Kompetenzen sie an die europäische Ebene abgeben. <br /><b> </b></div><div><i><b>Rat der EU/Ministerrat</b></i><div style="text-align: left;"><b><br /></b></div><div>„Der Rat [der EU] besteht aus je einem Vertreter jedes Mitgliedstaats auf Ministerebene, der befugt ist, verbindlich für die Regierung zu handeln“ (ebd., S. 129). Er ist nach Fachgebiet in Fachministerräte unterteilt. Zunehmend entscheidet der Rat mit Mehrheit. Halbjährlich wechselt die Präsidentschaft des Rates (vom 01.01.2023-30.06.2023 hat beispielsweise Schweden die <a href="https://www.consilium.europa.eu/de/council-eu/presidency-council-eu/" target="_blank">Ratspräsidentschaft</a> inne). <br /></div> </div><div>Der Rat besitzt zentrale Befugnisse in der EU-Außen- und Sicherheitspolitik. Daneben ist seine Legislativ- und Exekutivfunktion entscheidend. Inzwischen teilt sich der Rat die Legislativfunktion, genauso wie das Haushaltsrecht, mit dem Europäischen Parlament. Beide Organe besitzen überdies das Recht, auf die Kommission zuzugehen und einen Gesetzentwurf vorzuschlagen. Die Exekutivfunktion nimmt der Rat wahr, „indem er Vorschriften zur Durchführung von Rechtsakten erlässt, die Durchführung selbst ausführt oder sie an die Kommission delegiert“ (ebd., S. 132). Der Rat übernimmt gegenüber der Kommission darüber hinaus eine Kontrollfunktion.<br /><br /></div><div>Die Räte, also der Europäische Rat und der Rat der Europäischen Union, beziehen ihre Legitimation durch die Nationalstaaten. Daraus entsteht dennoch ein Legitimationsmangel bzw. ein Demokratiedefizit, weil der Ministerrat maßgeblich am Gesetzgebungsverfahren in der EU beteiligt, aber nicht auf EU-Ebene legitimiert ist (vgl.: Bollmohr 2018, S. 99). Zusätzlich hält Bollmohr (2018) fest, dass der Rat (der EU) „zwar von den nationalen Parlamenten beeinflusst wird, aber da die qualitative Mehrheit im Rat auch Abstimmungsniederlagen für einzelne Länder nach sich ziehen kann, sind die Möglichkeiten der Parlamente begrenzt“ (ebd.).<br /><b> </b></div><div><i><b>Kommission</b></i><div style="text-align: left;"><b><br /></b></div><div>Wie Weidenfeld (2013) auf Seite 135 schreibt, ist die Kommission „vertragsrechtlich auf das allgemeine EU-Interesse verpflichtet und soll unabhängig von den nationalen Regierungen handeln“. Während der Europäische Rat das prototypische intergouvernementale Organ darstellt, ist die Kommission die klassische supranationale Institution in der Europäischen Union.</div><div> </div><div>Das Kollegium, aus dem sich die Kommission zusammensetzt, besteht aus einem Kommissar pro Mitgliedsland. Es wird „in einem Zusammenspiel zwischen den Staats- und Regierungschefs und dem EP [bestimmt]“ (ebd., S. 137). Der/die Kommissionspräsident*in und der Verwaltungsapparat ergänzen die Kommission. Der Europäische Rat schlägt ein*e Kandidat*in für das Amt der/des Kommissionpräsident*in vor, welche*r sich dann einer Wahl im EP unterziehen muss. Bei Ablehnung unterbreitet der Rat einen neuen Vorschlag, bei Annahme schlagen die Staats- und Regierungschefs mit dem/der Präsident*in die weiteren Kommissionsmitglieder vor, die ebenso der Zustimmung des Parlaments bedürfen. Eine Amtsperiode der/des Präsident*in dauert fünf Jahre. Außerdem hat das EP die Befugnis, die Kommission durch ein Misstrauensvotum ihres Amtes zu entheben. Hierfür ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. </div></div><div><br />Die Kommission hat vier wichtige Funktionen: Sie fungiert sowohl als Exekutive als auch als Außenvertretung und hat die Legislativ- und Kontrollfunktion inne. Als Exekutive ist die Kommission für die Durchführung von Rechtsakten und die „Umsetzung und Verwaltung der Unionspolitiken verantwortlich, die vom Parlament und vom Rat verabschiedet wurden“ (ebd., S. 138). Die Ausführung des vom Europäischen Parlament beschlossenen Haushalts gehört ebenso zu den exekutiven Aufgaben der Kommission. <br /> </div><div>Die Legislativfunktion umfasst das Initiativmonopol. Die Kommission darf als einzige EU-Institution Gesetzesvorschläge einbringen. Sie ist „agenda-setter“ (ebd., S. 139) und kann die EU-Integration vorantreiben. Als Hüterin der Verträge ist die Kommission für die Einhaltung des Unionsrechts verantwortlich und kann, bei Verletzung des Unionsrechts, ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnen. Sie vertritt überdies die vergemeinschaftete Handels- und Entwicklungspolitik nach außen und nimmt „im Namen der EU an den Verhandlungen im Rahmen der WTO teil“ (vgl.: ebd., S. 140).</div><div> </div><div>Die Mängel der Legitimation der Europäischen Kommission zeigen sich bei der Wahl der Mitglieder und der/des Präsident*in. Kandidat*innen werden von den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vorgeschlagen und vom Europäischen Parlament bestätigt. Dies ist in den Verträgen zwar so festgehalten, „aber der Legitimationsglaube in die wichtigste Institution der EU ist gering“ (Bollmohr 2018, S. 99). Schließlich ist „das EP durch das bestehende Wahlverfahren nur bedingt als legitimiert [anzusehen] […] und der Europäische Rat durch die Nationalparlamente nicht im Eigentlichen für EU-Fragen legitimiert“ (ebd., S. 80). <br /> </div><div>Zudem stellt die Kommission eine Art Exekutive, also Regierung dar. Diese ist momentan weder wähl- noch abwählbar. Doch genau das, eine wähl- und abwählbare Regierung, zeichnet eine Demokratie aus, weswegen das Demokratiedefizit der EU an dieser Stelle besonders zum Vorschein kommt. </div><div><br /><div style="text-align: left;"><i><b>EuGH, Europäische Zentralbank und Rechnungshof</b></i></div><div style="text-align: left;"><b><br /></b></div><div>Der Europäische Gerichtshof mit Sitz in Luxemburg ist verantwortlich für die Wahrung und die Einheitlichkeit des Unionsrechts. Er wird dann aktiv, wenn eine Klage oder eine Anfrage vorliegt und agiert deshalb reaktiv. Gleichzeitig stellt er – wie die Kommission – ein supranationales Organ dar. Der Gerichtshof besteht aus einem Richter je Mitgliedsstaat, die von „den nationalen Regierungen im gegenseitigen Einvernehmen für eine Amtszeit von sechs Jahren ernannt [werden]“ (Weidenfeld 2013, S. 143).</div><div> </div><div>Das Europäische Parlament spielt bei der Ernennung der Richter keine Rolle, was den Gerichtshof von anderen obersten Gerichten, wie dem Supreme Court oder dem Bundesverfassungsgericht, unterscheidet. Zusätzlich unterscheidet ihn vom höchsten Gericht der Bundesrepublik Deutschland, dass eine Wiederwahl der Richter möglich ist. Der Europäische Gerichtshof hat die Befugnis, gegenüber den Mitgliedsstaaten „bindende Urteile [zu] sprechen“ (ebd., S. 143). Das hat zur Folge, dass seine Entscheidungen die Bevölkerung der EU direkt betreffen. Mit dem Vertrag von Lissabon wurden seine Kompetenzen von der supranationalen Säule zudem auf die Innen- und Justizpolitik erweitert (vgl.: ebd.). Entscheidungen fallen meist einvernehmlich oder per einfacher Mehrheit. Der Gerichtshof hat „in der Geschichte der Integration immer wieder eine Motorrolle übernommen“ (ebd., S. 145). Seine Urteile fallen überwiegend integrationsfreundlich aus (in dubio pro communitate – (ugf.) im Zweifel für die Europäische Union). <br /><br />Die Europäische Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt am Main wurde 1998 mit der Einführung der gemeinsamen Währung eingerichtet. Sie ist für die Geldpolitik der EU verantwortlich und hat als Organ einen supranationalen Charakter. In ihrer Arbeitsweise ist sie von anderen EU-Organen und von den Mitgliedsstaaten unabhängig. Bei der Währungspolitik arbeitet die EZB mit nationalen Zentralbanken zusammen. Ihr vorrangiges Ziel ist es, Preisstabilität zu sichern. Darüber hinaus unterstützt sie die Wirtschaftspolitik der Europäischen Union. <br /><br />Der Vertrag von Maastricht (1992) hob den Rechnungshof zu einem Organ an. Seine Aufgabe ist die Rechnungsprüfung der EU, was alle Einnahmen und Ausgaben betrifft. Er besteht aus einem Staatsangehörigen je Mitgliedsstaat, welche vom Rat ernannt werden. Hierbei verfügt das Europäische Parlament über ein Anhörungsrecht. <br /><br />Alle drei Organe, der EuGH, die Zentralbank und der Rechnungshof, werden nicht gewählt, sind aber dennoch in besonderem Maße am Integrationsprozess beteiligt. Dieser Umstand ist keine Besonderheit der EU, sondern auch in Nationalstaaten üblich. Dennoch gibt es Kritik und Reformvorschläge. Die Wiederwahl der Richter am EuGH gilt als besonders problematisch. Ebenso gibt es Forderungen nach mehr Transparenz in allen drei Organen.<br /><br />Die bisher genannten Defizite beziehen sich auf die Institutionen der Europäischen Union und werden deswegen institutionelle Defizite genannt. Daneben gibt es das strukturelle Demokratiedefizit, das die nach wie vor fehlende Kommunikations-, Erfahrungs- und Erinnerungsgemeinschaft beschreibt, in der sich eine kollektive Identität herausbildet, etabliert und tradiert (vgl. Graf Kielmannsegg 2003, S. 57ff.). Oder einfacher ausgedrückt: Es mangelt an einer „Wir-Identität“, denn es fehlt eine gemeinsame Sprache, es gibt kein gemeinsames Politikverständnis und kein einheitliches Rechtssystem (vgl. Bollmohr 2018, S. 74).</div><div> </div><div>Schließlich schafft ein auf Effizienz ausgelegter Gemeinsamer Markt noch keine Demokratie, geschweige denn einen gemeinsamen Demos. Darauf ist der Markt auch gar nicht angewiesen. Das strukturelle Demokratiedefizit macht sich beispielsweise bei den Europawahlen durch eine geringe Wahlbeteiligung bemerkbar (im Jahr 2009 lag die Wahlbeteiligung bei gerade mal 43%, vgl.: Decker 2017, S. 166). <br /><br />Diese Defizite sind nicht neu und seit der zunehmenden Politisierung der Europäischen Union bekannt. Seit Ende der 1980er Jahre ist man auf EU-Ebene bemüht, sie zu beheben (vgl.: Bollmohr 2018, S. 71). Doch wie könnten weitere Schritte in Richtung weniger Demokratiedefizit in einem „Mehrebenensystem ohne einheitlichen Demos […], ohne einheitliche Regierung […] und ohne nennenswerte intermediäre Strukturen“ (ebd., S. 73) aussehen? Nachfolgend werden exemplarisch Lösungsvorschläge für das institutionelle und strukturelle Demokratiedefizit vorgestellt. Sie erheben nicht den Anspruch, die Gesamtheit aller Lösungsvorschläge abzudecken.</div></div><div> </div><div><b>Potenzielle Lösungsansätze für das institutionelle und strukturelle Demokratiedefizit der EU</b></div><div><br /><div style="text-align: left;"><i><b>Institutionelles Demokratiedefizit</b></i></div><div style="text-align: left;"><b></b></div><br />In ihrem Beitrag „Neue Governance-Formen als Erweiterung der europäischen Demokratie“ (2017) nennt Gesine Schwan eine bessere Zusammenarbeit von europäischen und nationalen Parlamentariern als Stellschraube für mehr demokratische Teilhabe. Die Überwindung des Gegensatzes zwischen „renationalisierender“ und „supranationaler“ europäischer Integration hätte einige Vorteile. Beispielsweise bewirke diese „verschränkte Parlamentarisierung“ (S. 158), wie sie diese Form der Zusammenarbeit nennt, eine bessere Verständigung über die Perspektiven von nationalen und europäischen Abgeordneten. Außerdem führe der intensivere Austausch zu einer früheren Information der nationalen Parlamentarier über Debatten und Entscheidungen im Europäischen Parlament.</div><div> </div><div>Dies hat folgende, demokratiefördernde Konsequenzen: Einerseits gebe es dadurch eine breitere öffentliche Diskussion und eine daraus resultierende Legitimation. Andererseits eine verstärkte parlamentarische Kontrolle. Einen Einbezug von Wissenschaft und Medien hält Schwan für geboten. Zusätzlich fördere dies die grenzüberschreitende Kommunikation und Kooperation. Nach wie vor, bemängelt Schwan, existiere ein Mangel an intermediären Vermittlerstrukturen in der Europäischen Union, was beispielsweise Medien, Parteien und Verbände betrifft. <br /><br />Etwas konkreter wird Frank Decker in seinem Beitrag „Weniger Konsens, mehr Wettbewerb: Ansatzpunkte einer institutionellen Reform“ (2017). Er benennt die seiner Meinung nach drei wichtigsten „demokratischen Stellschrauben“ (S. 167), um das institutionelle Demokratiedefizit zu beheben. Er sieht im einheitlichen Wahlrecht, in der Wahl des Kommissionspräsidenten und der Bestellung der Gesamtkommission Potenziale, um die Europäische Union institutionell zu legitimieren.</div><div><br />Decker moniert, dass gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV, Art. 223 Abs. 1) ein einheitliches Wahlrecht längst hätte erfüllt sein müssen (vgl. Decker 2017, S. 168). Nun gebe es die „paradoxe Situation“ (ebd.), dass europäische Parteien zwar den Parlamentsbetrieb bestimmen, bei den Europawahlen aber nach wie vor nur die nationalen Parteien kandidieren (vgl.: ebd.).</div><div> </div><div>Eine Aufhebung dieser Tatsache sieht Decker in einer „Einführung eines europaweiten Verhältniswahlsystems mit moderater Sperrklausel“ (ebd.). Diese wäre ein starker Anreiz dafür, sich als Parteien zusammenzuschließen, was einerseits der Fragmentierung im Europäischen Parlament entgegenwirken würde und andererseits förderlich für die Arbeitsfähigkeit des EP wäre. Diese Regelung würde zudem zu einer Vereinheitlichung des Wahlsystems innerhalb der Europäischen Union beitragen. Die Mitgliedsstaaten dürften weiterhin selbst entscheiden, wie das Wahlrecht genau geregelt ist und wie die Wahl durchgeführt wird. Unbedingt geboten sei hingegen eine Wahlpflicht oder alternativ eine Verteilung der Sitze nach der Wahlbeteiligung. So würde ein Anreiz für eine hohe Teilnahme geschaffen werden und die Wahlen für das EP könnten ihre Bewertung als Nebenwahl ein wenig verlieren. Jede*r EU-Bürger*in hätte nach wie vor eine Stimme, die er/sie bei der Verhältniswahl mit „starren Listen“ vergeben darf (ebd., S. 170). Auf diese Weise, schlussfolgert Decker, könnte mit der heutigen Diskrepanz zwischen Parteiensystem auf der parlamentarischen und elektoralen Ebene gebrochen werden (vgl.: ebd.). <br /> </div><div>Die Wahl der/des Kommissionspräsident*in ist eine weitere Stellschraube, mit der man Decker zufolge das institutionelle Demokratiedefizit der EU schmälern kann. Für zentral hält er die Frage nach dem Verhältnis zwischen Parlament und Regierung. Decker schlägt an dieser Stelle das präsidentielle System vor, mit der Begründung, dass die Bürger*innen selbst die Chance hätten, ihre*n Präsident*in direkt zu wählen. Ob der/die Kommissionspräsident*in mit relativer oder absoluter Mehrheit gewählt wird, müsste geklärt werden. Die Wahl des/der Kommissionspräsident*in auf diese Art zu verändern, würde zum einen dafür sorgen, dass „[d]ie europäische Politik […] endlich ein Gesicht [bekäme]“ (ebd., S. 174). Zum anderen würde diese Änderung dazu führen, dass die EU eine wählbare Exekutive hätte, was einer Regierung im nationalstaatlichen Sinn gleichkäme. <br /><br />Ebenso sieht Decker die Bestellung der Kommissare kritisch. Momentan ist das Gremium durch den gleichberechtigten Vertretungsanspruch aller Mitgliedsstaaten zu groß, was negative Auswirkungen auf die Arbeitsweise hat (vgl.: ebd., S. 175). Daneben kann der/die Kommissionspräsident*in kaum Einfluss auf die Auswahl der Kommissare nehmen, was zur Folge hat, dass „[d]ie Zusammensetzung der Kommission […] insofern eher die nationalen Wahlergebnisse [reflektiert] als das Ergebnis der Europawahlen“ (ebd.). Deswegen schlägt Decker vor, dem/der direkt gewählten Kommissionspräsident*in das Recht zu erteilen, die Kommissare selbst zu ernennen. Alternativ könnten die Wähler*innen befugt werden, neben dem/der Präsident*in noch die Kommissar*innen zu wählen (vgl.: ebd., S. 176). Dies, so Decker, würde die Kommission nicht nur weiter demokratisch aufwerten, sondern wäre auch ein Beitrag zur Europäisierung der Europawahlen. <br /><br />Antoine Vauchez geht in seinem Beitrag „Die Regierung der ‚Unabhängigen‘: Überlegungen zur Demokratisierung der EU“ (2017) auf die mangelnde Transparenz mancher Institutionen der Europäischen Union ein. Er merkt bezüglich der Demokratisierung an:</div><blockquote><div>„Um die Stellung dieser Institutionen [gemeint sind hier Kommission, Zentralbank und EuGH, Anm. A.B.] im politischen Prozess neu zu justieren, muss man an den drei Säulen rütteln, auf denen ihre Autorität in der europäischen Politik bislang beruhte: der vollständigen Souveränität in der Auslegung ihres Mandats, dem Anspruch auf wissenschaftliche Objektivität in ihren Diagnosen und Urteilen und einem bestimmten Verständnis von Unabhängigkeit als Abgrenzung von den vorhandenen politischen und sozialen Interessen. Diese Trias bildet eine Blockade, die zu durchbrechen jede Demokratisierungsstrategie bemüht sein muss“ (Vauchez 2017, S. 187f.). <br /></div></blockquote><div>Vauchez prangert Kommission, EuGH und EZB als „Mysterien des Staates“ (ebd., S. 188) an. Beispielsweise mische sich die EZB inzwischen in Bereiche wie „das Rentensystem, die Lohnpolitik, das Arbeitsrecht und die Organisation des Staatswesens“ ein (ebd.). Ähnliches gilt für den Europäischen Gerichtshof. In diesen Institutionen liege damit auch Regierungsgewalt. Deren Mandate sollten politisch erweitert werden, um dem Demokratiedefizit entgegenzuwirken. Antoine Vauchez vertritt deswegen die Ansicht, dass Themen, die in diesen Institutionen behandelt werden, „das Produkt öffentlicher Debatten und Auseinandersetzungen […] in einer Vielzahl nationaler und transnationaler Arenen [sein sollten]“ (ebd.).</div><div> </div><div>Er nennt als Beispiel das Europäische Parlament, schließt aber andere politische Mittel, um EuGH und EZB zu überprüfen, wie beispielsweise das Frühwarnsystem, das mit dem Lissabonner Vertrag eingeführt wurde, nicht aus. Hierbei können „[e]ine Mindestzahl von einem Drittel der nationalen Parlamente […] den Entwurf eines Gesetzgebungsaktes vor die Kommission bringen, wenn er die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit missachtet“ (ebd., S. 189). Die Kommission sollte die Möglichkeit haben, Entscheidungen von EZB und EuGH für nichtig erklären zu können, sollten „diese den von der Union zu vertretenden ‚Werten, Zielen und Interessen‘ [entgegenstehen]“ (ebd.).<br /><br />Um der Intransparenz der Arbeitsweise dieser EU-Institutionen entgegenzuwirken, schlägt Vauchez zudem vor, der Öffentlichkeit Zugang zu Archiven, Daten, vorbereitenden Dokumenten und Beratungsprotokollen zu verschaffen. Auch hier hält er die Schaffung eines öffentlichen Forums für Dissens und Diskussion für notwendig (vgl.: ebd., S. 190). <br /> </div><div>Abschließend hält es Vauchez für geboten, den repräsentativen Charakter der ‚unabhängigen‘ Institutionen zu stärken. Damit meint er nicht nur die Repräsentanz aller Mitgliedsstaaten, sondern auch die Abbildung der Komplexität und Vielfalt der Bürger*innen der Europäischen Union in den Gremien und Ausschüssen der Institutionen. So, schlussfolgert Vauchez, stelle „man letztlich die Fähigkeit unter Beweis, ein europäisches Allgemeininteresse zu verkörpern“ (ebd., S. 191). <br /><br />Institutionelle Reformen, wie sie hier gefordert werden, sind prinzipiell möglich. Doch kann mit ihnen allein das strukturelle Demokratiedefizit nicht behoben werden (vgl. Bartolini 2000, S. 156, zitiert nach: Schäfer 2006, S. 356).</div><div> </div><div><i><b>Strukturelles Demokratiedefizit</b></i><br /> </div><div>Das strukturelle Demokratiedefizit beruht darauf, dass es kein europäisches Wir-Gefühl bzw. kein europäisches Volk im Sinne eines Staatsvolkes gibt. Dabei verfolgt die EU bereits seit geraumer Zeit eine Politik, die identitätsstiftend sein soll (vgl.: Thalmaier 2006, S. 4). Seit den 1970er Jahren haben Parlament und Kommission versucht, die EU-Bürgerschaft voranzutreiben und die europäischen Bürger*innen an europäische Themen heranzuführen (vgl.: Wiener 2006, S. 8). Diese Politik hat bisher jedoch nicht zu einem ‚Wir-Gefühl‘ geführt (vgl.: ebd.).</div><div> </div><div>Doch möchte die EU ihr strukturelles Demokratiedefizit schmälern, ist sie auf ebenjenes ‚Wir-Gefühl‘ angewiesen, denn eine Unterstützung wird von den Bürger*innen für die Europäische Union unbedingt gebraucht. Thalmaier (2006) unterscheidet hierbei zwischen spezifischer und diffuser Unterstützung. Während Bürger*innen ein politisches System spezifisch unterstützen, wenn es Ergebnisse hervorbringt, die den Interessen der Bürger*innen entsprechen, beschreibt die diffuse Unterstützung ein Vertrauen und eine Identifikation mit einem System, auch wenn die eigenen Interessen nicht immer durchgesetzt werden (vgl.: ebd., S. 6). Auf dieses grundsätzliche Vertrauen in das Handeln der Institutionen ist die Europäische Union als politisches System angewiesen. Eine kollektive Identität, die jedoch nicht mit einer nationalen Identität vergleichbar sein soll, ist dabei unerlässlich. </div><div> </div><div>Die Behebung des Öffentlichkeitsdefizit ist bei der Herausbildung einer kollektiven Identität erforderlich. Thalmaier schreibt deswegen, dass die „Ausbildung einer europäischen Identität […] entscheidend von der Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit [abhängt]“ (ebd., S. 10). Zu lange habe es eine mangelnde Dynamik in der europapolitischen Kommunikation gegeben. Eine „stärkere Politisierung europäischer Politik“ ist geboten, um eine europäische Öffentlichkeit überhaupt herauszubilden (ebd., S. 12).<br /> </div><div>Daneben soll die Identitätserweiterung für eine kollektive Identität sorgen. Sie soll nach Thalmaier über die Schließung von Wissensdefiziten und -lücken über die Europäische Union erreicht werden. Der Schule kommt hier eine tragende Rolle zu. Deren Lehrpläne sollen angepasst und europäisiert werden, sodass die Bildungsinhalte in Fremdsprachen oder auch in sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächern die europäische Ebene beleuchten. Dadurch soll zusätzlich die Relevanz der Europäischen Union vermittelt werden. Das minimiere die Fremdheit der EU (vgl.: ebd., S. 10) und könne identitätsstiftend wirken. <br /> </div><div>Schließlich, so Thalmaier, erreiche man eine Reduzierung des strukturellen Demokratiedefizits nicht ohne eine Schaffung von mehr Partizipationsmöglichkeiten für die Bürger*innen bei Themen, die die Politik der EU betreffen. Neben institutionellen Reformen, die in diesem Beitrag bereits thematisiert wurden, spricht sich Thalmaier für europaweite Referenden aus, beispielsweise bei Angelegenheiten, die das Primärrecht oder EU-Beitritte betreffen. Dazu gehöre ein intensiver Austausch mit den Bürger*innen der Europäischen Union.</div><div> </div><div>Bereits im <a href="https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2006:314E:0369:0375:DE:PDF" target="_blank">Weißbuch der Europäischen Kommission</a> aus dem Jahr 2006 ist ein Austausch und Dialog in der Dienstleistungsrichtlinie festgeschrieben. Bisher wird sie jedoch wenig genutzt. Thalmaier schlägt deswegen vor, enger in den Austausch mit den EU-Bürger*innen zu gehen. Eine Begründung jedes Projekts in einem öffentlichen Interaktionsprozess sei geboten, genauso sollte um Zustimmung für jede politische Neuerung auf EU-Ebene gerungen werden. Neue Wege der Kommunikation und des Dialogs mit Bürger*innen seien dabei zentral. <br /><br />Mehr Interaktion und Kommunikation schlägt auch Antje Wiener in ihrem Artikel „Bürgerschaft jenseits des Staates“ (2006) vor, um die EU-Identität zu stärken und das strukturelle Demokratiedefizit zu mindern. Insbesondere die „Kommunikation über europäische Rechte innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten sowie intra- oder transeuropäisch in den entsprechenden institutionellen beziehungsweise medialen Kontexten, kurz jede Art von öffentlicher Diskussion zum Thema Rechte“ (ebd., S. 11), trage dazu bei und mobilisiere auch das „Interesse am europäischen Projekt“ (ebd.). Interaktion mit Institutionen, (EU-)Politiker*innen und Mitbürger*innen hätten das Potenzial, zu mehr „Staats- und Gemeinschaftsbildung“ (ebd.) zu führen und die Bürger*innen enger an die EU zu binden. Durch Teilhabe und Teilnahme „im öffentlichen Diskurs soll eine zivile republikanische Identität geschaffen werden“ (ebd.).<br /><br />Ähnliches fordert Ulrike Guérot, wenn es um die „Ausgestaltung einer europäischen Demokratie geht“ (2018, S. 71). Damit „Europa“ (ebd., S. 76) entstehe, brauche es Gemeinsames in der Europäischen Union über einheitliche bürgerliche und soziale Rechte. Sie argumentiert: „Es ist die Konvergenz von Recht, die Gemeinsamkeit entstehen lässt. In diesem Fall von Wahlrecht, Steuerrecht und sozialen Anspruchsrechten“ (ebd.). Einigkeit und Einheitlichkeit seien auf dem europäischen Markt gegeben, bei den Bürger*innen sei Europa ihrer Ansicht nach aber noch zu fragmentiert. Solle sich daran etwas ändern, müsse mehr Gleichheit geschaffen werden, was am ehesten durch gemeinsame Rechte und Gesetze passiere. Guérot spricht hierbei von einem „Paradigmenwechsel“ (ebd., S. 75) hin zu mehr Demokratie. Denn sollte einheitliches europäisches Recht eingeführt werden, wende man sich hin zu einer „Europäischen Republik, bei der die Souveränität bei den Bürger*innen Europas liegt […]“ (ebd.).</div><div> </div><div><b>Kritik an diesen Ansätzen einer Demokratisierung der EU</b><br /> </div><div>Kritiker*innen dieser Vorschläge sehen in einer „politisierte[n] EU eine Lähmung“ der Europäischen Union (Schäfer 2006, S. 357). Für sie stellt die EU einen starren Verwaltungsapparat dar, „[e]ine Bürokratie, die sachlich und zielgerichtet arbeitet [und die] vom politischen Tagesgeschäft abgeschottet werden [muss]“ (ebd.; Føllesdal/Hix, 2006, S. 538). Kritiker*innen sehen das Problem nicht in einem fehlenden Demos oder mangelnder Beteiligung der Bürger*innen, sondern in „vielfältigen Blockaden“ (Schäfer 2006, S. 357) bei der Entscheidungsfindung und -durchsetzung.</div><div> </div><div>Ihrer Ansicht nach müsse die Europäische Union effizienter sein, um an Legitimität zu gewinnen, was nicht durch eine Demokratisierung erreicht werden könne (vgl.: ebd.). Schließlich müsse das Gemeinwohl über den Partikularinteressen der aktuellen Regierungen stehen. Für diejenigen, die einer Demokratisierung skeptisch gegenüberstehen, ist die Europäische Union bereits jetzt eine „aufgeklärte Bürokratie, die im Interesse der Bevölkerung entscheidet“ (ebd./vgl.: Føllesdal/Hix, 2006, S. 546). Eine Demokratisierung bzw. „Politisierung der Europäischen Union liefe ihrem Aufgabenprofil zuwider“ (Schäfer 2006, S. 357). <br /> </div><div>Ebenso merken Kritiker*innen an, dass Macht in der EU geteilt werde und Entscheidungen durch Verhandlungen und nicht durch „Hierarchie“ zustande kämen (vgl.: ebd., S. 360). Würde Macht in einem so fragmentierten Raum wie Europa zentralisiert, müsse das „für Minderheiten bedrohlich wirken“ (ebd.). Zudem gründe der Erfolg des <a href="https://www.bpb.de/themen/kriege-konflikte/dossier-kriege-konflikte/504285/konkordanzsystem/" target="_blank">Konkordanzsystems</a> der EU auf dem „Verzicht auf partizipatorische Entscheidungsverfahren“ (ebd.). Gerade das Demokratiedefizit, so die Kritiker*innen, sei deshalb der wesentliche Faktor für den Zusammenhalt der Europäischen Union.</div><div> </div><div><b>Fazit und Ausblick</b><br /> </div><div>Das sogenannte Demokratiedefizit existiert in institutioneller und struktureller Form. Das Problem ist dabei nicht unbekannt und es wird auf EU-Ebene durchaus versucht, es zu beheben. Reformvorschläge, beispielsweise von führenden Politikwissenschaftler*innen, gibt es zuhauf. <br /><br /><div>Institutionell wird vorgeschlagen, dass sich verschiedene Organe der EU durch demokratische Wahlen legitimieren. Bei den Lösungsvorschlägen wird hierbei häufig auf die Kommission und die Wahl der/des Präsident*in und die Bestimmung der Beamten eingegangen. Eine (direkte) Wahl der/des Präsident*in und gegebenenfalls der Beamten würde das Interesse an der Europäischen Union stärken und das Demokratiedefizit schmälern. Andere Organe, wie beispielsweise der EuGH und die EZB sollten in ihrer Arbeitsweise transparenter werden, indem sie ihre Vorhaben/Gesetzesinitiativen vorab bekanntgeben, sodass sie in öffentlichen Debatten diskutiert werden können. Ein weniger auf konkrete Organe zugeschnittener Vorschlag ist ein engerer Austausch zwischen nationalen Parlamenten und dem EP. <br /><br />Um das strukturelle Demokratiedefizit zu beheben, ist eine europäische Öffentlichkeit, bzw. deren Herausbildung, von besonderer Bedeutung. Stellschrauben sind hier ein intensiver Austausch mit den EU-Bürger*innen und europaweite Referenden. Eine andere wäre die Europäisierung des Schulcurriculums. Damit könnte die Bedeutung der EU vermittelt und Wissenslücken über sie geschlossen werden. Tiefgreifender sind Forderungen nach gleichen Rechten und Pflichten für EU-Bürger*innen in allen Mitgliedsstaaten. Dies würde sicherlich zu einer höheren Identifikation mit der EU und den Mitbürger*innen führen – und somit zu einem Abbau des strukturellen Demokratiedefizits –, bräuchte jedoch weitreichende institutionelle Veränderungen und somit die Zustimmung der Mitgliedsstaaten zu einer EU in supranationalem Gewand.<br /><br />Kritiker*innen einer Demokratisierung der EU stellen sich deswegen die Frage, ob die EU überhaupt einen Demokratisierungsprozess durchlaufen soll. Für sie ist die Union bereits jetzt eine demokratisch legitimierte Gemeinschaft, die effizient und zielgerichtet arbeitet. Eine Demokratisierung, so die Kritiker*innen, laufe dem Aufgabenprofil der „aufgeklärten Bürokratie“ (Føllesdal/Hix, 2006, S. 546) zuwider und ist zwecks Effizienzmangel deshalb gar nicht wünschenswert. <br /><br />Die Europäische Union steht vor einem Dilemma: Einerseits fehlt ihr demokratische Legitimität, wie sie in Nationalstaaten vorhanden ist, beispielsweise durch eine wähl- und abwählbare Regierung, gleiche Wahlen mit bedeutendem, europäischem Wahlkampf und Transparenz. Andererseits ist sie, qua Ursprung, eine effiziente Bürokratie, die dem Ziel des Wohlstandserhalts verpflichtet ist. </div><div> </div><div><b>Literaturverzeichnis</b><div><div><div class="msocomtxt" id="_com_1" language="JavaScript"><ul style="text-align: left;"><li>Abels, Gabriele (2020): Legitimität, Legitimation und das Demokratiedefizit der Europäischen Union. In: Becker, Peter/Lippert, Barbara (Hrsg.): Handbuch Europäische Union, SpringerVS: Wiesbaden, S. 175-193.</li><li>(AEUV) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (2009): Sechster Teil: Institutionelle Bestimmungen und Finanzvorschriften, Titel I: Vorschriften über die Organe, Abschnitt 1: Das Europäische Parlament (Art. 223). Abrufbar unter: <a href="https://dejure.org/gesetze/AEUV/223.html">https://dejure.org/gesetze/AEUV/223.html</a> [zuletzt abgerufen am 23.01.2023].</li><li>Andersen, Uwe (Hrsg.) (2014): Das Europa der Bürger. Europa besser verstehen und daran mitwirken, Wochenschau Verlag: Schwalbach/Ts.</li><li>Antalovsky, Eugen (Hrsg.)/Melchior, Josef/Puntscher Riekmann, Sonja (1997): Integration durch Demokratie. Neue Impulse für die Europäische Union, Metropolis: Marburg.</li><li>Bartolini, Stefano (2000): Institutional Democratization and Political Structuring in the EU. Lessons from the Nation-state Development, in: Henry Cavanna (Hrsg.), Governance, Globalization and the European Union. Which Europe for Tomorrow?, Dublin: Four Courts Press, S. 129-158.</li><li>Bollmohr, Rainer (2018): Das Demokratiedefizit der EU nach dem Vertrag von Lissabon. Der Einfluss der erweiterten Kompetenzen der nationalen Palramente am Beispiel des Deutschen Bundestags, 2. Aufl., Tectum: Baden-Baden.</li><li>Bundesergierung (2006): Bulletin der Bundesregierung Nr. 44-1 vom 11. Mai 2006. Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zur Europapolitik vor dem Deutschen Bundestag am 11. Mai 2006 in Berlin, abrufbar unter <a href="https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975954/769336/2f7ab272f747f3dc5b57c8d6317e7713/44-1-merkel-data.pdf?download=1">https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975954/769336/2f7ab272f747f3dc5b57c8d6317e7713/44-1-merkel-data.pdf?download=1</a> [zuletzt abgerufen am 15.01.2023].</li><li>Decker, Frank (2017): Weniger Konsens, mehr Wettbewerb: Ansatzpunkte einer institutionellen Reform. In: Rüttgers, Jürgen/Decker, Frank (Hrsg.): Europas Ende, Europas Anfang, Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main, S. 163-180.</li><li>Franzen, Wolfgang (2018): Europa ohne Europäer? Die Europäische Union aus Sicht ihrer Bevölkerung, 2. Aufl., Tectum: Baden-Baden.</li><li>Føllesdal, Andreas/Hix, Simon (2006): Why there is a Democratic Deficit in the EU: A Response to Majone and Moravcsik. In: Journal of Common Market Studies 44 (3), S. 533-562.</li><li>Gehler, Michael (2005): Europa. Ideen, Institutionen, Vereinigung. Olzog: München.</li><li>Graf Kielmannsegg, Peter (2003): Integration und Demokratie. In: Jachtenfuchs, Markus/Kohler-Koch, Beate (Hrsg.): Europäische Integration. 2. Aufl., Leske + Budrich: Opladen, S. 49-83.</li><li>Grimm, Dieter (2017): Europa: Ja – Aber welches? In: Rüttgers, Jürgen/Decker, Frank (Hrsg.): Europas Ende, Europas Anfang, Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main, S. 31-48.</li><li>Grimmel, Andreas (Hrsg.) (2020): Die neue Europäische Union. Zwischen Integration und Desintegration, Nomos: Baden-Baden.</li><li>Guérot, Ulrike (2018): Die Zukunft Europas – oder Zukunft ohne Europa? In: Guérot, Ulrike/Negt, Oskar/Kehrbauch, Tom/Herold, Emanuel: Europa jetzt! Eine Ermutigung, Steidl: Göttingen, S. 65-82.</li><li>Hennette, Stéphanie/Piketty, Thomas/Sacriste, Guillaume/Vauchez, Antoine (2017): Für ein anderes Europa. Vertrag zu Demokratisierung der Eurozone, C.H. Beck: Nördlingen.</li><li>Lincoln, Abraham (1863): The Gettysburg Address. Rede abgerufen über die Bibliothek der Cornell University, abrufbar unter <a href="https://rmc.library.cornell.edu/gettysburg/good_cause/transcript.htm">https://rmc.library.cornell.edu/gettysburg/good_cause/transcript.htm</a> [zuletzt abgerufen am 28.12.2022].</li><li>Preiß, Markus (2019) [tagesschau]: #kurzerklärt: Wie demokratisch ist die EU? [Video]. Abrufbar auf YouTube unter <a href="https://www.youtube.com/watch?v=Zm6fIF2LIWI&t=4s">https://www.youtube.com/watch?v=Zm6fIF2LIWI&t=4s</a> [hochgeladen am 13.05.2019; zuletzt abgerufen am 23.01.2023].</li><li>Schäfer, Armin (2006): Nach dem permissiven Konsens: Das Demokratiedefizit der Europäischen Union. In: Leviathan 34(3), Nomos: Baden-Baden, S. 350-376.</li><li>Schwan, Gesine (2017): Neue Governance-Formen als Erweiterung der europäischen Demokratie. In: Rüttgers, Jürgen/Decker, Frank (Hrsg.): Europas Ende, Europas Anfang, Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main, S. 149-162.</li><li>Simons, Alexander (2005): Europäische Union für Dummies. WILEY-VCH: Weinheim.</li><li>Thalmaier, Bettina (2005): Braucht die EU eine eigene Identität? (CAP Analyse, 10/2005). München: Universität München, Sozialwissenschaftliche Fakultät, Centrum für angewandte Politikforschung (C.A.P) Bertelsmann Forschungsgruppe Politik.</li><li>Thalmaier, Bettina (2006): Möglichkeiten und Grenzen einer europäischen Identitätspolitik. (CAP Analyse, 6/2006). München: Universität München, Sozialwissenschaftliche Fakultät, Centrum für angewandte Politikforschung (C.A.P) Bertelsmann Forschungsgruppe Politik.</li><li>Vauchez, Antoine (2017): Die Regierung der „Unabhängigen“: Überlegungen zur Demokratisierung der EU. In: Rüttgers, Jürgen/Decker, Frank (Hrsg.): Europas Ende, Europas Anfang, Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main, S. 181-196.</li><li>von Wagner, Claus/Uthoff, Max (2016) [Freidenker]: Das Demokratiedefizit in der EU (ZDF – Die Anstalt, 6.9.2016) [Video]. Abrufbar auf YouTube unter <a href="https://www.youtube.com/watch?v=3lHVcvJdWIs">https://www.youtube.com/watch?v=3lHVcvJdWIs</a> [hochgeladen am 09.09.2016; zuletzt abgerufen am 11.01.2023].</li><li>Weidenfeld, Werner (2006): Die Europäische Verfassung verstehen. Verlag Bertelsmann Stiftung: Gütersloh.</li><li>Weidenfeld, Werner/Wessels, Wolfgang (Hrsg.) (2007): Europa von A bis Z. Taschenbuch der europäischen Integration, 10. Aufl., Nomos: Baden-Baden.</li><li>Weidenfeld, Werner (2013): Die Europäische Union. 3. Aufl., Wilhelm Fink: München.</li><li>Wiener, Antje (2001): Zum Demokratiedilemma europäischer Politik: Symbole und Inhalte der Verfassungsdebatte. Erschienen in Jean-Monnet-Working Paper 2001/1, abrufbar unter: <a href="https://media.suub.uni-bremen.de/bitstream/elib/3614/1/ELibD601_2001_1.pdf">https://media.suub.uni-bremen.de/bitstream/elib/3614/1/ELibD601_2001_1.pdf</a> [zuletzt abgerufen am 14.01.2023].</li><li>Wiener, Antje (2006): Bürgerschaft jenseits des Staates. Die europäische Bürgerschaftspraxis folgt eigenen Regeln, Publiziert 2006 in: Vorgänge 174, 2: 27-38, abrufbar unter: <a href="https://www.wiso.uni-hamburg.de/fachbereich-sowi/professuren/wiener/dokumente/publikationenaw/zeitschriftenartikelaw/wiener-2006-vorgaenge.pdf">https://www.wiso.uni-hamburg.de/fachbereich-sowi/professuren/wiener/dokumente/publikationenaw/zeitschriftenartikelaw/wiener-2006-vorgaenge.pdf</a> [zuletzt abgerufen am 13.01.2023].</li></ul></div></div></div></div></div></div>Annabell Bühlerhttp://www.blogger.com/profile/02496330874818218888noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-16180759674300514902022-10-22T11:42:00.005+02:002022-10-22T11:44:08.792+02:00APuZ-Ausgabe zum Thema "Festung Europa?"<p>Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte (<a href="https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/festung-europa-2022/" target="_blank">APuZ 42/2022</a>) widmet sich der Fragestellung, ob die als Vorwurf gemeinte Bezeichnung der EU als "Festung Europa" gerechtfertigt ist. Es geht also primär um die EU-Asyl- und Migrationspolitik. Die Ausgabe umfasst folgende Aufsätze: </p><ul style="text-align: left;"><li><a href="https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/festung-europa-2022/514213/festung-europa/">Festung Europa? Kleine Entwicklungsgeschichte der europäischen Integration<br />Gabriele Clemens</a></li><li><a href="https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/festung-europa-2022/514214/gefangen-in-zielkonflikten/"> Gefangen in Zielkonflikten. Die Gemeinsame Europäische Asylpolitik<br />Petra Bendel</a></li><li><a href="https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/festung-europa-2022/514215/vom-restriktiven-asyl-zum-kooperativen-aufnahmesystem/"> Vom restriktiven Asyl- zum kooperativen Aufnahmesystem. Über die grenzenlose Aufnahme ukrainischer Geflüchteter<br />Dietrich Thränhardt</a></li><li><a href="https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/festung-europa-2022/514216/zwischen-abenteuer-risiko-und-ueberleben/"> Zwischen Abenteuer, Risiko und Überleben. Westafrikanische Perspektiven auf Migration<br />Laura Lambert</a></li><li><a href="https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/festung-europa-2022/514217/grenzkontrollen-an-den-grenzen-des-rechts/"> Grenzkontrollen an den Grenzen des Rechts. Frontex zwischen Rechtsschutz und Rechtsverletzung<br />Constantin Hruschka</a></li><li><a href="https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/festung-europa-2022/514218/oekonomische-resilienz-durch-mehr-protektionismus/"> Ökonomische Resilienz durch mehr Protektionismus? Die Handelspolitik der Europäischen Union<br />Andreas Baur, Lisandra Flach</a></li><li><a href="https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/festung-europa-2022/514219/zeitenwende-auch-fuer-die-europaeische-souveraenitaet/"> Zeitenwende (auch) für die Europäische Souveränität<br />Claudia Major, Nicolai von Ondarza</a></li></ul>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-2756094701653852882022-08-22T15:08:00.003+02:002022-08-22T15:08:25.932+02:00Neues Buch zu Osteuropa bei der bpb<p>Neu im Programm der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) ist das Buch "<b>Die Visegrád-Connection. Eine Herausforderung für Europa</b>" von <i>Claus Leggewie </i>und <i>Ireneusz Paweł Karolewski</i> (<a href="https://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/511607/die-visegrad-connection/" target="_blank">hier für 4,50 € bestellen</a>). Auf der <a href="https://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/511607/die-visegrad-connection/" target="_blank">bpb-Website</a> findet sich folgende Beschreibung:</p><blockquote><p>"Die vier Staaten der sogenannten Visegrád-Gruppe (Polen,
Tschechien, die Slowakei und Ungarn) traten in jüngerer Vergangenheit
vermehrt als gemeinsamer Akteur innerhalb der EU-Institutionen in
Erscheinung. Wie die Politikwissenschaftler Claus Leggewie und Ireneusz
Paweł Karolewski darlegen, eint diese vier Nationen – bei allen
Differenzen untereinander hinsichtlich ihrer innenpolitischen Situation
und ihrer außenpolitischen Interessen – ihre Ablehnung einer liberalen
Migrationspolitik sowie die Betonung ihrer nationalen Souveränität, die
sie den Bemühungen um eine tiefere EU-Integration entgegenstellen. Die
Autoren zeigen Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den
Visegrád-Staaten auf: So hätten sich in allen vier Staaten in den
vergangenen Jahren autoritäre und klientelistische Strukturen verfestigt
– sei es durch die Vereinnahmung des Staates durch regierende Parteien
wie in Ungarn und Polen oder durch die intransparente Verbindung großer
Unternehmenskonglomerate mit politischen Eliten wie in Tschechien und
der Slowakei. Leggewie und Karolewski legen die innenpolitischen
Bedingungen dar, die eine solche Entwicklung jeweils ermöglicht haben.
Sie appellieren an die anderen EU-Staaten, dem Trend zum Autoritarismus
entschieden entgegenzutreten und die unabhängige Zivilgesellschaft zu
stärken."<br /></p></blockquote>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-85752906045681879822022-08-09T17:15:00.056+02:002022-08-20T11:50:44.966+02:00Flüchtlinge verändern Deutschland<p>In diesem Beitrag stellt <i>Madlin Poksans </i>folgenden Aufsatz vor:</p><p><i>Jakob, Christian </i>(2016): <b>Die Bleibenden. Flüchtlinge verändern Deutschland</b>; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 14-15/2016, online unter: <a href="https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/223914/die-bleibenden/" target="_blank">https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/223914/die-bleibenden/</a>.</p><p>Die Bewegung Pegida war bereits 2014 aufgestiegen, als sich die Asylzahlen aus heutiger Sicht auf moderatem Niveau befanden. Es war absehbar, welche Konflikte der Anstieg der Einwanderer 2015 haben wird. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist Pegida die größte fremdenfeindliche Mobilisierung in Deutschland. Die AfD forderte, notfalls auf Flüchtlinge an den Grenzen zu schießen. Die AfD wird völkischer, stärker und radikaler. Früher gab es den Konsens, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei. Diesen Konsens aber gibt es nicht mehr. Heute wird nicht mehr darüber gestritten, ob Menschen ins Land kommen, sondern nur noch darum, welche, wie viele und in welcher Geschwindigkeit.</p><a name='more'></a><p></p><p>Eine breite soziale Bewegung ist die Flüchtlingssolidarität. Wie mit den Migrantinnen und Migranten und Flüchtlingen umgegangen wird, ist vor allem das Werk der Migrantinnen, Migranten und Flüchtlingen selbst. Deutschland wollte kein Einwanderungsland und kein Zufluchtsland sein, dies haben sie jedoch nicht akzeptiert und sich den Zugang zu Deutschland freigekämpft und dadurch die Gesellschaft verändert.</p><p>Die rot-grüne ab 1998 war die erste Bundesregierung, die sich zum Einwanderungsland bekannte. Des Weiteren gibt es eine Gruppe von Menschen, die als „postmigrantisches“ Milieu bezeichnet wird. Darunter ist die zweite bis dritte Einwanderergeneration zu verstehen, die den Bildungsrückstand aufgeholt und mit großer Kraft in wichtige gesellschaftliche Stellen wie Wissenschaft, Politik und Kunst drängte.</p><p>Fünf afrikanische Asylbewerber gründeten „The Voice“. Die Gründer zogen vor der Bundestagswahl 1998 durch 44 deutsche Städte, denn sie wollten sichtbar werden. Somit war das Netzwerk Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen geboren. Diese ist die Schwesterorganisation von „The Voice“. Sie sagten, sie sind nur hier, weil ihr unsere Länder zerstört und sie deshalb flüchten müssen.</p><p>Die Flüchtlingsproteste wuchsen und radikalisierten sich bis Ende 2014 immer weiter. Im Sommer 2013 traten Dutzende Flüchtlinge über mehrere Tage in einen Durststreik auf dem zentralen Münchner Rindermarkt und die Situation eskalierte. Daraufhin beschloss der Ministerpräsident Horst Seehofer, die Sozialministerin Christine Haderthauer und Innenminister Joachim Herrmann, dass Bayern auf die Ausgabe von Essenspaketen statt Geld an Flüchtlinge verzichtet. 2015 wurde in Deutschland die generelle Residenzpflicht aufgehoben. Das bedeutet, Asylbewerber und Geduldete dürfen sich innerhalb Deutschlands frei bewegen. Ebenfalls wurde das Arbeitsverbot verkürzt.</p><p>So waren Flüchtlinge zwei Jahrzehnte lang gegen diese Regelungen zu Felde gezogen. Viele Menschen blieben, obwohl sie nicht mehr erwünscht waren, denn der Staat konnte sie nicht abschieben und verwies sie deshalb in einen Zustand hochgradiger rechtlicher Prekarität, mit der Hoffnung, sie würden dann von alleine verschwinden. Im Herbst 2015 gab es Anzeichen für ein Umdenken. Nur weil man die Menschen nicht integriert, heißt es nicht, dass diese Menschen wieder zurückgehen, wie man in der Vergangenheit feststellen konnte.<br /></p>Madlin Poksanshttp://www.blogger.com/profile/14398633935515068248noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-7684413615367132292022-02-20T18:42:00.000+01:002022-02-20T18:42:09.582+01:00Zukunftsfähigkeit der EU-Außenpolitik<p>In diesem Beitrag stellt <i>Antonia Pollmer </i>folgenden Aufsatz vor:</p><p><i>Rüger, Carolin </i>(2021): <b>20 Jahre nach 9/11 – Wie zukunftsfähig ist die
Außenpolitik der Europäischen Union?</b>; in: Zeitschrift für
Politikwissenschaft, 31, S. 617-626, online unter: <a href="https://link.springer.com/article/10.1007/s41358-021-00293-0" target="_blank">https://link.springer.com/article/10.1007/s41358-021-00293-0</a>.</p><p>In der Vergangenheit hat es weltpolitisch viele historische Einschläge gegeben, zu denen als prägendes Ereignis vor allem die Terroranschläge in den USA zu Beginn des 21. Jahrhunderts am 11. September 2001 zählen. Der darauffolgende "Krieg gegen den Terror", welcher von den Vereinigten Staaten geführt wurde, ist in diesem Zusammenhang natürlich auch zu nennen. Letztes Jahr wurde dieser allerdings durch den Abzug und Evakuierung der Truppen aus Afghanistan nach der Machtübernahme durch die Taliban beendet, in dessen Folge sich ein erschreckendes Szenario anschloss.</p><p>Die Europäische Union hinterließ kein positives Bild ihrer Sicherheitspolitik, da sie nur bedingt Rückholungen der Kräfte und Bürger*innen vor Ort organisieren konnte und nicht im Stande war, den Flughafen Kabul ohne weitere Hilfe zu sichern. In diesem Zuge stellt sich die Politikwissenschaftlerin Dr. Carolin Rüger in ihrem Aufsatz die Frage: „20 Jahre nach 9/11 – wie zukunftsfähig ist die Außenpolitik der Europäischen Union“ und nimmt dabei Bezug auf das globale Handeln und globale Herausforderungen.</p><p>Durch die Beschreibung der Dimensionen der Außenpolitik, der Beleuchtung von internen Stärken und Schwächen sowie externen Chancen und Risiken durch eine SWOT-Analyse möchte sie klären, wie es aktuell um die Außenpolitik in einer Welt voller Umbrüche steht und wie sie zukünftigen Herausforderungen entgegenwirken kann.<span></span></p><a name='more'></a><p></p><p>Zunächst beginnt die Autorin, die EU-Außenpolitik in ihren vielfältigen und mehrdimensionalen Zusammenhängen zu beschreiben. Zu diesen gehören als wichtige intergouvernementale Bestandteile die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Essenziell ist außerdem die supranationale Gemeinschaftsdimension, welche die Handelspolitik, die Entwicklungszusammenarbeit und die Humanitäre Hilfe einschließt und sich durch die Gemeinschaftsmethode von der intergouvernementalen Dimension der GASP und GSVP unterscheidet.</p><p>Weiterhin nennt die Autorin die sogenannten restriktiven Maßnahmen, die eine eigene Dimension bilden und sowohl intergouvernemental als auch supranational agieren und die Erweiterungspolitik sowie die Europäische Nachbarschaftspolitik. Die externe Dimension von internen Politikbereichen zählt außerdem zur mehrdimensionalen Außenpolitik der EU. Darunter fallen die Klimapolitik, die externen Implikationen des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sowie die mannigfaltigen Aktivitäten der EU zur globalen Regulierung der Digitalisierung. Diese kurze Vorstellung ermöglicht Rüger, die Komplexität und Vielgestaltigkeit der EU-Außenpolitik sowie die verschiedenen Dimensionen aufzuzeigen, um ein „umfassendes Bild der globalen Rolle der EU heute und in der Zukunft zu gewinnen“.</p><p>Um die Zukunftsfähigkeit der EU-Außenpolitik und die Position im globalen Wettbewerb festzustellen, erfolgt im Folgenden eine SWOT-Kurzanalyse. Dieses Konzept ist ein Instrument der verbal-argumentativen Bewertung und untersucht drei zentrale interne Stärken und Schwächen des Akteurs sowie je zwei externe Chancen und Risiken der EU-Außenpolitik. Die Analyse und Bewertung folgt dabei dem Kriterium der Zukunftsfähigkeit bzw. der Weltpolitikfähigkeit der Europäischen Union im globalen Wettbewerb.</p><p>Die erste interne Stärke, welche Rüger herausgearbeitet hat, ist die wirtschaftliche Stärke und Relevanz der Europäischen Union in der Welt trotz einiger Krisen und nach dem Brexit. Dazu zählen vor allem die Bedeutung des Euros in der Welt, die Mitgliedstaaten der EU und ihre Entwicklungshilfezahlungen sowie deren Machtausübung. Ein bedeutender Faktor, der die EU zu einer Weltwirtschafts- und Gestaltungsmacht macht, ist das Gewicht des Binnenmarktes, der weltweit globale Standards setzt.</p><p>Eine weitere essentielle Stärke ist die Mehrdimensionalität der EU-Außenpolitik und im Speziellen ihre Handlungsbereiche sowie der zivil-militärische Ansatz der Union beim Krisenmanagement, wodurch sie einen dualen Ansatz verfolgt. Aufgrund dessen ist die Europäische Union einzigartig gegenüber anderen globalen Akteuren, wie beispielsweise der NATO, die nur auf militärischer Basis wirkt. Auch mit Hilfe der verschiedenen Dimensionen der Außenpolitik kann sie zukünftigen Herausforderungen und Bedrohungen effektiv begegnen.</p><p>Die letzte Stärke des ersten Teils der Kurzanalyse betrifft die Kooperation, die den Krieg beendet hat und den Frieden wahrt. Bedeutend für die Erhaltung des Friedens und das Handeln auf globaler Ebene sind dabei Grundsätze wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Grundfreiheiten, Gleichheit und Solidarität, die wichtig für die Entstehung, Entwicklung und Erweiterung der Europäischen Union waren.</p><p>Ergänzend zu diesen Prinzipien spielt der Multilateralismus ebenso eine bedeutende Rolle, da die EU somit zeigt, dass die Kooperation vor allem zwischen den Mitgliedstaaten selbst unter schwierigen und herausfordernden Situationen möglich ist. Diese Stärke ist gerade im Zusammenhang zur Erhaltung des Friedens und zur Stärkung von internationalen Beziehungen bedeutsam.</p><p>Ein erstes Defizit, das die Analyse herausstellt, ist der fehlende politische Wille. Da die Mitgliedstaaten noch viel Freiraum genießen, besteht wenig Platz für europäische Interessen. Dies führt zu einer fehlenden militärischen Bündelung und bedeutenden Lücken in der Zusammenarbeit. Die zweite Schwäche bezieht sich auf die Fragmentierung der europäischen Institutionen, da die Verwaltung der EU-Außenpolitik auf verschiedene Politikbereiche aufgeteilt ist.</p><p>Die dritte Schwäche, die die Autorin herausarbeitet, ist die fehlende Rechtsstaatlichkeit von einzelnen Mitgliedstaaten und betrifft daher interne Probleme. Aufgrund dessen entstehen Begleiterscheinungen, die die Glaubwürdigkeit der Union und Schäden der Handlungsfähigkeit betreffen und sich daher negativ auf die globale Rolle der EU auswirken können.</p><p>Der nächste Schritt der SWOT-Analyse beschränkt sich auf die Ausarbeitung von jeweils zwei Chancen und Risiken, die sich im Wettbewerbs- und Handlungsumfeld bieten. Die erste Möglichkeit, die sich im aktuellen internationalen Umfeld ergibt, ist die Kooperation der Mitgliedstaaten. Diese ermöglicht es ihnen, zusammen Entscheidungen zu treffen und zu handeln, da sie nur durch gemeinsames Wirken über eine Gestaltungsmacht verfügen und die europäische Souveränität befördert werden kann.</p><p>Eine weitere Chance bietet sich aus dem globalen Wettbewerb der Systeme, wodurch sich ein Weg für die Europäische Union zwischen den zwei Weltmächten USA und China bietet. Die Union kann auftretende Leerstellen nutzen, um sich einen „spezifisch europäischen Zugang als Wettbewerbsvorteil aufzubauen.“</p><p>Die erste Bedrohung, die sich aus dem globalen System herausstellt, sind die aufsteigenden autoritären Mächte und Konfrontationen mit deren autoritären Ordnungsvorstellungen, welche die liberale Demokratie bedrohen. Vor allem die Türkei, Belarus oder Russland, auf dessen Kooperationen die EU angewiesen wäre, stellen ein großes Risiko für die Zusammenarbeit dar.</p><p>Weitere Risiken sind die zukünftigen und schwer zu lösenden Herausforderungen. Dazu zählen Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Cyber-Kriminalität, Pandemien, organisierte Kriminalität, Menschenhandel, illegale Migration, hybride Bedrohungen sowie Umweltzerstörung und allen voran der Klimawandel inklusive dessen Folgen.</p><p>Mit Hilfe der SWOT-Analyse konnte überblicksartig ein Eindruck von der Außenpolitik der Europäischen Union, ihrer Stärken und Schwächen sowie Bedrohungen und Chancen gewonnen werden. Blickt man auf die Vergangenheit zurück, lässt sich eine positive Entwicklung der EU- Außenpolitik hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit und des globalen Handelns feststellen. </p>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-50214548315973345672022-02-09T09:58:00.001+01:002022-02-09T09:58:12.056+01:00Die EU und der Abbau des Rechtsstaats in Ungarn und Polen<p>In diesem Beitrag stellt <i>Amelie Brühl </i>folgenden Aufsatz vor: <br /></p><p><i>Kovács, Kriszta / Scheppele, Kim Lane </i>(2021): <b>Rechtsstaat unter Druck. Ungarn, Polen und die Rolle der EU</b>; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 37/2021, S. 32-39, online unter <a href="https://www.bpb.de/apuz/herrschaft-des-rechts-2021/340009/rechtsstaat-unter-druck-ungarn-polen-und-die-rolle-der-eu" target="_blank">https://www.bpb.de/apuz/herrschaft-des-rechts-2021/340009/rechtsstaat-unter-druck-ungarn-polen-und-die-rolle-der-eu</a>. <br /></p><p>Der Artikel von Kriszta Kovács und Kim Lane Scheppele beschäftigt sich mit der Justiz in Ungarn und Polen. Es wird erklärt, wie es in den beiden Ländern dazu kommen konnte, dass die Unabhängigkeit der Justiz ins Schwanken geriet. Im Anschluss daran befasst sich der Text mit den Maßnahmen, die die EU in diesem Kontext ergriffen hat, und den Hintergründen für das Handeln der EU.<span></span></p><a name='more'></a><p></p><p>Die beiden Autorinnen beginnen mit einer Zusammenfassung der Ereignisse in <b>Ungarn</b>. Dort gewann die Fidesz-Partei 2010 die Parlamentswahlen und erhielt zwei Drittel der Parlamentssitze. Eine Zweidrittelmehrheit im Parlament war für die Partei von Viktor Orbán ausreichend, um grundlegende Änderungen an der Verfassung Ungarns vorzunehmen. Unter anderem wurde das Verfassungsgericht geschwächt, indem neue Richterinnen und Richter sowie neue Präsidenten des Verfassungsgerichts alleinig von der Regierungspartei bestimmt werden konnten (vgl. S. 33).</p><p>Als Richter durch ein Herabsetzen des Rentenalters dazu verpflichtet wurden, aufgrund ihres Alters in den Ruhestand zu wechseln, mischte sich die Europäische Kommission in den Vorgang ein. Sie brachte den Fall vor den Gerichtshof der EU, der entschied, dass das Gesetz gegen den ,,Schutz vor Altersdiskriminierung‘‘ (S. 33) verstoße. Das Urteil hatte für Ungarn nur eine Entschädigungsleistung zur Folge, die Richter durften nicht zurück in ihre ehemalige Position kommen.</p><p>Ein weiterer Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz in Ungarn stellte das ,,Nationale Justizteam‘‘ dar, das unter anderem die Macht darüber innehat, Richter und Richterinnen zu entlassen. Das Justizteam wird von einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments gewählt, wieder reichten also die Stimmen der Fidesz-Partei aus (vgl. S. 34).</p><p>Aufgrund einer Änderung des Namens für den Obersten Gerichtshof, woraufhin sich die Richter neu um ihr Amt bewerben mussten, konnte der damalige Präsident des Gerichtshofs abgesetzt werden. Diesmal wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass dieser Vorgang nicht rechtmäßig war. Ungarn kam aber wieder mit einer Entschädigungszahlung davon (vgl. S. 34).</p><p>Im Anschluss an die Zusammenfassung der Geschehnisse in Ungarn geht der Artikel auf die Justiz in <b>Polen </b>ein. Auch dort wurde die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts stark angegriffen. Die Regierungspartei konnte hier durch eine Reihe von Vorgängen, die im Artikel näher beschrieben werden, dafür sorgen, dass im Verfassungsgericht eine Mehrheit der Richter der Regierungspartei PiS nahestehen (vgl. S. 36).</p><p>Durch ein Gesetz durfte der Justizminister Gerichtspräsidenten entlassen und andere Personen in diese Positionen einsetzen. Außerdem wurde auch in Polen das ,,Rentenalter für alle Richterinnen und Richter unterhalb des Obersten Gerichtshofs‘‘ (S. 36) gesenkt. Im Laufe der Zeit konnte die polnische Regierung den Nationalen Justizrat, das Verfassungsgericht und den Obersten Gerichtshof kontrollieren und in die Hände der eigenen Partei geben. Mit dem sogenannten ,,Maulkorbgesetz‘‘ können Richter für das Übergeben von Fällen an den EuGH sogar bestraft werden (vgl. S. 36).</p><p>Auf die Zusammenfassung der Vorgänge in den beiden Staaten folgt das Beleuchten der Eingriffe der <b>EU </b>in das Vorgehen der Regierungen. Außerdem gehen Scheppele und Kovács im letzten Teil des Artikels auf die Frage ein, weshalb sich die EU nicht stärker für die Unabhängigkeit der Justiz in Ungarn und Polen eingesetzt hat.</p><p>Als Unternehmungen der Kommission führt der Artikel auf, dass diese 2014 den ,,Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips‘‘ (S. 34) verabschiedete, der von der nächsten Kommission jedoch nicht weitergeführt wurde. Es kam daher nicht zu einer Verwarnung Ungarns. Das Europäische Parlament leitete gegen Ungarn das Verfahren nach Artikel 7 EUV ein, welches eine Verwarnung an Ungarn nach sich ziehen würde. Die nötige Mehrheit für diesen Schritt konnte im Rat jedoch nicht erreicht werden. (vgl. S. 34f.)</p><p>In Polen wurde die Kommission recht schnell aktiv und nutzte den ,,Rechtsstaatlichkeitsrahmen‘‘, um ,,Warnungen und Empfehlungen" (S. 37) an Polen aussprechen zu können. Ein entscheidendes Urteil hat dann der EuGH gefällt. In diesem Urteil ging es darum, dass die Mitgliedsstaaten die Unabhängigkeit der Justiz schützen müssen. Daraufhin wurde von der Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Ein Nichteinhalten des Urteils kann hohe Geldstrafen nach sich ziehen, dies muss jedoch von der Kommission herbeigeführt werden (vgl. S. 39).</p><p>Als einen der wichtigsten Gründe dafür, dass die EU nicht besonders stark in die Geschehnisse eingreifen konnte, nennen die Autorinnen die Abhängigkeit der EU von den Mitgliedsstaaten. Einerseits wollten sich die Mitgliedsstaaten nicht gegenseitig verurteilen, aus Angst selbst verurteilt zu werden. Die Verfahren nach Artikel 7 EUV, die eine Verwarnung an den jeweiligen Mitgliedsstaat nach sich ziehen, benötigten außerdem den einstimmigen Beschluss des Rates. Eine solche einstimmige Entscheidung habe jedoch nicht erreicht werden können (vgl. S. 39).</p><p>Außerdem erklären die Autorinnen, dass die EU nur beschränkte Zuständigkeitsbereiche innehat, sodass es ihr in einigen Bereichen unmöglich ist, in die nationale Politik der Mitgliedsstaaten einzugreifen. 2020 wurde eine Verordnung verabschiedet, die es zulässt, EU-Mittel zu verringern, falls diese im Land der Empfänger ,,falsch‘‘ (S. 39) ausgegeben würden. Diese Verordnung lässt die beiden Autorinnen auf eine Besserung der Situation hoffen. </p><p>Kovács und Scheppele schließen mit der Erkenntnis, dass die ,,nationalen Regierungen immer einen Vorteil gegenüber den EU-Institutionen‘‘ (S. 39) hätten, wenn sie sich nicht an die vorgegebenen Regeln hielten. Indem die EU zu wenig für die Unabhängigkeit der Justiz in Polen und Ungarn unternommen habe, habe sie ,,versäumt […]‘‘ (S. 39), für europäische und demokratische Werte einzustehen und diese durchzusetzen.</p>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-24970394978422877502022-02-02T10:16:00.005+01:002022-02-02T10:16:52.317+01:00Die Europäische Union und Russland<p>In diesem Beitrag stellt <i>Tim Falk </i>folgenden Text vor:</p><p><i>Kempe, Iris </i>(2011): <b>Die EU und Russland</b>; in: Weidenfeld, Werner / Wessels, Wolfgang: Jahrbuch der Europäischen Integration 2010, Nomos, S. 284-289, online unter: <a href="https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/9783845228044-284/die-eu-und-russland" target="_blank">https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/9783845228044-284/die-eu-und-russland</a>.</p><p>Die Beziehungen der Europäischen Union zu Russland waren im Jahr 2008 durch den russisch-georgischen Krieg sowie die globale Finanzkrise und dem damit einhergehenden Preisverfall des Weltenergiemarktes geprägt.<span></span></p><a name='more'></a><p></p><p><i>Gesamteuropäische Sicherheitsordnung</i></p><p>Angestoßen durch den russisch-georgischen Krieg kommt es am 8. April 2010 in Prag zu dem Nachfolgeabkommen START1 zwischen den USA und Russland. Dieses soll eine neue Sicherheitsordnung zwischen den zentralen Akteuren USA und Russland, aber auch der EU klären. Im Fokus der zwei Hauptakteure stehen vor allem die Entwicklungen des Iran, Chinas und Afghanistans. Kompromisse in diesen Themen verbessern auch das europäisch-russische Verhältnis.</p><p>Am 29. November 2010 entsteht der Entwurf für eine euroatlantische Sicherheitsordnung durch die Administration des russischen Präsidenten Medwedew. Die Hauptforderung besteht in dem verbindlichen Sicherheitsvertrag, dem alle Staaten sowie internationale Organisationen im relevanten Raum zustimmen sollen.</p><p>An erster Stelle steht der Schutz aller Vertragsparteien voreinander. Russland versucht hierbei, Einfluss auf das gesamte Europa zu nehmen. Aus europäischer Sicht fehlen dem Vertrag aber konkrete Formulierungen und eine klare Differenzierung zwischen bereits bestehenden Institutionen der europäischen Sicherheit. Ungeklärte Risiken bleiben territoriale Konflikte, wie beispielsweise die Krim.</p><p>Am 1. Dezember 2009 tritt der EU-Reformvertrag von Lissabon in Kraft. Er weckt Hoffnung für die außenpolitische Handlungsfähigkeit, beispielsweise in Energiefragen. Hierzu wird der Vorsitz des Außenministerrats zukünftig von dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik übernommen. Diese Änderung beendet den halbjährlichen Wechsel des Vorsitzes und soll so zu nachhaltigeren Ergebnissen führen.</p><p>Ziel der EU ist es, die EU-Ostpolitik neu zu definieren. Dabei spielen die europäischen und russischen Nachbarstaaten eine zentrale Rolle. Dieses 2008 veröffentlichte Konzept der "Östlichen Partnerschaft" umschließt sechs Nachbarstaaten. Russland sieht dieses Konzept allerdings als einen Versuch, sich in russische Interessen einzumischen, Russland auszuschließen und kritisiert die EU stark. Trotz intensiver Bemühungen bleiben Fortschritte in der gesamteuropäischen Ordnung aus.</p><p>Die ukrainische Präsidentschaftswahl 2010 führt zu neuen Verträgen zwischen Russland und der Ukraine, dabei stehen die Stationierung der Schwarzmeerflotte sowie neue Gasverträge im Fokus. Eine Abwendung von der EU ist hieraus aber nicht zu schließen, vielmehr versucht die Ukraine, ihre innenpolitische Lage zu beruhigen und die eigenen Handlungsoptionen zu vergrößern, indem sie auf die Forderungen von Russland eingeht.</p><p>Russland versucht weiterhin, durch die russischsprachige Bevölkerung sowie Abhängigkeiten in wirtschaftlichen Sektoren den eigenen Einfluss in den Nachbarstaaten zu vergrößern. Hierzu nutzt Russland nach dem russisch-georgischen Krieg 2008 subtile Mittel wie Fehlinformationen, Zahlungen von Renten an Veteranen der sowjetischen Armee und gibt Pässe an Anwohner der Nachbarstaaten aus.</p><p>2010 gründen Russland, Belarus und Kasachstan eine Zollunion, welche die wirtschaftlichen Beziehungen stärken soll. Das Interesse Russlands ist es hierbei, den eigenen Einfluss in den Nachbarstaaten zu sichern und sich gegen das westliche liberal-demokratische Weltbild durchzusetzen.</p><p>Auch das Verhältnis von Russland gegenüber den neuen EU-Mitgliedern wie Polen ist von Beginn an angespannt und wird durch ungeklärte Schuldzuweisungen zusätzlich erschwert. Der Flugzeugabsturz der polnischen Delegation, die auf dem Weg nach Katyn für eine Gedenkveranstaltung war, löst eine große Welle der Aussöhnung aus. Der russische Premierminister umarmt sogar seinen polnischen Kollegen an der Unglücksstelle und das Massaker von Katyn wird erstmals in der russischen Öffentlichkeit diskutiert.</p><p><i>Der Weg zu einer Modernisierungspartnerschaft</i></p><p>Aufgrund der globalen Finanzkrise, welche auch die Weltenergiemärkte einbrechen lässt, ist Russland genau wie die EU auf neue Partnerschaften angewiesen. Russland plant darüber hinaus eine umfassende Modernisierungspolitik mit Schwerpunkten in den Themengebieten Medizin-, Energie- und Informationstechnologie, Entwicklung von Raumfahrt und Telekomunikation sowie eine Steigerung der Energieeffizienz.</p><p>Außerdem wird 2009 ein Frühwarnsystem zwischen der EU und Russland etabliert, welches neue Gaskrisen in der Zukunft verhindern oder zumindest abschwächen soll, und ein Beitritt Russlands in die Welthandelsorganisation scheint möglich. Bei dem folgenden Gipfel 2010 bleiben große Fortschritte aus und Russland scheitert an der Abschaffung der Visapflicht in der EU für russische Staatsbürger erneut, wie schon 2003.</p><p>Die EU erklärt erneut die Wichtigkeit von gemeinsamen Werten, Demokratie und Menschenrechten als Grundlage für eine Modernisierung. Diese Erklärung zeigt die gravierenden Differenzen zwischen Russland und der EU in Interessen und Wertvorstellungen. Die politische Elite Russlands schafft es in dieser Zeit nicht, eine parlamentarische Demokratie zu etablieren. Angehörige der Opposition sowie Kritiker leben weiterhin in Gefahr und müssen mit willkürlichen Verhaftungen rechnen. Russland verabschiedet verschärfend zudem 2010 ein Gesetz, welches es ermöglicht, Menschen für 15 Tage zu inhaftieren und zu Geldstrafen zu verurteilen, wenn sie die Arbeit des Inlandgeheimdienstes behindern.</p><p>Resümierend muss klar gesagt werden, dass es zwischen der EU und Russland weiterhin große Differenzen gibt, jedoch auch Annäherungen, zahlreiche Kompromissversuche und eine wechselseitige Abhängigkeit, wie beispielsweise in der Gasversorgung. Ob diese Annäherungen und Abhängigkeiten die Grundlage für eine bessere Zusammenarbeit in der Zukunft bilden, bleibt allerdings abzuwarten.</p>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-49275731526392219662022-02-01T16:17:00.002+01:002022-02-01T16:17:47.603+01:00Strukturelle Probleme der Währungsunion<p>In diesem Beitrag stellt <i>Katharina Lagger </i>folgenden Aufsatz vor:</p><p><i>Heine, M. & Herr, H. </i>(2021): <b>Europäische Währungsunion: schlecht
gerüstet für große Krisen</b>; in: Wirtschaftsdienst, 101, S. 369-375, online unter:
<a href="https://doi.org/10.1007/s10273-021-2921-6" target="_blank">https://doi.org/10.1007/s10273-021-2921-6</a>.</p><blockquote><p>„Bereits vor der Corona-Krise zeigte die Europäische Währungsunion (EWU) eine unbefriedigende wirtschaftliche Entwicklung mit niedrigem Wachstum und zu geringer Inflation.“</p></blockquote><p>Mit diesem Satz beginnt der Text von Michael Heine und Hansjörg Herr. Um die Corona-Krise und auch andere Krisen bewältigen zu können, ist eine Koordination zwischen Geld- und Fiskalpolitik notwendig. Abgesehen von der Geldpolitik fehlt es der EWU auch an Institutionen, die die notwendige Wirtschaftspolitik unterstützen. Damit besteht die Gefahr einer langfristigen Stagnation der EWU. Wie kommt es dazu?<span></span></p><a name='more'></a><p></p><p>Bereits in der zweiten Hälfte 2019 kam es in der Währungsunion zu einem konjunkturellen Abschwung, der durch die Corona-Pandemie erheblich beschleunigt wurde. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist seit der Großen Depression 1930 in Europa nicht mehr so stark gesunken wie im Jahr 2020. Bei wirtschaftlichen Abschwüngen sinken bekanntermaßen die staatlichen Einnahmen und die Ausgaben steigen an. Aus diesem Grund ließ sich die Schuldenbremse, ohne katastrophale Konsequenzen zu riskieren, nicht verteidigen, weshalb sie außer Kraft gesetzt wurde. Damit hat die Fiskalpolitik erstmals seit der Finanzmarktkrise 2007/2008 wieder eng mit der expansiv ausgerichteten Geldpolitik zusammengearbeitet.</p><p>Die aktuelle Debatte konzentriert sich auf die Ausgestaltung der Fiskalpolitik. Dieser Bereich ist für die künftige Entwicklung der EWU sehr wichtig. Allerdings kommen hierbei Themen wie die Gefahren der hohen Verschuldung von staatlichen, aber auch privaten Sektoren oder auch der krisenbedingte Druck auf die Lohnentwicklung viel zu kurz. Gerade letzteres Thema kann zu einer massiven deflationären Entwicklung beitragen.</p><p>Hier kann vor allem die Frage nach den Deflationsgefahren bei geringem Wachstum in Betracht gezogen werden. Heine und Herr gehen dieser Frage in einem ihrer Textabschnitte nach. Die wirtschaftliche Entwicklung in der EWU verläuft seit der Finanzmarktkrise mehr als unbefriedigend. Das durchschnittliche jährliche Wachstum des realen BIP betrug seit dem Jahr 2008 bis 2019 nur gut 1%. Hierbei lassen sich enorme Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedsländern feststellen.</p><p>Während die EWU von 2007-2019 insgesamt um 9,5% wuchs, lagen die Werte bspw. für Deutschland bei 14,6% und für Griechenland bei -23,2%. Werden nun Zahlen der Europäischen Zentralbank angeschaut, so lässt sich feststellen, dass das BIP in der EWU im Jahr 2020 um rund 7,3% geschrumpft ist. Auch andere Länder wie Portugal, Italien und Frankreich kämpfen mit einem Rückgang des BIP.</p><p>Mit diesen Hintergrundinformationen ist es wenig überraschend, dass auch die Arbeitslosigkeit in der EWU hoch ist und 2020 auf einen Wert von 8,3% anstieg. Die schleppende Konjunktur spiegelt sich aber auch in den Veränderungen des Preisniveaus wider. Die EZB hatte 2003 ihr damaliges Inflationsziel, das zwischen 0 und 2% lag, aufgrund der niedrigen Inflationsraten in Deutschland ziemlich schnell auf knapp unter 2% korrigiert. Dies hatte zum Ziel, dass deflationäre Gefahren vermieden werden sollten.</p><p>Das von der EZB festgelegte Inflationsziel wurde ab 2013 Jahr für Jahr deutlich verfehlt. 2020 betrug die Inflationsrate im Euroraum 0,2% und ist damit auf einem Tiefpunkt angekommen. Der Hauptgrund für diese niedrige Inflationsrate liegt bei den geringen Lohnerhöhungen. Im Zeitraum von 2011 bis 2020 sind die Nominallöhne je Beschäftigten in der EWU jährlich nur um 1,7% gestiegen.</p><p>Diese Entwicklung zeigt sich auch in der Entwicklung der nominalen Lohnstückkosten, denn Lohnerhöhungen lassen sie steigen und Produktivitätsfortschritte lassen sie sinken. Besonders wichtig ist hier zu wissen, dass die Entwicklung der Lohnstückkosten der wichtigste Faktor für die Preisentwicklung ist. Die Arbeitsproduktivität stieg in der EWU von 2011-2019 jährlich um durchschnittlich 0,81% an. Damit hätten die nominalen Löhne jährlich um rund 2,7% steigen müssen, um die Zielinflationsrate von 1,9% erreichen zu können. Diese sind aber nur um rund 1,09% angestiegen.</p><p>Aufgrund dessen besteht die Gefahr, dass in den nächsten Jahren der nominelle Lohnanker bricht, denn die hier betrachtete mikroökonomische Logik, wonach Unternehmen durch Lohnzurückhaltung gerettet werden müssen, erscheint hier besonders plausibel. Dies bedeutet, dass die Versuchung bei den Unternehmen naheliegt, die Krise mithilfe sinkender Löhne zu meistern. Damit würde es aber zu einer Deflation kommen, die wiederum zu einer Erhöhung der Realschulden der Unternehmen und damit zur Lähmung der Investitionsneigung des Unternehmens führt.</p><p>An diesem geringen Wachstum und vor allem dem Verfehlen des Inflationsziels konnte auch eine expansive Geldpolitik der EZB nichts ändern. Der Hauptrefinanzierungssatz wurde seit 2012 schrittweise gesenkt und befindet sich heute bei einem Wert von Null. Die von der EZB genutzte „Easy Money policy“ oder auch „einfache Geldpolitik“, bei der die Geldmenge normalerweise durch Senkung der Zinssätze erhöht wird, konnte das Investitionsverhalten der Unternehmen nicht nachhaltig verändern.</p><p>Die EZB, die ab 2012 insgesamt geldpolitisch richtig gehandelt hat, konnte allerdings ohne die Unterstützung der Fiskal- und Lohnpolitik Kollateralschäden nicht vermeiden und damit wurden die Gefahren von Blasen auf den Aktien- und Immobilienmärkten deutlich erhöht. Hier zu erwähnen ist noch, dass die Entwicklung der Aktienkurse in der EWU sehr beunruhigend ist und mittlerweile ein Kursniveau erreicht wurde, das mit der Spekulation vor der Finanzmarktkrise 2008 vergleichbar ist.</p><p>Heine und Herr sprechen neben der Geldpolitik auch die Fiskalpolitik als einen gesonderten Punkt an. Für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik ist das Zusammenspiel zwischen der Geld- und Fiskalpolitik enorm wichtig. Mit Beginn der Corona-Krise schaltete man in der EWU auf eine expansive Fiskalpolitik um, die entweder zu einer Erhöhung der Staatsausgaben oder zu einer Senkung der Steuern führt.</p><p>Im Frühjahr 2020 beschlossen die Finanzminister der EU ein Finanzpaket (Coronahilfen) in Höhe von 540 Mrd. Euro. Um die künftige Entwicklung beurteilen zu können, muss beachtet werden, dass es sich bei diesem Corona-Programm um eine einmalige Maßnahme handelt. Hinzuzufügen ist noch, dass die Fiskalpolitik eine eigenständige Angelegenheit der Mitgliedsländer bleibt und damit eine gemeinsame Fiskalpolitik in der EWU erschwert.</p><p>Derzeit ist es noch nicht absehbar, ob die EWU erneut zu früh eine expansive Fiskalpolitik aufgibt und damit Wachstumschancen verspielt. Auszuschließen ist hier nicht, dass vorrangig Deutschland die wachsende Verschuldung der öffentlichen Haushalte in einigen Ländern der Eurozone zum Anlass nimmt, den Fiskalvertrag schnell wiederzubeleben. Nicht nur die Verschuldung der öffentlichen Haushalte hat in der EWU zugenommen, sondern auch die Quote des Unternehmenssektors und der privaten Haushalte. Zusammengenommen stieg die Verschuldung auf 174% vom BIP 2020 an.</p><p>Dieser trendmäßige Schuldenaufbau kann die künftige ökonomische Entwicklung erheblich belasten. Falls die Unternehmen und privaten Haushalte ihre Verschuldung zu reduzieren versuchen, belasten sie durch die zurückgehenden Konsum- und Investitionskäufe die effektive Nachfrage und bremsen damit eine expansive Geldpolitik aus. Aber nicht nur dies ist ein Problem, sondern die hohen Verschuldungsquoten erschweren auch Maßnahmen gegen inflationäre und deflationäre Entwicklungen.</p><p>Beispielsweise steht die EZB bei einer Inflation vor dem Dilemma, dass steigende Zinssätze die Schuldner*innen in die Knie zwingen und so eine konjunkturelle Krise eingeleitet wird - und je höher die Schuldenbestände, umso gravierender ist die Krise. Eine notwendige EWU-weite Lösung ist zurzeit noch nicht in Sicht und ebenso gibt es keine gemeinsame Einlagenversicherungen der entsprechenden Mitgliedsstaaten.</p><p>Zusammenfassend lässt sich nun sagen, dass die Lage der Eurozone alles andere als rosig aussieht. Es existieren erhebliche Risiken und es kann damit nicht ausgeschlossen werden, dass die vorherrschende ökonomische Lage außer Kontrolle gerät. Des Weiteren liegen in den Bereichen Geld-, Fiskal- und Lohnpolitik der EWU deutliche strukturelle Defizite vor, die zunächst behoben werden müssen. Hier muss es eine bessere Zusammenarbeit dieser Bereiche geben.</p>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-43754641558593448532022-01-28T10:06:00.000+01:002022-01-28T10:06:02.963+01:00Interne und externe Herausforderungen für die EU<p>In diesem Beitrag stellt <i>Katharina Beyrle </i>folgenden Aufsatz vor:</p><p><i>Lübkemeier, Eckhard </i>(2021): <b>Rechtsstaatlichkeit und Handlungsfähigkeit: zwei Seiten einer EU-Medaille</b>; SWP-Aktuell, 49/2021, online unter: <a href="https://www.swp-berlin.org/10.18449/2021A49/" target="_blank">https://www.swp-berlin.org/10.18449/2021A49/</a>.</p><p>Dr. Eckhard Lübkemeier ist Botschafter a.D. und Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe EU der Stiftung Wissenschaft und Politik. Er stellt eine Erosion der Rechtsstaatlichkeit fest. Diese Erosion betreffe vor allem Ungarn und Polen. Um dieser negativen Entwicklung Einhalt zu gebieten, fehle dem Europäischen Parlament (EP) zum einen die Willenskraft und zum anderen würden vertragliche Hürden eine Sanktionierung erschweren.<span></span></p><a name='more'></a><p></p><p>Lübkemeier sieht in der Corona-Pandemie einen Hoffnungsschimmer. Die Corona-Pandemie führte zu einem wirtschaftlichen Einbruch in allen Mitgliedsstaaten. Währenddessen wurde aber auch der Haushaltsplan für 2021 bis 2027 beschlossen, der große Mengen an Finanzmitteln in Aussicht stellt. Diese Mittel sind konditioniert, das heißt, dass Länder, die die Rechtsstaatlichkeit missachten, die Mittel nur eingeschränkt oder gar nicht erhalten können. Lübekmeier ist der Ansicht, dass dieser Hebel konsequenter genutzt werden sollte. Dieses Streichen beziehungsweise Kürzen stehe auf der rechtlichen Grundlage des im EU-Vertrag (EUV) beschriebenen Selbstverständnisses der EU als Werte- und Demokratiegemeinschaft.</p><p>Lübkemeier sieht für die EU drei aktuelle Herausforderungen. Die EU-Gelder müssen effektiv eingesetzt werden, die EU muss die Handlungsfähigkeit durch Mehrheitsentscheidung stärken und sie muss sich im Wettbewerb mit autokratischen Regimen behaupten. Um diese Herausforderungen zu meistern, sei eine stabile Demokratieunion die wichtigste Grundlage (vgl. S. 1).</p><p>2017 wurde gegen Polen das erste Mal ein Verfahren nach Artikel 7 des EUV eingeleitet. 2018 folgte das gleiche Verfahren gegen Ungarn. Die Kommission beschreibt dieses Verfahren als eines, das ein außergewöhnliches Instrument darstellt, mit dem die EU tätig werden kann, wenn eine Verletzung des Artikels 2 des EUV vorliegt (der Artikel bezieht sich vor allem auf die Werte und die Rechtsstaatlichkeit). Dieses Verfahren wurde gegen Polen und Ungarn eingeleitet, da die Kommission eine Unabhängigkeit der Justiz gefährdet sieht. Diese Gefährdung könne man aber auch schon in Rumänien, Kroatien und der Slowakei sehen. Die Kommission äußerte aber auch Bedenken hinsichtlich einer Einflussnahme auf die Medien in Österreich, Bulgarien, Malta und Polen (vgl. S. 1).<i> </i></p><p><i>Erste Herausforderung: EU-Gelder effektiv einsetzen</i></p><p>Die erste Herausforderung umfasst vor allem die Beseitigung der wirtschaftlichen Verluste der Corona-Pandemie. Die zur Verfügung gestellten Mittel sollen nicht nur für den Wiederaufbau verwendet werden, sondern auch für einen nachhaltigen Umbau von Produktion und Konsum. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Dieser aufwendige Wandel birgt ein großes Konfliktpotential zwischen den Mitgliedsstaaten, da dieser mit hohen Kosten verbunden ist. Dadurch wird der Zusammenhalt der ganzen EU auf die Probe gestellt.</p><p>Die Corona-Pandemie brachte für die EU eine zwiespältige Lehre mit sich. Es zeigt sich ein Spannungsverhältnis zwischen den nationalen Reflexen, wie die Grenzschließungen, und auf der anderen Seite die Aufnahme gemeinsamer Schulden. Diese neuen Haushalts- und Aufbaumittel können durch neue Konditionalitätsregelungen zurückgehalten oder gar gestrichen werden, wenn die Rechtsstaatlichkeit nicht gewährleistet wird (vgl. S. 2).</p><p><i>Zweite Herausforderung: EU-Handlungsfähigkeit durch Mehrheitsentscheidungen stärken und erhalten</i> </p><p>Der Übergang von Einstimmigkeit zu Mehrheitsentscheidungen zeigte immer wieder ein Spannungsverhältnis zwischen Effektivität und Legitimität. Die Bereitschaft, überstimmt zu werden und den Beschluss dennoch zu akzeptieren, wird strapaziert, wenn nationale Interessen berührt werden. Das gilt vor allem, wenn zu den Minderheiten Mitgliedstaaten gehören, die keine Rechtsstaatlichkeit gewähren. Ein Beispiel dafür ist, dass Polen und Ungarn gegen die Flüchtlingsumverteilung stimmten.</p><p>Um eine Desintegration durch einen Konflikt zwischen Legitimität und Effektivität zu verhindern, möchten die Mitgliedstaaten immer möglichst im Konsens entscheiden. Dabei hilft es manchmal, die Vetomacht einzelner oder Gruppen einzuschränken. Diese Einschränkung begünstigt die Möglichkeit überstimmt zu werden und dann die Kompromiss- und Konsensbereitschaft zu erweitern. Heute wird meistens routinemäßig im Mehrheitsverfahren entschieden. Diese Abstimmungsoption führte und führt zu einem Kompetenzzuwachs für die europäische Ebene und hat die Handlungsfähigkeit gesichert (vgl. S. 2/3).</p><p>Bis heute ist aber die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) von dieser Entwicklung ausgenommen. Das verursacht viel Frustration bei den Mitgliedstaaten und in der Öffentlichkeit. Beispielsweise war die EU 2020 wochenlang unfähig, auf Repressionen gegen die belarussische Opposition mit Sanktionen zu reagieren. Selbst wenn manche interne Blockaden gelöst werden konnten, so leidet immer die Handlungsfähigkeit. Beschlüsse werden in dieser Hinsicht meistens zu spät oder in abgeschwächter Form gefasst. Auch einige Mitgliedstaaten blockieren Beschlüsse, indem sie nur zustimmen, wenn sie in anderen Bereichen Zugeständnisse bekommen.</p><p>Deswegen fordern einige die Abschaffung der Einstimmigkeitsentscheidungen in der GASP. Diese Forderung wird durch Deutschland, Frankreich, den Hohen Vertreter und die Kommissionspräsidentin von der Leyen unterstützt. Lübkemeier reflektiert, dass Mehrheitsentscheidungen zu mehr Handlungsfähigkeiten führen werden, was auch für die GASP gelten werde. Dafür müssen zwei Anforderungen erfüllt sein. Als erstes muss eine verlässliche Regeltreue gelten. Das bedeutet, die gegenseitigen Entscheidungen müssen respektiert werden, vor allem von den größeren Mitgliedstaaten, da diese einfacher eine Entscheidung verhindern können, durch eine größere Macht hinsichtlich wirtschaftlicher und formaler Kriterien. Als zweites muss es eine demokratische und rechtstaatliche Verfasstheit der EU und ihrer Mitgliedstaaten geben, denn Mehrheitsentscheidungen und Rechtsstaatlichkeit gehören zusammen (vgl. S. 3).</p><p>Mehrheitsentscheidungen haben aber auch eine Kehrseite. Erstens können diese Entscheidungen die ohnehin existierenden Konfliktlinien verschärfen und damit auch den Zusammenhalt in der EU an seine Grenzen führen. Zweitens werden Mehrheitsbeschlüsse mit Hilfe von Mitgliedsstaaten getroffen, deren Rechtsstaatlichkeit in Frage steht und damit wird die Legitimation untergraben. Drittens werden untadeligen EU-Mitgliedern das Vetorecht entzogen und gegen sie können Beschlüsse gefasst werden mit Unterstützung derer Mitgliedstaaten, deren Rechtsstaatlichkeit in Frage steht (vgl. S. 4).</p><p><i>Dritte Herausforderung: EU muss im Systemwettbewerb bestehen</i></p><p>Als dritte Herausforderung sieht Lübkemeier das Land China. China gelte nun als Weltmacht und habe als einziges Land das Potential, die USA wirtschaftlich und technologisch zu überholen. Aber nicht nur machtpolitisch stelle China eine Herausforderung dar, sondern China zeige sich auch als systematischer Gegenpol. Die Regierenden Chinas demonstrieren, dass Wohlstand und Weltgeltung nicht nur mit westlicher Demokratie und Marktwirtschafte einhergeht, sondern vielleicht sogar besser mit politischer Entmündigung und staatlicher Wirtschaftslenkung.</p><p>Am 15. Juli 2021 haben die USA und die EU bekundet, die Herausforderung durch China anzunehmen. Die USA und die EU sehen sich dabei selbst als Anker für Demokratie, Frieden und Sicherheit. Das einzufordern, funktioniere aber nur, wenn man das durch eigenes Vorbild zeigen würde („lead by example at home“). Denn nur wenn der globale Anspruch und die Wirklichkeit im eigenen Land übereinstimmen, dann könne man nach außen hin auch die entsprechenden Werte einfordern. In den USA ist sich die Biden-Administration bewusst, dass die eigenen Demokratiemängel erst behoben werden müssen, welche vor allem durch Trump offengelegt wurden. Das gleiche gilt auch für die EU. Diese muss eine intakte Demokratieunion sein, um sich gegen China behaupten zu können.</p><p>Zusammenfassend betont Lübkemeier, dass Krisen und Herausforderungen auch immer eine Chance für Korrekturen und Reformen bieten. Bei der Rechtsstaatlichkeit ist das wirksamste Mittel das Geld, um die betroffenen Länder zu einer Beseitigung der rechtstaatlichen Defizite aufzufordern. Zudem müssen die Kommission und die Mitgliedsstaaten zeigen, dass sie diesen Hebel auch in Gang setzten werden (vgl. S. 4). </p>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-63470450568354092772022-01-26T09:39:00.002+01:002022-01-26T09:39:31.687+01:00Corona und europäische Außenpolitik<p>In diesem Beitrag stellt <i>Silja Wennes </i>folgenden Aufsatz vor:</p><p><i>Stelzenmüller, Constanze </i>(2020): <b>Europäische Außenpolitik: Was nach der
Pandemie noch übrig bleibt, und was dann zu tun ist</b>; in: IFO
Schnelldienst, 73. Jg. Heft 7/2020, S. 57-62, online unter: <a href="https://www.ifo.de/publikationen/2020/aufsatz-zeitschrift/europaeische-aussenpolitik-was-nach-der-pandemie-uebrig" target="_blank">https://www.ifo.de/publikationen/2020/aufsatz-zeitschrift/europaeische-aussenpolitik-was-nach-der-pandemie-uebrig</a>.</p><p>Die Verfasserin des Artikels ist eine deutsche Juristin und Publizistin der Brookings Institution in Washington D.C., einer Forschungseinrichtung zu transatlantischen Beziehungen. In diesem im Jahr 2020 veröffentlichten Artikel befasst sich die Autorin mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die weltweiten Machtverhältnisse und skizziert die Rolle der Europäischen Union in diesem Kontext.<span></span></p><a name='more'></a><p></p><p>Dabei zeigt Stelzenmüller unter anderem auf, wie die Pandemie die globalen Märkte und die zwischenstaatlichen Beziehungen beeinflusst und welche Themengebiete durch die Pandemie hervorgehoben werden bzw.in der Hintergrund geraten. Zum Zeitraum des Erscheinens dieses Artikels im Juli 2020 hatte die Pandemie erst kurzzeitig Bestand. Auch werden hier politische Themen behandelt, welche bereits vergangen sind, wie beispielsweise die US-Präsidentschaftswahl.</p><p>Die Pandemie stellt die größte Menschheitskrise nach dem Zweiten Weltkrieg dar. Die Folgen werden enorme Ausmaße beispielsweise auf das Gesundheitssystem und auf die Gesellschaft, wie auch auf viele andere Bereiche haben (vgl. S. 57). Geopolitisch wird die Pandemie nicht nur eine Krise, sondern eine Verkettung einer Vielzahl an Krisen, welche verschiedenste Bereiche betreffen, hervorrufen.</p><p>Durch die Pandemie wird die Globalisierung und die Weltwirtschaft verändert und ein Wandel durchlebt. Dadurch weiten sich die bestehenden Deglobalisierungtrends aus, wie z.B. Forderungen der Klimaschutzbewegungen nach kohlenstoffneutralem Konsum. Zudem wird zunehmend ein größerer Druck entstehen, Exportkontrollen zu verschärfen, gerade bei strategisch wichtigen Gütern.</p><p>Auf der anderen Seite könnte es aufgrund der Pandemie aber auch neue Gelegenheiten geben, den technischen Fortschritt voranzutreiben und neue Technologien zu entwickeln. Unter anderem im Sektor der Biotechnologie und in technologischen sowie organisatorischen Bereichen sind durch die Pandemie fortschrittliche Entwicklungen zu erwarten. Dabei dürfen die Gefahrenpotentiale jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Beispielsweise ein Missbrauch und ein Anstieg digitaler Überwachung oder Manipulationen in diesem Bereich sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. (vgl. S. 58)</p><p>Vor der Pandemie gab es eine „Weltordnung“ durch die sogenannte „Großmächtekonkurrenz“. Die Vereinigten Staaten gegen China mit Russland. Wie es aber nach bzw. in der Pandemie für diese Länder aussieht, wird nachfolgend gezeigt. (vgl. S. 58)</p><blockquote><p>„Für die Regierungen in Peking und Moskau erscheint die Pandemie derzeit allerdings eher wie ein geopolitischer Rückschlag.“ (S. 58)</p></blockquote><p>Zu Beginn der Pandemie sah es für die USA mit Donald Trump an der Spitze noch gut aus. Mit der Zeit allerdings stieg die Arbeitslosigkeit, historische Tiefstände in jeglicher Hinsicht wurden erreicht. Die Pandemie „testet“ die USA in jeglicher Hinsicht, auch im Hinblick auf die Wahl des US-Präsidenten (vgl. S. 59). Beispiele dafür, was es für die internationale Ordnung nach der Pandemie heißt:</p><ul style="text-align: left;"><li>Klimawandel sowie Pandemie bleiben weiterhin bestehen und fordern weltweite Kollaboration.</li><li>Vor allem die Großmächte (USA, China und Russland) gehen aus der Krise geschwächt hervor.</li><li>Der weniger entwickelten Welt drohen humanitäre Krisen mit möglichen Konsequenzen wie z.B. Rohstoffkriegen oder Massenmigrationsbewegungen,</li><li>etc.</li></ul><p>Russland und China wurden zu Beginn aus Sicht der Europäer noch als strategischer Partner angesehen, dies hat sich aber mit der Zeit gelegt und die beiden Großmächte werden immer mehr als „Gegner des Westens“ angesehen (vgl. S. 59). Durch die Folgen, die Trump mit z.B. Aversionen gegen internationale Institution (z.B. die Weltgesundheitsorganisation WHO) geschaffen hat, kann auch eine Gefahr für Europa entstehen.</p><p>Europa ist anders als Amerika, China und Russland von der Welt abhängig. Vorher gab es in Europa auch schon Probleme, welche eine Spaltung unter den Mitgliedsstaaten zur Folge hatten, wie beispielsweise den Brexit oder die Eurozonenkrise. Dennoch ist der neuen EU-Kommission bewusst, China als deutlichen Rivalen zu sehen (vgl. S. 60).</p><p>„Wir können uns nicht auf das Endziel der europäischen Einigung verständigen“ (S.61). Dies ist ein Problem der Europäischen Union, das aber schon länger besteht. Möglicherweise wäre es eine Hilfe, sich an die drei Punkte Frieden, Wohlstand und demokratische Transformation zu erinnern, die nach 1945 eine große Rolle gespielt haben. Während der Finanzkrise 2008 wurde es um einen weiteren Punkt, den Punkt Schutz, entwickelt.</p><p>Durch die Pandemie könnte man einen weiteren Punkt, den Aspekt der Souveränität, erarbeiten. Vorher gab es schon immer einzelne Krisen in verschiedenen Systemen, das Corona-Virus aber hat eine „Multi-Krise“ der verschiedenen Systeme geschaffen. Europa wird nicht mehr von glücklich unabhängigen Nationalstaaten geprägt. Bis zu diesem Zeitpunkt kann man noch nicht sagen, ob Europa gestärkt oder geschwächt aus der Pandemie hervorgeht (vgl. S. 61). Deutschland hat generell sehr von Amerika und Europa profitiert und hat zwischenzeitlich innerhalb Europas einen enormen Einfluss (vgl. S. 62).</p>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-66611004808876493042022-01-26T09:39:00.001+01:002022-01-26T09:39:22.329+01:00Gender Mainstreaming und wirtschaftspolitische Steuerung in der EU<p>In diesem Beitrag stellt <i>Lina Buchloh </i>folgenden Aufsatz vor: <br /></p><p><i>Klatzer, Elisabeth / Schlager, Christa </i>(2016): <b>Gender Mainstreaming oder Mainstream ohne Gender? Wirtschaftspolitische Steuerung in der Europäischen Union: geschlechterblind und gleichstellungsriskant</b>; in: Femina Politica 2-2016, S. 37-48, online unter: <a href="https://doi.org/10.3224/feminapolitica.v25i2.25351" target="_blank">https://doi.org/10.3224/feminapolitica.v25i2.25351</a>. <br /></p><p>Die Autorinnen tragen mit ihrem Artikel zu einer kritischen Bilanz der Errungenschaften der Gleichstellungspolitik bei. Die Gleichstellungspolitik wurde 1997 von der Europäischen Union mit dem Vertrag von Amsterdam als Querschnittsziel vertraglich festgelegt (vgl. S. 37). Des Weiteren analysieren die Autorinnen den geschlechterpolitischen Gehalt der EU-Wirtschaftspolitik und untersuchen den Einfluss der Gleichstellungspolitik in der budget- und wirtschaftspolitischen Steuerung der EU (S. 38). Das Ziel der Autorinnen ist es, reagierend auf die Defizite der Geleichstellungspolitik Handlungsansätze zu entwickeln, damit die Gleichstellungspolitik in Zukunft wirksamer werden kann. Im folgenden Abschnitt des Artikels fassen die Autorinnen die Charakteristika der neuen wirtschaftspolitischen Steuerung („EU Economic Governance“) zusammen:<span></span></p><a name='more'></a><p></p><ul style="text-align: left;"><li>„Regelgebundenheit mit hoher rechtlicher Bestandskraft führt zu einer einseitigen Defizit- und Verschuldungsabbau-Ausrichtung und zu Sparzwang und Abbau von Sozialstaatlichkeit.“ (S. 38f.)</li><li>„Mit der Formel „Wettbewerbsfähigkeit“ wurden Regelungen geschaffen, die den Druck auf Löhne erhöhen, den Abbau von Arbeitsrechten forcieren und Gewerkschaften schwächen.“ (S. 39)</li><li>„Ein hohes Maß an wesentlichen wirtschafts- und budgetpolitischen Entscheidungskompetenzen wurde an eine kleine Gruppe der Wirtschafts- und Finanzelite übertragen.“ (S. 39)</li></ul><p>Die Autorinnen schildern, dass im Zusammenhang der Economic Governance die Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen, die Finanzministerien, das Generalsekretariat und der Rat der Finanzminister bei Entscheidungen im Bereich Budget und Wirtschaftspolitik einen großen Machtzugewinn erfuhren. Die daraus resultierenden Entscheidungen sind durch ihre Komplexität schwer nachzuvollziehen. Diese Prozesse, in die auch die Europäische Zentralbank mit eingebunden ist, bezeichnen die Autorinnen als intransparent. Entscheidungen auf wirtschaftspolitischer Ebene werden laut den Autorinnen demokratischen Institutionen entzogen und an informelle oder bürokratische Machtzentren übergeben (vgl. S. 39).</p><p>Im folgenden Abschnitt weisen die Autorinnen darauf hin, dass der Gender-Mainstreaming-Auftrag nicht zufriedenstellend erfüllt wurde. Bis auf die Arbeitsmarktpolitik sind „die Wirtschafts-, Budget- und Geldpolitiken ebenso wie die wirtschaftspolitischen Institutionen weiterhin weitgehend geschlechterblind […] und mit geschlechterpolitischen Schieflagen verbunden“ (S. 40). Die bisherigen Errungenschaften der Gleichstellungspolitik werden durch die geschlechterblinde Politik gefährdet.</p><p>Die Autorinnen beschreiben einzelne Aspekte dieser Machtverschiebung: Die institutionellen Veränderungen aufgrund der Economic Governance sind bereits geschlechterpolitisch, da die Institutionen, wie oben beschrieben, über größere wirtschaftspolitische Entscheidungsmacht verfügen und in einem hohen Ausmaß von Männern dominiert werden (vgl. S. 40).</p><p>Laut den Autorinnen nimmt die Überbeanspruchung von Frauen zu, allerdings werde die Notwendigkeit, bezahlte und unbezahlte Arbeit gleich zu betrachten, von den EntscheidungsträgerInnen untergraben. Die Autorinnen beschreiben, dass der Sozialabbau Frauen stärker betrifft, da sie z.B. durch Betreuungspflichten und gesellschaftliche Diskriminierung durchschnittlich niedrigere Erwerbseinkommen haben (vgl. S. 41).</p><p>Die Wirkung der Gleichstellungspolitik kann durch das Europäische Semester ermittelt werden. Hierbei soll sichergestellt werden, dass Empfehlungen (von EK und Rat) umgesetzt werden. Die Berichte der Kommission, die jedes Jahr im November mit Blick auf die Prioritäten und wirtschaftspolitischen Analysen für das kommende Jahr veröffentlicht werden, sind laut den Autorinnen häufig geschlechterblind. Die Mitgliedsstaaten sind nur bezüglich der Beschäftigungsquote dazu angehalten, Maßnahmen zu befolgen, die die Arbeitsanreize erhöhen sollen.</p><blockquote><p>„Gleichstellungsaspekte sind, trotz der eindeutigen Rechtslage, dass sie eine Querschnittsmaterie sind, in den umfangreichen Dokumenten in den allerwenigsten Fällen enthalten. Im gesamten Mechanismus der Economic Governance wurde auf EU-Ebene kein Aspekt eines Gender Mainstreaming-Prozesses verankert“ (S. 42).</p></blockquote><p>Die Autorinnen beschreiben, dass die Auswirkungen auf Frauen und Geschlechterverhältnisse in den länderspezifischen Empfehlungen 2014-15 „zur fiskalischen Konsolidierung, zur Förderung von Wachstum und Wettbewerb, zu Reformen des Gesundheits-, Pensions- und Steuersystems sowie zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung […]“ (S. 42) nicht thematisiert werden. Die EK erwähnt Frauen laut den Autorinnen nur in Bezug auf die Ziele zur Erhöhung der Beschäftigungsquote.</p><p>Die Autorinnen bezeichnen die EU als Wettbewerbsstaat, dessen Wettbewerbsstaatlichkeit durch die Economic Governance, den Euro-Plus Pakt und die Wettbewerbsfähigkeitsräte in den EU-Staaten weiter angetrieben wurde (vgl. S. 44). Genetti, auf den sich die Autorinnen im Folgenden beziehen, beschreibt Veränderungen von Politik, Gesellschaft und Staat mit folgenden geschlechterrelevanten Charakteristika:</p><ul style="text-align: left;"><li>„Orientierung neoliberaler Diskurse und Praxen an männlichen Normen,</li><li>Reprivatisierung und Refeminisierung von sozialen Reproduktionsaufgaben,</li><li>Verschiebungen in den Bedeutungen von Privat und Öffentlichkeit sowie</li><li>Herausbildung einer neuen hegemonialen Geschlechterordnung und eines neuen Genderregimes im Postfordismus“ (S. 44)</li></ul><p>In der Schlussfolgerung kommen die Autorinnen zu folgenden Ergebnissen:</p><ul style="text-align: left;"><li>Die Gleichstellungspolitik der EU erfährt eine Krise.</li><li>Bisherige Errungenschaften der Gleichstellungspolitik werden durch geschlechterblinde Politiken und Institutionen, die männlich dominiert sind, gefährdet.</li><li>„Trotz des Bekenntnisses der EU zu Gender Mainstreaming und der Verankerung von Gleichstellung als Querschnittsziel in den EU-Verträgen spielen gleichstellungspolitische Überlegungen in der Economic Governance praktisch keine Rolle“ (S. 45).</li></ul><p>Die Autorinnen sehen für die Weiterentwicklung und Umsetzung der Geschlechterpolitik eine Transformation auf drei Ebenen für notwendig:</p><ul style="text-align: left;"><li>Neukonzeptionierung von Ökonomie. Wirtschaft soll als vor- und versorgende Wirtschaft konzeptualisiert werden (dadurch können geschlechterpolitische Schieflagen erkannt werden) (vgl. S. 45)</li><li>Emanzipatorische Transformation von Staatlichkeit: „Die öffentliche Organisation von universellen Care-Dienstleistungen für Kinder, Alte, Kranke und Behinderte, ein emanzipatorischer Um- und Ausbau des „Öffentlichen“ sowie wirksame Maßnahmen zur Eindämmung der Macht des Finanzsektors und multinationaler Unternehmen sowie zum Abbau der enormen Ungleichheit bei Vermögen und Einkommen sind dabei wesentliche strategische Ansatzpunkte“ (S. 46).</li><li>„Ausbau geschlechtergerechter partizipatorischer Institutionen und Entscheidungsprozesse“ (S. 46).</li></ul><p>Die Autorinnen sehen diese drei Faktoren „als Basis für praktische Gleichstellungspolitik“ (S. 47), durch welche Emanzipation und Gleichstellung in der EU wirksam werden können.</p>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-11537331774193151602022-01-26T09:39:00.000+01:002022-01-26T09:39:09.968+01:00Corona, ETS und EU-Klimapolitik<p>In diesem Beitrag stellt <i>Silja Puscher </i>folgenden Aufsatz vor:<br /><br /> <i>Treptow, Thomas M. </i>(2020): <b>Auswirkungen der Corona-Krise auf die europäische Klimaschutzpolitik</b>; in:
Wirtschaftsdienst 100<b>, </b>S. 364–366, online unter: <a href="https://doi.org/10.1007/s10273-020-2656-9" target="_blank">https://doi.org/10.1007/s10273-020-2656-9</a>.</p><p>Seit neuestem trifft man in der Mensa auf den „klimaneutralen Teller“ und auch sonst werden wir ständig ermahnt, dass unsere Gesellschaft klimafreundlicher werden muss. Der Klimawandel und seine schwerwiegenden Konsequenzen bereiten vielen große Bauchschmerzen. Der Klimawandel ist stets präsent, besonders wenn wir seine Gewalt in Naturkatastrophen, wie letztes Jahr im Ahrtal, zu spüren bekommen.<span></span></p><a name='more'></a><p></p><blockquote><p>„Wir können die Welt nicht retten, indem wir uns an die Spielregeln halten. Die Regeln müssen sich ändern, alles muss sich ändern, und zwar heute“ (Thunberg, 2018)</p></blockquote><p>Es ist die Aufgabe der Politikerinnen und Politiker, der Gesellschaft Regeln vorzuschreiben, wie sie nachhaltig leben sollte, denn allein schafft sie es nicht. Es gibt Unternehmen, deren Bestreben nicht die Klimaneutralität, sondern der höchstmögliche Profit ist, aber ist das den Unternehmerinnen und Unternehmern überhaupt vorzuwerfen? Oder ist es nicht vielmehr die Aufgabe der Politik, Leitlinien zu erarbeiten, die die Klimaneutralität begünstigen, damit alle Unternehmen die gleichen Voraussetzungen haben?</p><p>Auch in der Europäischen Union ist die Klimaschutzpolitik ein großer Faktor. Es wurden verschiedene Klimaschutzziele bestimmt, die es zu erreichen gilt. Ein zentrales Instrument ist das Emissionshandelssystem der EU. Das heißt, dass Unternehmen nicht einfach ihren Betrieb so aufrechterhalten können. Sie müssen bezahlen, um Treibhausgase produzieren zu können, oder sie müssen ihre Produktion so umstellen, dass sie keine oder nur wenige Treibhausgase produzieren. Für den Verbraucher heißt dies steigende Preise und für die Unternehmen weniger Profit und weniger Wirtschaftlichkeit.</p><p>Doch neben der anhaltenden Klimakrise gibt es eine Krise, die das Leben der Menschen auf der ganzen Welt verändert, beeinträchtigt und erschwert hat. Die Corona-Pandemie. In seinem Artikel geht Thomas M. Treptow auf die Frage ein, wie die Corona-Pandemie die Klimapolitik, vor allem das ETS, verändert hat.</p><p><i>Das Emissionshandelssystem der EU</i></p><p>Das Emissionshandelssystem (Emissions Trading System, kurz ETS) ist ein zentrales Instrument der europäischen Klimaschutzpolitik. Laut diesem System müssen alle „treibhausgasemittierende Unternehmen“ (ebd) der EU-Mitgliedstaaten „pro emittierte Tonne Treibhausgase ein Emissionszertifikat als Berechtigung nachweisen bzw. einlösen“ (S. 364), also käuflich erwerben.</p><p>Es gibt für die Unternehmen auch die Möglichkeit, mit diesen Zertifikaten zu handeln. Damit wird bewirkt, dass betroffene Unternehmen verschiedene Möglichkeiten, wie den „Einsatz verbesserter Produktionstechnologien, die zu weniger Emissionen führen“, die „Einschränkung emissionsverursachender Produktion“ oder den „Erwerb von Emissionszertifikaten für unveränderte Produktionstechnologien“ (ebd.) in Erwägung ziehen und dies auch einen wirtschaftlichen Anreiz hat.</p><p>Zusätzlich zu diesem Handelssystem werden durch die sukzessive Absenkung der zulässigen Emissionsmenge die Klimaschutzziele verfolgt (vgl. S. 365). Dem ETS wird eine „hohe Bedeutung bei der Erreichung der Klimaschutzziele zugeschrieben“ (ebd.), was durch das Profitziel der einzelnen Unternehmen zu erklären ist, da fast jedes Unternehmen nach so viel Profit wie möglich strebt. Durch das ETS wird es also sehr attraktiv, so gut wie möglich klimaneutral zu handeln.</p><p><i>Auswirkungen der Corona-Krise auf den Preis von Emissionszertifikaten</i></p><p>Die Summe der benötigten Emissionsrechte stellt für ein Unternehmen einen großen Kostenfaktor dar. Durch die Corona-Krise verschlechtert sich allerdings der ökonomische Ausblick und damit wird ein geringeres Produktionsniveau angestrebt, das bewirkt, dass weniger Emissionszertifikate benötigt werden. Die Nachfrage nach Emissionszertifikaten sinkt, allerdings sinkt auch die Produktion. Dadurch entsteht also ein kurzfristiger „Vorteil für die Realisierung der Klimaschutzziele“ (ebd.) in Form einer geringeren Produktion, wodurch weniger Emissionen verursacht werden.</p><p>Allerdings ist es mit den kurzfristigen Auswirkungen nicht getan und es entstehen auch mittel- bis langfristige Wirkungen. Ein „unelastisches Angebot von Emissionszertifikaten bedeutet eine geringere Nachfrage“ (ebd.), also fallende Preise. Unternehmen, die langfristig planen „berechnen für sinkende Kosten von Emissionszertifikaten einen höheren Kapitalwert ihrer gegenwärtigen Produktionstechnologie“ (ebd.). Es entsteht ein Steuerungsimpuls, wodurch die treibhausgasemittierende Produktionsweise gegenüber der treibhausgasvermeidenden Produktionsweise vorteilhafter erscheint.</p><p><i>Folgen für die Erreichung der Klimaschutzziele</i></p><p>Das schnell gesunkene Preisniveau (von fast 25 € auf ungefähr 16 €) ist in vielfacher Hinsicht nachteilig. Da die Unternehmen, die unter das ETS fallen, eher langfristig mit Emissionsberechtigungen ausgestattet sind, wird „eine den Preis treibende Nachfrage tendenziell länger nicht zu beobachten sein“ (S. 366).</p><p>Die Umstellung der Produktionstechnologien sind relativ teurer gegenüber den bisherigen Technologien, wodurch der klimapolitisch gewünschte Wechsel der Produktionsweise erschwert wird. Durch „den Corona-Schock“ (ebd.) sinkt der Kapitalwert klimafreundlicher Investitionsprojekte. Die Unsicherheit der Unternehmen wird weiter erhöht, was sich allerdings nicht nur auf das ETS, sondern auf alle Unternehmen weltweit bezieht.</p><p><i>Rückschlag für treibhausgasvermeidende Technologien</i></p><p>Zusammengefasst wird die kurzfristige Folge deutlich geringere Treihausgasemissionen sein. Allerdings werden Produktionsverfahren hin zu treibhausgasvermeidenden Produktionstechnologien einen Rückschlag erfahren.</p>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-69587928202133826632022-01-24T15:38:00.002+01:002022-01-24T15:38:56.527+01:00Aufsatz zum Green Deal der EU<p>Nach der Vollendung des <b>Binnenmarkts </b>("Europa '92", EEA), der <b>Währungsunion </b>(Maastricht) und der <b>Osterweiterung </b>hat sich die Kommission unter <i>Ursula von der Leyen </i>mit dem "<b>Green Deal</b>" eine noch ambitioniertere Vision gegeben. Die wesentlichen Dimensionen dieser Mammutaufgabe und die außenpolitischen und geostrategischen Implikationen skizziert der folgende Beitrag in der aktuellen Ausgabe von "Aus Politik und Zeitgeschichte" (<a href="https://www.bpb.de/apuz/green-new-deals-2022/" target="_blank">APuZ 3-4/2022</a>): <i><br /></i></p><ul style="text-align: left;"><li><i>Susanne Dröge</i>: <a href="https://www.bpb.de/apuz/green-new-deals-2022/345729/der-europaeische-green-deal" target="_blank">Der europäische Green Deal. Ziele, Hintergründe und globale Dimension</a>
- Der Green Deal ist die ehrgeizigste Agenda, die sich die EU je
gegeben hat. Die Kommission verfolgt nicht bloß den Klimaschutz als
Ziel, sondern will durch den Deal auch wirtschaftlich und geopolitisch
zu den USA und China aufschließen.</li></ul>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-57061616325148678892021-12-01T18:07:00.002+01:002021-12-01T18:10:14.400+01:00Direkt mit EU-Vertretern sprechen: Kommission, Rat, Parlament usw.<p></p>
<div class="post-header">
</div>
<p>Nach wie vor ist leider keine "echte" Exkursion nach Brüssel möglich, aber nun gibt es zumindest eine digitale Möglichkeit, um Informationen aus erster Hand zu erhalten. <b>Nutzen Sie diese Chance</b>: Genau zum richtigen Zeitpunkt in
unserem Semesterprogramm, wenn es nämlich um die EU-Organe und deren
Zusammenspiel geht, haben Sie dank einer Kooperation mit dem <a href="https://europa-zentrum.de/" target="_blank">Europa-Zentrum</a>
die Möglichkeit, über Webex mit Vertretern der drei
wichtigsten EU-Organe zu sprechen. Aus erster Hand geht es um Fragen
wie: Wer macht was in Brüssel? Wie funktionieren die Institutionen und
wer hat eigentlich welche Kompetenzen? Alle TeilnehmerInnen der
EU-Veranstaltung sollten versuchen, an mindestens vier dieser acht Termine teilzunehmen. Die
Termine im einzelnen, zu denen Sie sich jeweils <b>vorher anmelden </b>müssen (unter Angabe des jeweiligen Stichwortes an <a href="mailto:kontakt@europa-zentrum.de">kontakt@europa-zentrum.de</a>), sind nachfolgend aufgeführt:</p><p><b>Montag, 06.12.2020</b>, 14.30-16.00, <b><span style="color: #073763;">Europäische Kommission</span></b>, „Die Rolle der Europäischen Kommission in der EU“, N.N. - Stichwort: EU-Com</p><p><b>Montag, 06.12.2020</b>, 18.30-20.00, <b><span style="color: #073763;">Europäisches Parlament</span></b>, „Die Arbeit des Europäischen Parlaments in Zeiten von Corona“, Rainer Wieland, MdEP Vizepräsident - Stichwort: MdEP</p><p><b>Mittwoch, 08.12.2020</b>, 16.00-17.15, <b><span style="color: #073763;">Rat der Europäischen Union</span></b>, „Die Rolle des Rates im institutionellen Gefüge“, Jonathan Bauerschmidt , Generalsekretariat des Rates der EU, virtueller Rundgang im Ratsgebäude - Stichwort: Consilium</p><p><b>Freitag, 10.12.2020</b>, 17.00-18.00, <b><span style="color: #073763;">Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der EU</span></b>, „Wie nehmen die Mitgliedstaaten in Brüssel Einfluss?“, Dr. Paul Gaitzsch, Abteilung Inneres, Datenschutz - Stichwort: StäV</p><p><b>Montag, 13.12.2020</b>, 16.00-17.15, „<b><span style="color: #073763;">Lobbyismus im EU-Entscheidungssystem</span></b>“, Hans van Scharen, Corporate Europe Observatory (Brüssel) - Stichwort: Lobby</p><p><b>Dienstag, 14.12.2020</b>, 19.00-20.30, „Die <b><span style="color: #073763;">Belgier </span></b>in der Europäischen Union“ (<span style="color: #cc0000;">Achtung: unterhaltsam</span>), Malte Woydt, Historiker, Politologe, Stichwort: Belgier</p><p><b>Mittwoch, 15.12.2020</b>, 16.00-17.15, (angefragt) Ständige Vertretung von Schottland, „Der <b><span style="color: #073763;">Brexit </span></b>– Ein Jahr danach“, Sarah English, Scotland Europa - Stichwort: Brexit / alternativ: Ständige Vertretung der Republik Irland (auch angefragt)</p><p><b>Freitag, 17.12.2020</b>, 16.00-17.15, Europäisches Parlament, „Die Arbeit der <b><span style="color: #073763;">Abgeordnetenbüros</span></b>“ Annemarie Hertner, Büro Anna Deparnay-Grunenberg - Stichwort: Netzwerken</p><p><!--[if gte mso 9]><xml>
<w:WordDocument>
<w:View>Normal</w:View>
<w:Zoom>0</w:Zoom>
<w:HyphenationZone>21</w:HyphenationZone>
<w:PunctuationKerning/>
<w:ValidateAgainstSchemas/>
<w:SaveIfXMLInvalid>false</w:SaveIfXMLInvalid>
<w:IgnoreMixedContent>false</w:IgnoreMixedContent>
<w:AlwaysShowPlaceholderText>false</w:AlwaysShowPlaceholderText>
<w:Compatibility>
<w:BreakWrappedTables/>
<w:SnapToGridInCell/>
<w:WrapTextWithPunct/>
<w:UseAsianBreakRules/>
<w:DontGrowAutofit/>
</w:Compatibility>
<w:BrowserLevel>MicrosoftInternetExplorer4</w:BrowserLevel>
</w:WordDocument>
</xml><![endif]--><!--[if gte mso 9]><xml>
<w:LatentStyles DefLockedState="false" LatentStyleCount="156">
</w:LatentStyles>
</xml><![endif]--><!--[if gte mso 10]>
<style>
/* Style Definitions */
table.MsoNormalTable
{mso-style-name:"Normale Tabelle";
mso-tstyle-rowband-size:0;
mso-tstyle-colband-size:0;
mso-style-noshow:yes;
mso-style-parent:"";
mso-padding-alt:0cm 5.4pt 0cm 5.4pt;
mso-para-margin:0cm;
mso-para-margin-bottom:.0001pt;
mso-pagination:widow-orphan;
font-size:10.0pt;
font-family:"Times New Roman";
mso-ansi-language:#0400;
mso-fareast-language:#0400;
mso-bidi-language:#0400;}
</style>
<![endif]--></p>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-26283412330860652812021-11-21T11:32:00.002+01:002021-11-21T11:32:50.064+01:00Projekt "Europe's Stories"<p>Unter der Leitung des britischen Historikers und europäischen Intellektuellen <i>Timothy Garton Ash</i>, dessen Texte <a href="https://schnabeltier-eu.blogspot.com/search/label/TGA" target="_blank">hier im Blog</a> bereits mehrfach empfohlen wurden, führt die Universität Oxford ein hochinteressantes Europa-Projekt durch. Die Ergebnisse - Videos, Texte, Umfragen - findet man auf der Website <a href="https://europeanmoments.com/" target="_blank">https://europeanmoments.com/</a>:<br /></p><blockquote><p>Our Oxford University research team is working to find out what
Europeans really think about Europe – and what they want the EU to do by
2030. This website shows interviews with both 'ordinary' Europeans and
leading experts, specially commissioned opinion polling and a selection
of illuminating texts.</p></blockquote>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-3391760305789597092021-09-30T23:51:00.236+02:002021-10-03T16:46:48.890+02:00Kroatien in der EU - Eine Bilanz nach 8 Jahren Mitgliedschaft <blockquote><p>"Of course, a little bit of force is needed when doing push-backs."<br />Kolinda Grabar-Kitarović, ehemalige kroatische Präsidentin</p></blockquote><p>Kroatien, ein Staat, der gemeinsam mit Slowenien am 25. Juni 1991 seine Unabhängigkeit vom jugoslawischen Bundesstaat erklärte und damit einer der Akteure der schwersten Kriege in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg wurde, ist seit 2013 Mitglied der Europäischen Union, die vor allem als Friedens- und Wirtschaftsgemeinschaft gegründet wurde. </p><p>Doch viele Stimmen äußern sich kritisch gegenüber dem Beitritt des Staates und sind der Meinung, dass Kroatien besonders im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontext noch nicht bereit dazu wäre, Mitglied der Gemeinschaft zu sein.</p><p>Die Europäische Kommission sieht das allerdings anders und ist der Meinung, dass die kroatische Politik große Fortschritte macht. Sie äußert sich bereits zuversichtlich über den kommenden Beitritt in den Schengen-Raum, der Bürger*innen der EU die Freiheit gibt, ohne ein Visum in viele Länder der Welt reisen zu dürfen. Doch an den kroatischen Grenzen gibt es Berichten zufolge immer wieder Fälle von Gewalt und Rechtswidrigkeiten von Seiten der Polizei gegenüber Asylsuchenden. Die ehemalige kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović äußert sich in einem Interview mit dem oben aufgeführten Zitat zu den Menschenrechtsverletzungen.</p><p>Wenn die kroatische Wirtschaft betrachtet wird, können einige Problematiken beobachtet werden, vor denen kroatische Politiker*innen stehen, wie beispielsweise die Arbeitsmigration von kroatischen Jugendlichen aufgrund von Umständen wie niedrigen Löhnen.</p><p>Der folgende Beitrag soll auf diese und weitere Aspekte der kroatischen Politik näher eingehen und damit eine Bilanz nach 8 Jahren EU-Mitgliedschaft Kroatiens ziehen. Wie kam es zum Beitritt Kroatiens in die EU und welche Kriterien mussten erfüllt werden? Vor welchen Hindernissen steht der Staat und wie geht die Europäische Union mit diesen um? Diese Fragen sollen im Anschluss geklärt werden, bevor die Frage gestellt werden kann: Ist Kroatien überhaupt bereit für die Europäische Union?<span></span></p><a name='more'></a><p></p><p><b>EU-Beitritt</b></p><p>2003 ging das Beitrittsgesuch Kroatiens nach Brüssel und 10 Jahre später wurde das Land schließlich Mitglied der Europäischen Union. 2011 unterschrieb die Regierungschefin Jadranka Kosor den Beitrittsvertrag und legte damit den Grundstein für den 2013 in Kraft getretenen Beitritt des Landes in die Europäische Union. In diesem langen Prozess kam es zu einigen Hindernissen, die die Beitrittsverhandlungen herauszögerten und nach wie vor die Problematiken innerhalb des Landes widerspiegeln. (vgl. BPB 2013)</p><p>Die Bevölkerung Kroatiens wurde erst nach dem unterschriebenen Beitrittsvertrag zu der Thematik befragt. Dabei stimmten 67% für einen Beitritt in die Europäische Union. Die Wahlbeteiligung fiel allerdings sehr gering aus, was unter anderem daran liegen könnte, dass die Abstimmung nur sechs Wochen zuvor angekündigt wurde. (vgl. ebd)</p><p>Der 2011 unterschriebene Beitrittsvertrag war mit einigen Bedingungen verbunden, die bis zum letztendlichen Beitritt im Jahr 2013 erfüllt werden sollten. Hierbei ging es darum, grundlegende Defizite innerhalb des Landes zu beseitigen. Beispielsweise musste der Justizapparat gestärkt werden. Außerdem sollte stärker gegen Korruption vorgegangen sowie eine effizientere Verwaltung gewährleistet werden. Der letzte Punkt umfasst die Privatisierung der Staatsbetriebe. (vgl. ebd)</p><p>Im Großen und Ganzen möchte die Europäische Union durch die Eingliederung Kroatiens den Übergang zu Marktwirtschaft und Demokratie vorantreiben. Denn Kroatien war Teil des blockfreien, sozialistischen Jugoslawiens mit all den Folgewirkungen (vgl. Kušić 2013).</p><p><b>Kopenhagener Kriterien</b></p><p>Auf dem EU-Gipfel in Kopenhagen wurden im Jahr 1993 Kriterien aufgestellt, anhand derer geprüft wird, ob ein Land dazu bereit ist, in die Europäische Union aufgenommen zu werden. Zusammengefasst sind das folgende Faktoren:</p><ul style="text-align: left;"><li>Die Gesamtlage innerhalb des Landes muss stabil sein. Das heißt, politische Institutionen, der Rechtsstaat und die Demokratie muss gesichert sein. Außerdem müssen Menschen- und Minderheitsrechte gewahrt werden. (vgl. Grosse-Hüttmann 2004, S. 7)</li><li>Zudem muss eine funktionierende Marktwirtschaft vorhanden sein, die auf Wettbewerb und Privateigentum beruht. Dadurch sollen die Staaten in der Lage sein, dem Konkurrenzdruck im Binnenmarkt standhalten zu können. (vgl. ebd., S. 7)</li><li>Der Aquis Communautaire, also alle Verträge der Europäischen Gemeinschaft sowie alle europäischen Gesetze, müssen in nationales Recht übernommen werden. Alle Pflichten und Regeln müssen von dem jeweiligen Staat akzeptiert und eingehalten werden. (vgl. ebd., S. 7 f.)</li><li>Der Staat muss mit den weitreichenden Zielen der EU sowie der Währungs- und Wirtschaftsunion einverstanden sein, wie sie im Vertrag von Maastricht estgelegt wurden. Dadurch soll verhindert werden, dass neue Mitglieder einen anderen Weg einschlagen als die Europäische Union. (vgl. ebd., S. 8)</li></ul><p>Da Kroatien nun seit 8 Jahren Mitglied der Europäischen Union ist, scheinen diese Kriterien aus Sicht der Institutionen der Europäischen Union erfüllt zu sein. Dennoch musste der Staat zunächst an einigen Stellen arbeiten, um dieses Ziel erreichen zu können.</p><p><b>Flüchtlingsrückkehr und Kriegsverbrecherprozesse</b></p><p>Eine wichtige Bedingung, die im Jahr 2005 gestellt wurde und ein großes Hindernis für den Beitritt darstellte, war der Umgang mit kroatischen Kriegsverbrechern, die in den Unabhängigkeitskriegen Verbrechen begangen haben und zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausreichend sanktioniert wurden. Die Europäische Union forderte volle Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof. Vor allem ging es dabei um die Auslieferung von Ante Gotovina, der in der kroatischen Offensive Operation „Oluja“ Kriegsverbrechen begangen hat. (vgl. Kušić 2021)</p><p>Gerade wenn es um die Ahndung von Kriegsverbrechern sowie um die Flüchtlingspolitik geht, kann bisher nur ein eher mäßiger Erfolg verzeichnet werden. Die Problematik kann darauf zurückgeführt werden, dass die Staatswerdung Kroatiens mit kriegerischen Auseinandersetzungen erfolgt ist, so dass sich nationalistische Strukturen innerhalb der Gesellschaft und der Politik verfestigt haben. (vgl. Richter 2009, S. 7) Trotz alledem gilt Kroatien als eines der stabilsten Länder auf dem Balkan, der sich derzeit innerhalb eines Prozesses der Wechselwirkung zwischen innenpolitischer Demokratisierung und Stabilisierung befindet. (vgl. Richter 2009, S. 19)</p><p>Die Premierminister Ivica Račan (2000-2003) und Ivo Sanader (2003-2009) haben versucht, die Wünsche der Europäischen Union im Bereich Flüchtlingsrückkehrer und Kriegsverbrechen umzusetzen. Dabei ging es hauptsächlich um Aspekte wie den Koalitionsfrieden, einen parteiübergreifenden Konsens zugunsten der Union, Stabilisierung und Konsolidierung. Der Preis waren allerdings Reformdefizite im Justizsektor, die die EU ebenfalls zuvor bemängelte.</p><p>Durch blockierte Anträge, nicht veröffentlichte Fristen oder nicht ausgeführte richterliche Anweisungen kam es schließlich zu Defiziten im Bereich der Rückkehrpolitik und Kriegsverbrechen. Diese Politik führte zwar zu mehr Stabilität und Kontinuität des innenpolitischen Reformprozesses, jedoch wurden die Kopenhagener Kriterien vernachlässigt, so dass sich Defizite im Justiz- und Verwaltungsprozess verfestigen konnten. (vgl. Richter 2009, S. 19)</p><p>Die von der Europäischen Union anerkannte Genfer Flüchtlingskonvention soll Flüchtlingen auf der ganzen Welt Schutz bieten. Doch oftmals sieht die Realität, auch innerhalb der EU anders aus. Vor allem an der kroatischen Grenze zu Bosnien und Herzegowina berichten Menschen davon, über die grüne Grenze zurückgeschickt zu werden. Ihnen zufolge haben sie keinen Zugang zu Asyl und erfahren oftmals exzessive Gewalt von Seiten der kroatischen Polizei. (vgl. Strippel 2021)</p><p>Dieses Phänomen wird auch Push-Back genannt und bedeutet, dass Menschen, die auf Asyl in Kroatien hoffen, wieder nach Bosnien und Herzegowina abgeschoben werden, wo sie ebenfalls nicht empfangen werden. Diese Verfahren sollten im Normalfall zur Kenntnis genommen und geprüft werden, doch die kroatische Regierung dementiert das Vorgehen der Polizei. Es wird lediglich betont, dass die kroatischen Außengrenzen geschützt werden.</p><p>Dadurch, dass es keine Einigkeit über diese Vorfälle gibt, werden diese von der Europäischen Union nicht sanktioniert beziehungsweise zur Kenntnis genommen, obwohl es sich hierbei um die Verletzung von Menschenrechten und Missachtung der Genfer Flüchtlingskonvention handeln würde. (vgl. Strippel 2021) Einen interessanten Podcast zu dieser Thematik wurde vom Bayerischen Rundfunk veröffentlicht, dieser ist unter diesem Link zu finden.</p><p><b>Kroatien und der Schengenraum</b></p><p>Länder, die Teil des Schengen-Raums der EU sein wollen, müssen sich einer Vielzahl von Evaluierungen unterziehen, die prüfen, ob alle für den Schengen-Raum erforderlichen Vorschriften erfüllt worden sind. Die Evaluierungen bewerten, ob das jeweilige Land in der Lage ist, Verantwortung für die Außengrenzen im Namen der anderen Mitglieder des Raumes zu übernehmen. (vgl. Europäische Kommission 2019)</p><p>2016 wurde der Schengen-Evaluierungsprozess eingeleitet, der bewerten soll, ob Kroatien die Schengen-Vorschriften und Normen erfüllt. Die Europäische Kommission ist dabei der Auffassung, dass Kroatien Fortschritte bei der Erfüllung der Voraussetzungen gemacht hat, weiterhin aber an deren Erfüllung, insbesondere am Management der Außengrenzen, arbeiten muss. (vgl. ebd.) Der Kommissar Dimitris Avramopoulos, welcher für Migration, Bürgerschaft und Inneres zuständig ist, äußert sich im folgenden Zitat über den voraussichtlichen Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum:</p><blockquote><p>„Schengen ist eine der größten und greifbarsten Errungenschaften der europäischen Integration. Seine Stärke hängt jedoch von seiner Aufnahmebereitschaft ab. Kroatien hat nun die Maßnahmen zur Erfüllung der notwendigen Bedingungen ergriffen, und wir müssen dies anerkennen. Als vollwertiges Schengen-Mitglied wird das Land zu einer weiteren Stärkung des Schengen-Raums beitragen und dafür sorgen, dass die EU-Außengrenzen besser geschützt werden.“ (Dimitris Avramopoulos, Europäische Kommission 2019)</p></blockquote><p>Das gesamte Statement der Europäischen Kommission zu dieser Thematik wurde auf deren Internetseite veröffentlicht.</p><p><b>Wirtschaftliche Maßnahmen im EU-Kontext</b></p><p>Nach Weidenfeld und Wessels (2002) hat die Europäische Union zusammengefasst drei grundlegende Ziele, wenn es um die Struktur ihrer Mitgliedstaaten und vor allem um Regionen mit Entwicklungsrückstand geht. Zum einen sollen diese Regionen und Länder besonders gefördert werden. Nach Auffassung der Europäischen Union besteht dann ein Rückstand, wenn sich das BIP je Bürger*in auf weniger als 75% des EU-Durchschnitts beläuft. Dieses Ziel gilt als Priorität, weshalb mehr als zwei Drittel der Strukturfonds zur Beseitigung dieser Rückstände verwendet werden. (vgl. Weidenfeld/Wessels 2002)</p><p>Als zweites Ziel gilt die soziale und wirtschaftliche Umstellung von Gebieten, deren Entwicklungsniveau über dem Durchschnitt liegt. Dennoch weisen diese Gebiete Strukturprobleme, wie beispielsweise Deindustrialisierung, eine hohe Arbeitslosenquote, Bevölkerungsrückgang oder Krisensituationen auf, die mit Hilfe der Mittel der Europäischen Union aufgefangen werden sollen. Das dritte Ziel ist die Anpassung und Modernisierung von Ländern und Regionen. (vgl. ebd.)</p><p>Das EU-Förderprogramm für den Staat Kroatien beinhaltet 10,74 Milliarden Euro und soll die kroatische Wirtschaft unterstützen. Dabei gehen 40% in Fonds für regionale Entwicklung, 24% in Kohäsionsfonds, 19% in Landwirtschaftsfonds, 14% in Sozialfonds und der Rest in Meeres- und Fischereifonds sowie in eine Jugendbeschäftigungsinitiative. (vgl. Holzner/Vidovic 2018, S. 10)</p><p>Ziel der Unterstützung ist es vor allem, die wirtschaftliche Entwicklung Kroatiens voranzutreiben, die Armut innerhalb der Gesellschaft zu bekämpfen und den Arbeitsmarkt zu verbessern. Die Inanspruchnahme ist im Vergleich zu anderen EU-Ländern allerdings gering, nimmt aber immer weiter zu. Das langsame Vorgehen könnte damit zusammenhängen, dass die Entwicklungsfähigkeit des Landes derzeit noch nicht so weit ausgeprägt ist, dass die Fonds angemessen verwaltet werden können. (vgl. ebd., S. 25)</p><p>Ein wichtiges Infrastrukturprojekt, das sich derzeit in Baumaßnahmen befindet und von der kroatischen Regierung mithilfe der EU-Fonds gestartet wurde, ist der Bau der Pelješac-Brücke, welche das Festland mit der vorgelagerten Halbinsel verbinden soll. 357 Millionen von 550 Millionen Kosten werden von der EU getragen. Allerdings erhielt der chinesische Staatskonzern Communications Construction Company den Zuschlag für den Bau, was vielerorts für Erstaunen sorgte. (vgl. Mihm 2021)</p><p>Weitere Ziele, die die EU-Mitgliedschaft mit sich bringen soll, sind die Ansiedlung einer EU-Einrichtung, die Einführung der goldenen Investitionsregel sowie vor allem der Eintritt in den Schengenraum. (vgl. Holzner, Vidovic 2018)</p><p><b>Einfluss des Brexit</b></p><p>Das Vereinigte Königreich selbst führte den Euro als Währung nicht ein und trotzdem hat der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union einen großen Einfluss auf die Währungsintegration und somit auch auf die Währungspolitik Kroatiens und das Verhältnis zur Europäischen Union.</p><p>Bei den acht Mitgliedsstaaten, die den Euro noch nicht eingeführt haben, den so genannten „Euro-Outs“, kann zunehmend die Befürchtung beobachtet werden, dass ihr Einfluss auf den Willensbildungsprozess innerhalb der Union verringert wird. Als Folge dieser Sorge hat sich eine Art Koalition von Staaten entwickelt, die die Interessen einiger Mitglieder vereint. Der Brexit kann also als Auslöser für eine neue Dynamik und Treiber für die Ausdehnung der Eurozone gesehen werden. (vgl. Tokarski; Funk 2018, S. 1)</p><p>Kroatien gehört zu der Gruppe der „Euro-Outs“. Sie sind eine heterogene Gruppe von Staaten, die verschiedenen Wirtschaftsmodellen folgen und sich in unterschiedlichen Stadien ihrer Entwicklung befinden. Rumänien und Kroatien sind darunter die Staaten, die ein Wechselkursregime mit kontrolliertem, variablem Wechselkurs unterhalten. Die Problematik hinsichtlich der ungleichen ökonomischen Bedingungen ist, dass diese die Kooperation zwischen den Mitgliedsstaaten erschweren. Allerdings gilt Kroatien als Spezialfall, denn auch wenn der Euro als Währung noch nicht eingeführt wurde, ist die Wirtschaft weitgehend „euroisiert“, da 67% der Verbindlichkeiten und 75% der Anlagen auf dem Euro basieren. (vgl. ebd., S. 1 f.) Die Einführung der europäischen Währung ist also nur eine Frage der Zeit und eine Frage des politischen Fortschritts.</p><p><b>Arbeitsmarkt</b></p><p>Aufgrund der Überbewertung des realen Wechselkurses befand sich die Wirtschaft Kroatiens zwischen 2009 und 2014 in einer tiefen Rezession, was dazu führte, dass die Beschäftigungszahlen sanken und das BIP um fast 13% einbrach. Seit dieser Zeit sinken die Zahlen der Arbeitslosen, somit erreichte die Arbeitslosenquote innerhalb des Landes im Mai 2017 den niedrigsten Wert mit 11,7%. (vgl. Holzner, Vidovic 2018, S. 2 f.)</p><p>Bis heute ist der kroatische Arbeitsmarkt gekennzeichnet durch geringe Erwerbstätigkeit und niedrige Beschäftigung, was ein massives Problem darstellt. Die Beschäftigtenrate ist niedriger als der EU-Durchschnitt. Neben Italien und Rumänien hat Kroatien den höchsten Anteil an inaktiven Bürger*innen innerhalb der Europäischen Union. (vgl. ebd., S. 4 f.)</p><p>Besonders Jugendliche und Kroat*innen mit primären Ausbildungen sind von Arbeitslosigkeit betroffen. Personen mit Sekundärbildung können die geringste Arbeitslosigkeit aufweisen. Trotzdem wird oft der Mangel an Arbeitskräften vor allem in touristischen Gebieten bemängelt. (vgl. ebd., S. 5 f.)</p><p>Zur Lösung dieser Problematik fordern Gewerkschaften höhere Löhne für Arbeiter*innen. Einige Vertreter*innen von Unternehmen fordern allerdings die Erhöhung der Quoten für Arbeitsplätze aus dem Ausland. (vgl. ebd., S. 6)</p><p><b>Arbeitsmigration</b></p><p>Bereits seit den 60er Jahren, in denen viele Gastarbeiter*innen vom Balkan in Länder wie Deutschland und Österreich immigrierten, um ihre Familien zu ernähren, spielt die Thematik Arbeitsmigration in Kroatien eine wichtige Rolle. Bis heute nutzen viele Kroat*innen die besseren Arbeitsumstände und Löhne in Ländern wie Deutschland, um ihren Familien ein besseres Leben ermöglichen zu können.</p><p>Seit dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union sind die Zahlen der Migrant*innen aus Kroatien um 38% gestiegen. Insbesondere war hierfür die Öffnung des kroatischen Arbeitsmarktes verantwortlich, der es kroatischen Staatsbürger*innen ermöglichte, in anderen Mitgliedsländern der Europäischen Union ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Mehrheit der Kroat*innen ist im Alter zwischen 25 und 54 Jahren und findet Beschäftigung in der Industrie sowie in der Bauwirtschaft. (vgl. Holzer, Vidovic 2018)</p><p>Aufgrund von Faktoren wie der unterdurchschnittlichen Entlohnung hat Kroatien der Auswanderung dieser Bürger*innen wenig entgegenzusetzen. Dem Regierungsprogram 2016-2020 ist lediglich ein vages Statement zu der Auswanderung kroatischer Jugendliche und junger Erwachsenen zu entnehmen. Das Ziel ist es, mehr Arbeitsplätze zu schaffen und dadurch junge Leute dazu zu bewegen, in Kroatien zu bleiben. (vgl. ebd., S. 9)</p><p><b>Euroskeptizismus</b></p><p>Seit einiger Zeit befindet sich die gesamte Europäische Union in einer Krise, die mehrere Teilkrisen umfasst und deshalb auch Polykrise genannt wird. Dazu zählt unter anderem auch der Euroskeptizismus, der in allen Mitgliedsländern zunehmend wahrzunehmen ist. Dieser kann mit einzelnen Politiken oder dem Erhalt von Souveränitätsrechten begründet werden. (vgl. Weiss, S. 14)</p><p>Auch wenn der Euroskeptizismus mittlerweile weit verbreitet ist, gibt es zwischen den Mitgliedsstaaten Unterschiede in der Ausprägung. Besonders neue Mitgliedstaaten, wie auch Kroatien, empfinden die Thematik des Kompetenz- und Souveränitätstransfers an die Europäische Union problematisch. Dieser Machtverlust wird als sensibel, historisch abrufbar aber auch politisch instrumentalisierbar wahrgenommen. (vgl. ebd., S. 14)</p><p><b>Legitimitäskrise</b></p><p>Die Europäische Union leidet also derzeit unter einem Stimmungstief, das mehrere Ursachen hat. Vor allem aber hagelt es immer mehr Kritik zum Thema Demokratiedefizit, Handlungsunfähigkeit und mangelnder Bürgernähe. Viele Bürger*innen begegnen der EU misstrauisch, da sie für sie sehr intransparent und wenig demokratisch erscheint. (vgl. Höreth 2004, S. 41)</p><p>Aufgrund dessen machte es sich die EU bereits im Jahr 2002 zum Ziel, verfassungsmäßige und institutionelle Voraussetzungen zu schaffen, die demokratische Grundsätze innerhalb der erweiterten EU sowie die Steuerungsfähigkeit nach innen und die Handlungsfähigkeit nach außen ermöglichen sollen. Dieses ambitionierte Ziel konnte allerdings bislang nicht erreicht werden, da einzelne Mitgliedsstaaten auf die Gewichtung ihrer Stimmen im Ministerrat nicht verzichten wollten. (vgl. ebd., S. 41) Nach Höreth (2004) basiert das Demokratiedefizit nicht nur auf technische Probleme des Politikmanagements, sondern auf grundlegende Legitimitätsprobleme, die die Anerkennungswürdigkeit der EU in Frage stellen.</p><p><b>Fazit</b></p><p>Wie auch die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat Kroatien mit den Hindernissen der Polykrise zu kämpfen. Doch die Gesamtsituation des Staates zeigt, dass das Land sich vor allem mit Themen wie dem Umgang mit Flüchtlingen im Rückstand befindet, was damit zusammenhängen könnte, dass sich politische, soziale und ideologische Strukturen, die sich im Laufe der Geschichte, aber vor allem während der Unabhängigkeitskriege gebildet haben, verfestigt haben.</p><p>Die geringe Wahlbeteiligung und die 67%ige Zustimmung zum Beitritt in die Europäische Union lässt relativ offen, wie die kroatische Gesellschaft zu der Europäischen Union steht. Zunächst konnte allerdings das Gefühl geweckt werden, dass eine gewisse EU-Euphorie in der Gesellschaft Kroatien zu beobachten war. Nun aber äußern sich, wie in der gesamten Europäischen Union erkennbar, immer mehr Menschen skeptisch gegenüber der EU. Es erscheint immer noch so, als ob die Gesellschaft den Entscheidungsprozessen der Europäischen Union nur schwer folgen kann und sie sich damit unsicher fühlen.</p><p>Die kroatische Regierung hat einige Maßnahmen getroffen, um den EU-Beitritt des Staates zu ermöglichen. Trotzdem gibt es Kritiker*innen, die der Meinung sind, die EU habe es Kroatien zu einfach gemacht. Nach ihr wurden die Kopenhagener Kriterien erfüllt, sonst hätte das Land nicht zu einem offiziellen Mitglied der Europäischen Union werden können.</p><p>Doch ein genauerer Blick in die Strukturen des Staates und vor allem auf die Grenze zu Bosnien und Herzegowina zeigen: das Land muss weiterhin an sich arbeiten, um den Kriterien gerecht werden zu können. Die Europäische Union darf die Augen nicht verschließen, wie es derzeit getan wird, indem zuversichtlich über den Beitritt in den Schengen-Raum diskutiert wird. Als Friedensgemeinschaft ist die Aufgabe der Europäischen Union, Menschenrechte zu wahren und dort genauer hinzuschauen, wo diese verletzt werden. Allerdings setzt der Beitritt Kroatiens in die Europäische Union gleichzeitig auch ein wichtiges Zeichen und bringt den Staat, als einer der stabilsten Länder auf dem Balkan, dazu, aktiv zu werden und als Vorbild für den restlichen Balkan zu fungieren.</p><p>Auch wenn der Beitritt kritisch hinterfragt werden kann, sollte also gesagt werden, dass der Staat durchaus Schritte macht, die ohne die Europäische Union wahrscheinlich nicht stattgefunden hätten. Kroatien profitiert sowohl wirtschaftlich, als auch gesellschaftlich von den Vorteilen der EU. Allerdings verlangsamen Defizite innerhalb der Politik, wie beispielsweise lange Verwaltungsverfahren die Fortschritte, so dass die Europäische Union zum einen Geduld zeigen, aber zum anderen die Problematiken innerhalb des Landes nicht ignorieren sollte.</p><p><b>Literaturverzeichnis</b></p><ul style="text-align: left;"><li>Bundeszentrale für politische Bildung (2013): 1. Juli: Kroatien tritt der EU bei. Online verfügbar unter https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/164274/1-juli-kroatien-tritt-der-eu-bei-28-06-2013, zuletzt geprüft am 14.09.2021.</li><li>Europäische Kommission (2019): Schengen-Beitritt: Kroatien vor dem Beitritt zum Schengen-Raum. Online verfügbar unter https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_19_6140, zuletzt geprüft am 30.09.2021.</li><li>Holzner, Mario (2018): Wirtschaftliche Perspektiven für Kroatien. wiiw Forschungsbericht. Wien: The Vienna Institute for International Economic Studies.</li><li>Horeth, Marcus (2004): Die erweiterte EU in der Legitimitätskrise. In: Der Bürger im Staat 54 (1), S. 41–48.</li><li>Kušić, Siniša (2021): Kroatiens Weg in die EU . Hg. v. Bundeszentrale für politische Bildung. Online verfügbar unter https://www.bpb.de/apuz/158164/kroatiens-weg-in-die-eu, zuletzt geprüft am 14.09.2021.</li><li>Mihm, Andreas (2021): Chinesen bauen Brücke in Kroatien, die EU zahlt. Hg. v. Frankfurter Allgemeine Zeitung. Online verfügbar unter https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/kroatien-china-baut-peljesac-bruecke-und-die-eu-zahlt-17461739.html, zuletzt geprüft am 30.09.2021.</li><li>Richter, Solveig (2009): Zielkonflikte der EU-Erweiterungspolitik? Kroatien und Makedonien zwischen Stabilität und Demokratie. Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik.</li><li>Schrooten, Mechthild (2004): Ökonomische Perspektiven der EU-Osterweiterung. In: Der Bürger im Staat 54 (1), S. 17–20.</li><li>Steindorf, Ludwig (2013): Ein kurzer Gang durch die Geschichte Kroatiens. Hg. v. Bundeszentrale für politische Bildung. Online verfügbar unter https://www.bpb.de/apuz/158166/ein-kurzer-gang-durch-die-geschichte, zuletzt geprüft am 30.09.2021.</li><li>Tokarski, P.; Funk, S. (2018): Die Nicht-Euro-Staaten in der EU nach dem Brexit. In: SWP-Aktuell (68), S. 1–8.</li><li>Weidenfeld, W.; Wessels, W. (2002): Jahrbuch der Europäischen Integration 2002/2003. Bonn: Europa Union Verlag.</li><li>Weiss, S. (2004): Die Erweiterung aus der Sicht der Beitrittskandidaten. In: Der Bürger im Staat 54 (1), S. 11–17.<br /></li></ul>Laura S.http://www.blogger.com/profile/13910270269685512927noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-83212811657943408742021-08-02T12:21:00.004+02:002021-08-02T12:21:38.239+02:00Podcast zur EU: Bürokratie, Regulierung, Demokratie<p>SWR2 Wissen hat vor wenigen Tagen als dritte Folge in der Reihe "Deutschland, deine Regeln" einen ausgewogenen Beitrag zur EU veröffentlicht, der die knapp 30 min unbedingt wert ist: <a href="https://www.swr.de/swr2/wissen/wie-viel-diktiert-bruessel-100.html" target="_blank">Wie viel diktiert Brüssel?</a> Auf der Website steht als Teaser:</p><blockquote><p>"Ob Glühbirnenverbot oder Datenschutzregeln: Brüssel gilt vielen als
Bürokratiemonster, das in alle Lebensbereiche hineinregiert. Was ist
dran an dieser Polemik?"</p></blockquote>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-37502186277029810012021-07-19T11:02:00.001+02:002021-07-19T11:02:21.914+02:00Demokratie und Krisenmanagement in der Finanz- und Schuldenkrise<p>In diesem Beitrag stellt <i>Yutian Leiyang </i>folgenden Aufsatz vor:<br /></p><p><i>Fischer, Thorben </i>(2017): <b>Die Demokratiedefizite des Krisenmanagements in der europäischen Finanz- und Schuldenkrise</b>; in: Zeitschrift für Politik 64, 4/2017, S. 411-436, online unter: <a href="https://www.jstor.org/stable/26429621" target="_blank">https://www.jstor.org/stable/26429621</a>.</p><p>Die europäische Finanz- und Schuldenkrise verursachte ein schweres Legitimität- und Demokratiedefizit. Kritisiert wird das europäische Krisenmanagement, welches sich um die Stabilisierung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) kümmert. Die Gründe, welche das Legitimität- und Demokratiedefizit der EU verstärken, sind vielfältig.<span></span></p><a name='more'></a><p></p><p>Manche beschuldigen den „Neuen Intergouvernementalismus“ mit dem Europäischen Rat als zentralem Akteur, andere den „Neuen Supranationalismus“ mit den supranationalen europäischen Organen wie der Europäischen Zentralbank (EZB). Ebenso werden ein „verschärfte[r] Exekutivföderalismus oder eine zu starke(…) Dominanz von technokratischen Akteure[n] (EZB, Europäische Kommission)“ in Erwägung gezogen (S. 411).</p><p>Auf europäischer Ebene kann eine demokratische, legitime Politik nur bestehen, wenn diese mit ausreichenden Beteiligungs- und Kontrollmechanismen seitens der Bevölkerung versehen wird. Ebenso sollten die Wähler*innen repräsentiert werden.</p><p>Im ersten Abschnitt beleuchtet Fischer die Struktur und Maßnahmen des europäischen Finanz- und Krisenmanagements zwischen aktiv und inaktiv sowie die Regierungsdimensionen Intergouvernementalismus und Supranationalismus. Des Weiteren werden die Machtbefugnisse der Institutionen hinsichtlich der Finanz- und Schuldenkrise analysiert. Im letzten Abschnitt werden Vorschläge diskutiert, welche die demokratische Legitimität bezüglich der WWU verbessern können.</p><p><i>Systematisierung des Krisenmanagements in der europäischen Finanz- und Schuldenkrise</i></p><p>Um den Supergau zu verhindern und die WWU zu schützen, wurden eine Vielzahl an Maßnahmen auf europäischer Ebene beschlossen und umgesetzt (S. 413ff):</p><ul style="text-align: left;"><li>Das Rechtspaket Sixpack beinhaltet eine Neuausrichtung der Zielwerte bzgl. der Schuldenrückführung. Der Zielwert richtet sich nach der Schuldenbegrenzung von 60% des BIP eines EU-Mitgliedslandes. Ein weiteres Ziel ist die Herstellung eines ausgeglichenen Haushaltes innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens und schließlich wurde auch ein Sanktionsverfahren eingeführt, sollten diese gesetzten Ziele nicht eingehalten werden. Ebenso wurde eine Instanz auf europäischer Ebene eingesetzt, welche zur Überwachung und Kontrolle dient.</li><li>Der Fiskalvertrag verpflichtet die teilnehmenden Mitgliedsstaaten, die oben genannten Regeln in nationales Recht umzusetzen.</li><li>Der Twopack knüpft am Sixpack an und beinhaltet die Haushaltsüberwachung und die wirtschaftliche Steuerung.</li><li>Das Europäische Semester ist ein sechsmonatiger Prozess, welcher die Wirtschafts- und Haushaltspolitik überwacht. Das Verfahren des Europäischen Semesters erlaubt ein frühzeitiges und präventives Eingreifen, sollten Unstimmigkeiten in nationalen Haushaltsplänen entstehen, bevor sie vom nationalen Parlament der EU-Mitgliedsstaaten verabschiedet werden.</li><li>Der Euro-Plus-Pakt ist eine freiwillige Vereinbarung zur wirtschaftlichen Koordinierung zwischen den Staaten der Eurozone und anderen EU-Mitgliedsstaaten. Sie hat das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit sowie eine langfristige Beständigkeit der öffentlichen Finanzen aufrechtzuerhalten.</li><li>Die Europäische Bankenunion ist eine europäische überstaatliche, zentrale Bankenaufsicht. Sie beruht auf drei Säulen. Die erste Säule entspricht einer gemeinsamen Bankenaufsicht in der Eurozone, die zur Stabilität des Finanzsystems in der Union sorgen soll. Die zweite Säule verhindert, dass die Gemeinschaft der Steuerzahler für den Schaden der Banken aufkommen soll, wenn diese bankrott geht.</li><li>Geldpolitische Maßnahmen sollen den reibungslosen Ablauf der Ankaufprogramme von Staatsanleihen im Euroraum sicherstellen und die Funktionsfähigkeit des Europäischen Finanzsystems gewährleisten.</li><li>Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) soll für finanzielle Stabilität in der gesamten Euro-Währungsunion sorgen und ist ein Teil des Euro-Rettungsschirms. Sie wurde durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ersetzt und kümmert sich um überschuldete Mitgliedsstaaten der Eurozone mittels Kredite und Bürgschaften.</li></ul><p>Diese Maßnahmen können nach drei Kriterien gegliedert werden, welche zur Analyse der demokratischen Legitimitätsdefizite genutzt werden. Das erste Kriterium befasst sich mit der Zuordnung dieser Maßnahme zu bestimmten Politikbereichen. Sixpack, Twopack und Fiskalvertrag dienen der Überwachung der nationalstaatlichen Finanz- und Haushaltspolitik. Das Europäisches Semester und der Euro-Plus-Pakt stärkt die wirtschaftspolitische Steuerung auf europäischer Ebene. Die Europäische Bankenunion ist Teil des neuen Banken- und Finanzmarktregulierungssystems. Das ESM dient der Vergabe von Finanzhilfen.</p><p>Das zweite Kriterium kategorisiert „[…] die Maßnahmen nach ihrer Funktion bei der Krisenbewältigung“ (S. 415) und differenziert zwischen aktivem und reaktivem Krisenmanagement. Aktives Krisenmanagement bedeutet die präventive Arbeit und reaktives die Bearbeitung und Lösung von aktuellen Krisen.</p><p>Das dritte Kriterium beschäftigt sich mit den „Governance-Dimension[en] der Maßnahmen“ (S. 416), d.h. ob eine Maßnahme intergouvernemental oder supranational ist. Des Weiteren wird zwischen Politikformulierung und Politikumsetzung unterschieden. Bei ersterem gilt die Möglichkeit, das Europäische Parlament in die Gesetzgebung mit einzubeziehen. Letzteres bezieht sich auf die Steuerungs- und Entscheidungskompetenzen.</p><p>Hierbei kann unterschieden werden, ob die Umsetzung von Maßnahmen auf zwischenstaatliche Kooperationen (bspw. Europäischer Rat) basiert, ein supranationales Organ dafür zuständig ist ,wie die EZB, oder die Umsetzung durch eine Kombination von intergouvernementaler und supranationaler Governance erfolgt.</p><p><i>Legitimitätsdefitizie des europäischen Krisenmanagements</i></p><p>Hierbei wird unterschieden zwischen zwei Positionen. Bei der ersten Position legitimiert sich die EU als zwischenstaatliches Regulierungsregime durch die vielen „checks and balances“ im Entscheidungsprozess. Bei der zweiten Position wird die EU als Mehrebenensystem gesehen, sie verfügt jedoch über keine legitime Herrschaftsausübung mittels gesellschaftlicher (bspw. europäischer <i>demos</i>, europaweite politische Debatten) oder institutioneller Voraussetzungen wie europäischer Parteien. Fischer nennt drei demokratische Legitimitätsdefizite, welche seit der europäischen Finanz- und Schuldenkrise diskutiert wurden. Diese sind:</p><ul style="text-align: left;"><li>„Exekutivdominanz bei der Formulierung und der Aufbau intergouvernementaler Parallelstrukturen“(S. 422). Die Gesetzgebung der EU setzt sich aus einer mittelbaren (Rat) und einer unmittelbaren Institution (bspw. Europäisches Parlament) als Legitimationsquelle zusammen. Ebenso besitzt die EU-Kommission das Initiativrecht. Eine immer größer werdende Exekutivdominanz schmälert eine gemeinschaftliche Beschlussfassung. So werden die politischen Entscheidungen immer mehr in „geheimen Sitzungen und Verhandlungen der Regierungen“ (S. 422) getroffen.</li><li>„Schwächung der parlamentarischen Entscheidung und Kontrollrechte bei der Politikumsetzung“ (S. 422). Die WWU beruht auf zwei Säulen. Zum einen die supranationale währungspolitische Säule. Um die Wirksamkeit dieser „[...] neuen Economic Governance zu erhöhen, wurden auf Kosten der parlamentarischen Entscheidungs- und Kontrollrechte exekutive und technokratische Politikmuster gestärkt“ (S. 423). Somit kann die EU-Kommission im Rahmen der haushalts- und wirtschaftspolitischen Überwachungs- und Regelungsverfahren der nationalen Haushaltsplanung über die Schulter schauen. Werden Unstimmigkeiten sichtbar, so kann die EU-Kommission den jeweiligen Staat auffordern, einen überarbeiteten Haushaltsentwurf vorlegen. Desweitern senkt der Fiskalvertrag die Hürden für Sanktionen, sollten Haushaltspläne nicht eingehalten werden und beschneidet letztlich den Handlungsspielraum der nationalen Parlamente.</li><li>„Überdehnung der primärrechtlichen Kompetenzen und Delegation politischer Aufgaben an nichtmehrheitsgebundene Akteure“ (S. 425). Jede Kompetenzerweiterung der EU braucht eine primärrechtliche Grundlage. Jedoch besitzen die europäischen Organe „keine Kompetenz-Kompetenzen“. Somit können sie ihren Handlungsbereich nicht beliebig erweitern. Dies gilt ebenso für die Troika. Sie ist eine Zusammensetzung aus der EU-Kommission, IWF und EZB und besitzt keine demokratische Legitimation (vgl. S. 425). Ihre Aufgabe besteht darin, mit den Mitgliedsländern der Eurozone über Kreditprogramme zu verhandeln und dient als Überwachungsinstanz des ESM. Darüber hinaus üben sie auch Einfluss auf die nationalen Finanzinstrumente wie Lohn-, Tarif- und Rentenpolitik aus.</li></ul><p><i>Lösungsvorschläge zur Steigerung der demokratischen Legitimität europäischer Governance</i></p><p>Es gilt nicht nur das Krisenmanagement zu verbessern, sondern auch dessen demokratische Legitimität sicherzustellen. Damit sollte auch das Vertrauen der europäischen Bürger*innen zurückgewonnen werden (vgl. S. 429). Hierzu schlägt Fischer vor: Erstens soll das Europäische Parlament in Form von Beteiligungs- und Entscheidungskompetenzen gestärkt werden. Dies allein reicht nicht aus, sondern die zwischenstaatlichen Verträge, wie der Fiskalvertrag oder ESM, sollen nicht nationale Gesetze und europäische Institutionen umgehen (vgl. S. 431).</p><p>Der zweite Punkt nach Fischer ist das stärkere Einbeziehen nationaler Parlamente in die europäischen Entscheidungen. Letztlich die Schaffung einer „echten“ Wirtschaftsregierung für die Eurozone mit einem eigenständigen „Eurozonenparlament“, einem EU-Finanzminister und eine „[...] stärkere Ausdifferenzierung der EU“ würde die WWU demokratisieren (S. 434). </p>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-15066173874702661802021-07-18T09:29:00.000+02:002021-07-18T09:29:00.620+02:00Frankreich und Deutschland in der "Flüchtlingskrise"<p>In diesem Beitrag stellt <i>Amineh Malek Merkoomyans </i>folgenden Aufsatz vor </p><p><i>Tardis, Mathieu </i>(2016): <b>Zwischen Abschottung und Ambitionen: Arbeiten Deutschland und Frankreich in der europäischen Flüchtlingskrise zusammen?</b>; DGAP-Analyse, 7, Berlin: Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V., online unter: <a href="https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-55923-0" target="_blank">https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-55923-0</a>.</p><blockquote><p>„Die Ankunft von einer Million Migranten an den Küsten des Kontinents hat Europa in nur einem Jahr tiefgreifend verändert. Während sich Deutschland für eine Aufnahme der Geflüchteten stark machte, steht Ungarn unter Regierungschef Viktor Orban exemplarisch für das Prinzip der Abschottung. Wo positioniert sich Frankreich zwischen diesen beiden Extremen?“ (S. 3)</p></blockquote><p>Mit diesen Worten beginnt der Autor seinen Aufsatz, der in folgende Abschnitte unterteilt ist:</p><ul style="text-align: left;"><li>Unerfülltes Versprechen eines „Europas des Asyls“</li><li>Deutschland und Frankreich in der Asylpolitik: Kooperation als Fassade</li><li>Asylrecht in Frankreich: Lösungsversuch einer Dauerkrise</li><li>Fazit: Das Ende des Mythos von Frankreich als Asylland?<span><a name='more'></a></span></li></ul><p>Der erste Teil des Textes widmet sich dem Versagen der europäischen Asylpolitik. In diesem Zusammenhang analysiert der Autor das Ungleichgewicht in der deutsch-französischen Zusammenarbeit im Politikfeld Asyl. Abschließend werden die Probleme, die die französischen Behörden mit der Aufnahme von Geflüchteten haben, näher beleuchtet. (S. 3)</p><p><i>Unerfülltes Versprechen eines „Europas des Asyls“</i></p><p>Einleitend verdeutlicht Tardis, dass die Flüchtlingskrise seinen Ursprung vor 2015 hatte und den unterschiedlichen nationalen Asylsystemen und der Schwierigkeit, eine gemeinsame Lösung für die Problematik zu finden, geschuldet sei. Auch die Konzentration von Asylanträgen auf wenige EU-Staaten ist nichts Neues. Im Jahr 2014 wurden 82,5% der Anträge auf internationalen Schutz in den fünf entscheidenden Aufnahmeländern (Deutschland, Schweden, Italien, Frankreich und Ungarn) gestellt (vgl. S. 3).</p><p>Grundsätzlich sind die nordischen und westeuropäischen Länder aufgrund bestehender Aufnahmetraditionen und besserer Integrationsaussichten für viele Flüchtlinge attraktiver als der Rest Europas. Im Gegensatz dazu ist das Asylsystem in Süd- und Osteuropa weniger gut entwickelt.</p><p>Auch die Zahl der 2014 anerkannten Anträge auf internationalen Schutz ist sehr unterschiedlich. Schweden hat 74 % der Antragsteller und Deutschland 42 % der Antragsteller anerkannt, in Frankreich ist diese Zahl auf 22 %, in Griechenland auf 14 % und in Ungarn auf 9 % gesunken (vgl. S. 3).</p><p>Der Autor geht hier darauf ein, dass die Europäische Union sich schon lange nicht mehr ernsthaft mit diesen Problemen beschäftigt hatte, da die Zahl der Asylbewerber relativ gering war. 2015 waren insgesamt 65,3 Millionen Menschen auf der Flucht. Auf der Flucht aus dem Land beantragten 3,2 Millionen Menschen Asyl (vgl. S. 4).</p><p>In diesem Zusammenhang kritisiert er, dass die europäischen Länder die Folgen der steigenden Zahl der Ankünfte falsch eingeschätzt hatten. Einerseits haben sie es versäumt, die wichtigsten Aufnahmeländer der Welt zu identifizieren (vgl. S. 4). 2005 haben sie regionale Schutzpläne in der Ukraine, Moldawien, Weißrussland und Tansania auf den Weg gebracht, um "die Einrichtung von Asylsystemen in Herkunfts- und Transitgebieten zu fördern." (S. 4)</p><p><i>Deutschland und Frankreich in der Asylpolitik: Kooperation als Fassade</i></p><p>Auf die Frage, wo Frankreich sich zwischen den beiden Extremen Deutschland und Ungarn positioniert, gibt Tardis eine klare Antwort:</p><blockquote><p>„Die französische Zurückhaltung gegenüber einer grundlegenden Reform der europäischen Asylpolitik bringt das deutsch-französische Tandem an seine Grenzen. Deutschland hingegen scheint in dieser Frage eine Führungsrolle in Europa anzustreben.“ (S. 6)</p></blockquote><p>Dies war jedoch nicht immer der Fall, denn in den letzten zehn Jahren hat Frankreich tendenziell Einwanderungs- und Asylfragen auf europäischer Ebene gefördert (vgl. S. 6). Während der Präsidentschaft von Nicolas Sarkozy war beispielsweise Einwanderung eines der Schlüsselthemen, doch nach den Wahlen 2012 verlor dieses Thema in der französischen Politik an Bedeutung (vgl. S. 6). Nach der Aufnahme von 20.000 syrischen Flüchtlingen im Rahmen des sogenannten humanitären Aufnahmeplans im Jahr 2013 wurde die Situation erneut zu einem neuen Thema. Deutschland forderte seine europäischen Partner auf, dies ebenfalls zu tun.</p><blockquote><p>„Doch auch das deutsche Engagement spiegelt stets interne politische und gesellschaftliche Herausforderungen. Auf beiden Seiten des Rheins bestimmen somit vor allem nationale Interessen die europäische Politik und entscheiden über die Bedeutung, die ihr beigemessen wird.“ (S. 6)</p></blockquote><p><i>Asylrecht in Frankreich: Lösungsversuch einer Dauerkrise</i></p><p>Die Zurückhaltung Frankreichs ist nach dem Verfasser vor allem darauf zurückzuführen, dass das Land in den Streitigkeiten um Flucht und Asyl keine politische Übereinstimmung erreicht hat (vgl. S. 7). Die Meinungen sind sehr unterschiedlich, und die Diskussion wird von Sicherheitsüberlegungen bestimmt. Der Handlungsspielraum der Regierung ist begrenzt – die Opposition lehnt eine offenere Flüchtlingspolitik fast einstimmig ab, „insbesondere Front National, der das Thema Einwanderung ins Zentrum seiner populistischen Programmatik stellt.“ (S. 6).</p><p>Das größte Manko des französischen Asylsystems sind jedoch die Aufnahmebedingungen. Aufgrund der langen Dauer des Asylverfahrens wurden in Jahr 2012 von freien 21.410 Plätzen nur 13.483 Neuankömmlinge in Einrichtungen aufgenommen (vgl. S. 7). Dennoch betont Tardis, dass die Regierung seit 2012 versucht, Lösungen in diesem Politikbereich zu finden. Die aktuelle Flüchtlingskrise in Europa kam laut dem Autor nur zu einer Zeit, in der die französische Regierung versucht, das französische Asylrecht zu reformieren (vgl. S. 6).</p><p><i>Fazit: Das Ende des Mythos von Frankreich als Asylland?</i></p><p>Abschließend geht der vorliegende Beitrag darauf ein, dass Frankreich und Deutschland ein hohes Maß an Überzeugungskraft brauchen, um gemeinsame Asylverfahren und ähnliche Asylrechte einzuleiten und die Anwendbarkeit der Freizügigkeit für Flüchtlinge zu verbessern (vgl. S. 9).</p><blockquote><p>„Die auch derzeit zu Tausenden über das Mittelmeer nach Europa fliehenden Personen stellen uns vor die Frage, wie wir mit dem im Jahr 1957 begonnenen Projekt Europa umgehen wollen. Und sie erinnern uns an dessen Fundament: Friede, Freiheit und die Achtung vor dem Einzelnen. Damit bieten sie uns nicht zuletzt den Schlüssel für eine Wiederbelebung des europäischen Projekts.“ (S. 9) </p></blockquote>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4614704051727588707.post-47242547118760393792021-07-15T09:37:00.000+02:002021-07-15T09:37:03.624+02:00EU, Polykrise und Zusammenhalt<p>In diesem Beitrag stellt <i>Burcin Ugur </i>folgenden Text vor: <br /></p><p><i>Müller-Brandeck-Bocquet, Gisela </i>(2016): <b>Was hält die Europäische Union zusammen?</b>; in: dies. u.a.: EU vor der Zerreißprobe – wie sieht die gemeinsame Zukunft aus?, Wirtschaftsdienst 96, S. 383–386, online unter: <a href="https://doi.org/10.1007/s10273-016-1988-y" target="_blank">https://doi.org/10.1007/s10273-016-1988-y</a>.</p><p>Der Text beschäftigt sich mit der Thematik, wie standfest die Europäische Union noch ist. Europa musste viele Krisen angehen. Manche davon konnte sie bewältigen, andere wiederum nicht. Die Flüchtlingspolitik, unzählige Rettungspakete, der Brexit und der Stimmgewinn von antieuropäischen Parteien erschweren die Integration, die einst ohne Widerspruch von den meisten Bürgerinnen und Bürger mitgetragen wurde. Die kritischen Stimmen werden immer lauter. Kritiker beharren darauf, dass sich die Europäische Union in einer tiefen Krise befindet. Die Gründungsmotive verflüchtigen sich und der Zusammenhalt innerhalb der Europäischen Union wird in Frage gestellt. Wie aber kann die Europäischen Union heute zusammengeführt werden (vgl. S. 383)?<span></span></p><a name='more'></a><p></p><blockquote><p>„Es zeigt sich derzeit schonungslos, wie brüchig und wenig belastbar die Fundamente des gemeinsamen Hauses Europa de facto sind, wie dünn und oberflächlich der Firnis der europäischen Einigung“ (S. 383). <br /></p></blockquote><p>Die Frage muss umformuliert werden. Es sollte nicht nach Punkten gesucht werden, die die Union zusammenhalten, sondern vielmehr müsste es darum gehen, welche Bedrohung den Zusammenhalt am meisten gefährdet (vgl. S. 384). Der Brexit ist eine dieser Bedrohungen. Das Argument, souveräner und autonomer zu werden, findet überwiegend in Krisenzeiten viele Anhänger (vgl. S. 384).</p><p>Auch die Flüchtlingskrise stellte eine Gefährdung für den Zusammenhalt der Europäischen Union dar. Der massive Zustrom im Sommer 2015 von schutzsuchenden Menschen verstärkte das Bild von Unfähigkeit und Überforderung der Gemeinschaft. Vorwiegend litt der Solidaritätsgedanke der Mitgliedstaaten an dieser Krise. Dabei macht genau diese Eigenschaft die Europäische Union attraktiv und beispielhaft. Die Mitgliedstaaten waren letzten Endes nicht in der Lage, ein tragfähiges und vernünftiges Migrationsregime aufzubauen (vgl. S. 384).</p><p>Die wahrscheinlich stärkste Bedrohung ist das Wiedererstarken von Nationalismus und Rechtsextremismus. <br /></p><blockquote><p>„Für den Zusammenhalt der EU unmittelbar entscheidend erweist sich aktuell der EU-weit beobachtbare Aufstieg nationalistischer, rechtsextremistischer, europafeindlicher Parteien. Dieser Trend ist seit Längerem wirksam. […] Seither und unter dem Druck der Polykrise scheint das Erstarken dieser Kräfte unaufhaltsam, und so feiern Nationalismus und Rechtsextremismus Erfolg auf Erfolg“ (S. 385). <br /></p></blockquote><p>Diese Entwicklung ist deshalb so verheerend, weil mit dem Rückzug ins Nationale die Krisen in einer globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts nicht bewältigt werden können. Vielfältige Konflikte wie Migration, Terrorismus, Klimapolitik können nur staatenübergreifend und mit Kooperation bewältigt werden (vgl. S. 386).</p><p>Unterm Strich sprechen all diese Baustellen Europas dieselbe Sprache. Es muss zum primären Ziel gemacht werden, die Aufgaben Europas weit über die Wirtschaftsinteressen zu legen und mit den veränderten politischen Strukturen unserer Zeit mitzuwachsen. Die Europäische Union muss handlungsfähiger werden und all die politisch-kulturellen Unterschiede innerhalb der Mitgliedstaaten nicht nur kontrollieren, sondern faktisch mitgestalten.</p>Ragnar Müllerhttp://www.blogger.com/profile/17647291539031720231noreply@blogger.com0