Mittwoch, 8. Mai 2019

Ursachen für den Demokratieabbau in Polen

Im Dezember 2017 wurde gegen Polen ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags eröffnet, welches dem Land sein Stimmrecht auf europäischer Ebene entziehen soll. Dieses in der Geschichte der Europäischen Union präzedenzlose Verfahren wurde aufgrund zahlreicher Maßnahmen in Polen aufgenommen, die gegen die fundamentalen Werte der Europäischen Union verstoßen: Die Justizreform Polens unter der regierenden Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (Prawo i Sparawiedliwość, PiS) soll die Gerichte vollkommen der Exekutive unterstellen und beschränkt damit die Gewaltenteilung. Auch finden die EU-kritischen Parolen der nationalpopulistischen Partei immer mehr Gehör.

Dabei war der Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 von viel Euphorie begleitet. Polen ist das sechstgrößte Land der EU, erhält die meisten Agrarsubventionen und ist größter Empfänger von EU-Geldern. Unweigerlich stellt man sich also die Frage, weshalb gerade in einem Land, welches so stark von der EU profitiert, die EU-Skepsis stetig wächst (vgl. Buras S. 34, vgl. Richter / vgl. hr-inforadio)?

Um diese Frage beantworten zu können, muss die jüngere Geschichte Polens betrachtet werden. So war das Jahr 1989 ein Jahr mit weitreichenden Folgen für die kommunistischen Ostblockstaaten - ein Schicksalsjahr, mit dem die jahrzehntelange Spaltung des Kontinents überwunden werden konnte. Der Zusammenbruch der Sowjetunion brachte den Satellitenstaaten, die wirtschaftlich und politisch am Ende waren, Freiheit, Wohlstand und Lebensqualität. Auch für Polen mündete das Ende der sowjetischen Dominanz in der großen Hoffnung auf die Europäische Union. Diese Hoffnung brachte allerdings auch ungeahnte Herausforderungen mit sich. Herausforderungen, die eine Erklärung für die heutigen Bestrebungen in Richtung Illiberalismus in Polen bieten (vgl. Geo Epoche Nr. 95, S. 7, 158).


Wirtschaftliche Herausforderungen

Im Jahr 1989 kam es zum großen Umbruch in Polen. Dabei hatte Polen nach der Überwindung des Kommunismus mit wirtschaftlichen Herausforderungen zu kämpfen. Denn nach 1989 konnten die staatlichen Institutionen des postkommunistischen Polens nicht rechtzeitig in Gänze aufgebaut werden, und so konnte das Land seine Unternehmen bei der Umwandlung zu globalen Akteuren nicht ausreichend stützen (vgl. Mazur, S. 30).

Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank, die Kredite an Länder mit Zahlungsschwierigkeiten und an Entwicklungsländer ausgaben, stellten für ihre Beistandskredite harte Bedingungen. Auch Polen konnte diese Kredite für sich nutzen, musste sich im Gegenzug allerdings den Stukturanpassungsprogrammen unterziehen. Diese beinhalteten die Bemühungen um Deregulierung und Liberalisierung und setzten eine strenge Austeriätspolitik, also eine strenge Sparpolitik voraus (vgl. Hein, Steiner / vgl. Mazur, S. 30).

Durch die Austeritätspolitik, die Liberalisierung der Finanzmärkte sowie die Einführung des Devisenhandels mit der Fixierung des Wechselkurses gegenüber dem Dollar konnte Polen die negativen Folgen der Transformation nicht ausgleichen. So stürzte der polnische Zloty ab und konnte sich später auf einem niedrigen Niveau stabilisieren.

Die Liberalisierung des Marktes führte zu ausländischen Investitionen in Polen und öffnete den Markt für Weltunternehmen (vgl. Pysz). Staatliche Unternehmen, die im Zuge der marktwirtschaftlichen Reformen privatisiert werden mussten, wurden von ausländischen Investoren aufgekauft oder gingen durch die politische Wende in den Besitz der (ehemals) kommunistischen Eliten über, denen das Eigentum aufgrund des Eigentumsrechts nicht mehr entzogen werden konnte (vgl. Mazur, S. 30).

Die ersten vier Jahre der Systemtransformation waren für die polnische Bevölkerung besonders dramatisch. Im Jahr 1990 betrug die Inflationsrate 600 % und spielte sich erst 1999 bei unter 10 % ein. Das bedeutete für die Bevölkerung, dass die Preise um das sechs- bis siebenfache anstiegen, während die Löhne um 24 % fielen. Auch die Renten mussten um 19 % gekürzt werden. Im Zeitraum von 1989 bis 1994 stieg der Anteil der Pol*innen, welche sich ihren Lebensunterhalt nicht leisten konnten, um mehr als das Doppelte an (vgl. Mazur, S. 30).

Die wirtschaftlichen Folgen zeigten sich vor allem auch im Bereich der Landwirtschaft. Vor 1989 lag der Beitrag der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt bei 12,9 % mit einer Beschäftigung von 26,7 % der Bevölkerung. 1997 lag der landwirtschaftliche Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt bei gerade noch 6 % (vgl.Wolz u.a., S. 25f.).

Polen fungierte unter der sowjetischen Abhängigkeit als Nettoexporteur von Lebensmitteln. Da seine ehemals sozialistischen Nachbarländer allerdings mit denselben Anpassungsschwierigkeiten zu kämpfen hatten, fielen sie als Wirtschaftspartner weg. Gleichzeitig wurde das Land durch den Abbau der Handelsbarrieren und Zölle mit ausländischen Waren aus der EU und dem Rest der Welt überflutet. Diese importierten hochwertigen Waren wurden von der polnischen Bevölkerung bevorzugt, was dazu führte, dass ihre eigenen Waren aufgrund minderer Qualität nicht konkurrenzfähig waren. Ebenso war die Fleisch- und Milchproduktion von der plötzlichen Konkurrenz betroffen, was dazu führte, dass viele Familienbetriebe ihre Produktion auf den Eigenbedarf beschränkten (vgl. Wolz u.a., S. 26f.).

Polens große Bedeutung in der Hochtechnologie sowie deren Export in Form von elektronischen Geräten zu Zeiten der sowjetischen Unterdrückung musste es im Zuge des Transformationsprozesses einbüßen. Das Produktionspotenzial sank in den ersten vier Jahren der Systemwende enorm. Im Sektor der Informationstechnik um 26 %, bei Energieanlagen um 45 % und bei elektronischen und teletechnischen Geräten um 67 %.

Ausländische Investoren übernahmen Unternehmen wie das Computerunternehmen Elwro, welches seit 1960 erfolgreich Computermodelle produzierte. Das in der polnischen Stadt Breslau ansässige Unternehmen wurde 1993 von Siemens übernommen und die Angestellten allesamt entlassen. Heute stellt das Unternehmen für die in Deutschland produzierten Computer Kabelbündel her. Durch die Systemtransformation und aufgrund der ausländischen Investitionen verlor Polen für mindestens 20 Jahre die Chance auf eine erfolgreiche eigene Unternehmenskultur und diente vor allem als Pool billiger Arbeiter*innen für ausländische Unternehmen (vgl. Mazur, S. 30).

Die dann folgenden Jahre nach dem Systemwandel und der später folgende EU-Beitritt am 1. Mai 2004 brachten für die polnische Wirtschaft allerdings einen großen Aufschwung. Die Landwirtschaft in Polen profitierte von der Agrarpolitik auf EU-Ebene. Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe ermöglichten eine qualitativ hochwertigere Produktion, besseres Marketing und die Modernisierung der Betriebe.

Polens Wirtschaft erlebte vor allem durch die ausländischen Direktinvestitionen einen Aufschwung, der dazu führte, dass sich das Einkommen pro Kopf seit dem Beitritt in die EU bis 2010 verdoppelte (vgl. Wolz u.a., S. 27f.). Der Stellenwert der Landwirtschaft nahm angesichts der florierenden Wirtschaft beständig ab und trug im Jahr 2010 nur noch 3 % zum Bruttoinlandsprodukt bei. Trotzdem ist der landwirtschaftliche Anteil an der Gesamtwirtschaft im Vergleich zu den restlichen EU-Staaten immer noch größer (vgl. Wolz u.a., S. 28). Auch ist die polnische Emigration seit dem Beitritt in die Europäische Union enorm angestiegen. Heute arbeiten aufgrund besserer Arbeitschancen beinahe drei Millionen Pol*innen im Ausland (vgl. Mazur, S. 29).

Strukturelle Herausforderungen

Neben den wirtschaftlichen Herausforderungen brachte der Systemwechsel nach dem Vorbild westlicher Demokratien viele strukturellen Herausforderungen mit sich (vgl. Mazur, S. 27). Die alten Eliten hatten es geschafft, sich während der Wende von der Volksrepublik Polen zur Dritten Republik Privilegien zu verschaffen und diese später zu legalisieren. Infolge der Systemtransformation kam es zu Privatisierungen von unter sozialistischer Führung kollektiv verwaltetem Eigentum.

Die ehemalige Nomenklatura, die sozialistischen Funktionäre, hatten sich zu dieser Zeit einen Vorteil verschafft und Unternehmen, Immobilien, Zeitungen und Banken in ihren Besitz genommen. Die postkommunistische Oligarchie, welche zur polnischen Wende die Modernisierung voranbrachte, festigte dabei ihre Privilegien (vgl. Mazur, S. 27).

Auch die ersten freien Parlamentswahlen im Jahr 1989 standen unter dem Einfluss der alten Eliten. Dabei konnten nur 35 % der Mandate frei gewählt werden, während die restlichen Mandate der Vereinigten Arbeiterpartei (PZRP) zustanden. Diesen Eliten kamen nach der ersten Parlamentswahl damit 65 % der Mandate zu und garantierten ihnen das Recht, institutionelle Änderungen im Sinne des Modernisierungsprozesses vorzunehmen.

So riefen die Kommunisten im Sejm den „demokratischen Rechtsstaat“ aus und garantierten sich damit ihre bis dahin erhaltenen Privilegien. Einer Dekommunisierung und Aufklärung kommunistischer Geheimdienstakte oder der Entziehung des an sich genommenen Eigentums konnten sie damit entgehen ( vgl. Mazur, S. 28f.). Paradoxerweise schützte das neue politische System die kommunistischen Eliten, anstatt wie eigentlich vorgesehen die Bürger vor dem Machtmissbrauch.

Aus diesem Grund steht für viele Polen die Justiz, die für die Verurteilung krimineller Funktionäre des kommunistischen Regimes verantwortlich gewesen wäre, für die Duldung der Machenschaften und Korruption (vgl. Mazur, S. 28). Denn bis die Verfassung der Dritten Republik 1997 verabschiedet wurde, hatte die Justiz der kommunistischen Nomenklatura Straffreiheit garantiert. Diese acht Jahre der Systemwende haben bei vielen Pol*innen ihre Spuren hinterlassen und rechtfertigen für sie die Justizreform der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS). Sie argumentierten, das Justizsystem sei der Grund, dass die Republik Polen auf „ungerechtem Fundament“ gebaut worden sei (Mazur, S. 28).

Eine weitere Herausforderung, die der Demokratisierungsprozess mit sich brachte, war der sich wandelnde Alltag der Menschen. An Stelle eines stabilen Arbeitsverhältnisses trat die Leistungsbewertung und eine steigende Zahl an Arbeitslosen. Die marktwirtschaftlichen Verhältnisse wiesen dem Geld eine ganz andere Bedeutung zu. Plötzlich waren Steuern und Versicherungen von größerer Bedeutung, die Konsummöglichkeiten wuchsen und mit ihnen die Differenzen in der Bevölkerung. Zwar stieg die Produktivität in Polen an, mit ihr allerdings auch die Versagensängste, die Pol*innen bis dahin nicht kannten. Auch standen die Bürger*innen Polens nicht nur im sozialen Konkurrenzkampf innerhalb der Gesellschaft, sondern sahen sich auch dem sozialen Druck der EU-Staaten ausgesetzt (vgl. Segert, S. 52).

Einen weiteren Stressfaktor stellten die nicht erfüllten Hoffnungen durch die Einführung von Demokratie und Marktwirtschaft dar. Dabei hatte die Bevölkerung Polens die utopische Vorstellung, mit der Systemwende würden schlagartig Sicherheit, Stabilität, Wohlstand und finanzielle Unterstützung einhergehen.

Der Alltagsstress und die Frustration wurden zudem von der sich wandelnden Ordnung des Westens verstärkt (vgl. Segert, S .51). Während der Kommunismus für Polen ein Ideal darstellte, dem man zwar nacheifern konnte, den es aber in der Realität noch nie gegeben hat, waren die Bestrebungen nach 1989 eine reale Ordnung. Damit wurde die westliche „Normalität“ zum obersten Ziel der Wende (vgl. Krastev, 2019, S. 6). Mit dem Eintreten dieser „Normalität“ in Polen sollte automatisch der Wohlstand des Westens importiert werden (vgl. Segert, S. 51).

Liberale Demokratien erweisen sich allerdings als ein sehr wandelbares Ideal. Damit erschien die westliche „Normalität“ durch ihren sich wandelnden Charakter unerreichbar. Jede Veränderung veränderte das Ideal, welches Polen nachzuahmen versuchte (vgl. Krastev, 2019, S. 6). Das Streben nach einer bestmöglichen Kopie eines sich wandelnden Ideals führt unweigerlich zu Frustration, Selbstkritik und Selbstverachtung (vgl. Segert, S. 51).

Ebenso empfanden die Bürger*innen Polens das Recht des Westens, den Wandlungsprozess zur liberalen Ordnung kritisch zu bewerten, als nationalen Souverenitätsverlust (vgl. Krastev, 2019, S. 2). Dies ist auch ein Grund, weshalb sich Polen immer mehr von diesem Ideal abwendet. Der aufkeimende Illiberalismus in Polen kann unter anderem der Auflehnung gegen das Streben nach Anerkennung Anderer zugeschrieben werden (vgl. Krastev 2019, S. 2).

Ebenso hat der wandelbare Charakter des „Normalen“ etwas Verstörendes. Während des Kalten Krieges galt der Westen für die Polen als Ort der Gepflogenheiten, an dem an Gott geglaubt wurde. Einige Zeit später hatte sich das „Normale“ gewandelt und war zu einem Ort der Freizügigkeit, der Säkularisierung und des Multikulturalismus geworden (vgl. Krastev 2019, S. 6). 

Europäische Herausforderungen

Das Ende des Kalten Kriegs ist nach Ken Jowitt von der University of California in Berkeley nicht der Beginn des Siegens, sondern der Beginn von Krisen und Traumata (Krastev 2018, S. 29). Beleuchtet man den Wandel der Perspektive Polens auf den Westen in den letzten 30 Jahren näher, trifft diese Sichtweise durchaus zu (vgl. Krastev 2018, S. 6).

Der anfängliche Enthusiasmus des postkommunistischen Polens für den Modernisierungsprozess zeugte von der Annahme, die Europäische Union sei die Quelle aller Möglichkeiten. Heute dagegen scheint sie für viele Pol*innen eher die Quelle des Risikos zu sein (vgl. Buras, S. 35). Dieser Wandel hat aber nicht nur systempolitische und wirtschaftliche Gründe, die im Zuge der Systemtransformation aufgetreten sind.

Zusätzlich zeugt er auch von Herausforderungen, denen sich die gesamte Europäische Union ausgesetzt sieht, und von Problemen, die mit einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union einhergingen (vgl. Kerski, S. 4f.). Die Wirtschaftskrise seit 2008, die Eurokrise 2010, die zunehmende Globalisierung und die Kritik am Neoliberalismus – all das sind Krisen, mit denen alle Mitgliedstaaten der EU zu kämpfen haben und die die Europäische Union zu spalten drohen.

Vor allem ließen diese Krisen Zweifel an der Überlegenheit Westeuropas zu und führten zu einer tieferen Spaltung zwischen West- und Osteuropa (vgl. Krastev, 2019, S. 3 / vgl. Kerski, S. 4f., 35 / vgl. Krastev 2018, S. 55). Die zunehmende Spaltung, die vor allem durch die Migrationskrise (2015) befeuert wird, gefährdet das Bestehen der Europäischen Union nachhaltig. Denn diese Krise löste in Europa einen Solidaritätskonflikt und einen Konflikt hinsichtlich der Pflichten, die mit den Menschenrechten einhergehen, aus.

Während Westeuropäer ihren nationalen Regierungen mehr Vertrauen schenkten als der Europäischen Union, sah es nach der kommunistischen Wende in den osteuropäischen Staaten anders aus. Diese vertrauten der Europäischen Union mehr als ihren nationalen, teilweise korrupten Politikern (vgl. Krastev 2018, S. 53f.). Dieser Umstand hat sich seit der Migrationskrise ins Gegenteil gewandelt. Nun vertrauen in Osteuropa die Bürger*innen mehr auf ihre nationalen Regierungen als auf die Europäische Union, da diese ihre "nationalen Interessen" verteidigen (vgl. Krastev 2018, S. 54).

Die Migrationskrise hat so nicht nur zum Solidaritätskonflikt geführt, sondern auch zu einem Erstarken des Nationalismus. Dieser ist gewiss nicht nur ein osteuropäisches Problem, allerdings sind hier die Entwicklungen verstärkt. Denn nach dem Ende des Kommunismus 1989 erfuhren diese Gesellschaften erstmals einen wirtschaftlichen Aufschwung und den damit einhergehenden Wohlstand (vgl. Kerski, S. 5). Die Annahme, das politische System des Westens sei nicht nur ein Garant für andauernden Wohlstand, sondern auch für Sicherheit, hat sich allerdings durch die Migrationskrise verflüchtigt (vgl. Krastev 2018, S. 64).

Dass sich Teile der polnischen Bevölkerung nun gegen den westlichen Liberalismus wendet, hat damit zu tun, dass die Europäische Union den Anschein erweckt, die Kontrolle über die Zuwanderung zu verlieren (vgl. Krastev 2018, S. 51). Wenn Migranten nun ungehindert die Grenzen überqueren dürfen, entpuppt sich die „offene Gesellschaft“ der Europäischen Union für viele als Reinfall. Sie sieht sich nämlich mit einer "Invasion" von Migranten, "Entvölkerung" und dem "Verlust der Souveränität" konfrontiert (vgl. Krastev 2018, S. 51 / vgl. Krastev 2019, S. 11).

Denn nicht-assimilierbare Zuwanderer, so die Befürchtung, könnten nicht nur die "nationale Identität" verwässern, sondern auch den Zusammenhalt der Nation schwächen (vgl. Krastev, 2019, S. 11). Doch vor allem auch der demografische Faktor spitzt die Angst vor Zuwanderung in Polen zu. Viele Pol*innen, darunter gut gebildete, verließen und verlassen seit 1989 ihre Heimat, da sich ihnen in anderen europäischen Ländern bessere Arbeitschancen bieten (vgl. Mazur, S. 29). Durch die massenhafte Auswanderung von Pol*innen keimt die Angst auf, die "polnische Identität" könnte mit der Zeit verfälscht werden, wenn sich Migrant*innen in Polen niederlassen.

Das ist einer der Gründe, weshalb Teile des polnischen Volkes dazu neigen, das Programm der illiberalen Demokratie unter der populistischen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) zu unterstützen (vgl. Krastev 2019, S. 12). Auch die Westeuropäer neigen immer mehr dazu, rechtspopulistischen Strömungen zu folgen, was zeigt, dass eine gewisse Angst vorherrscht, die Zunahme an Vielfalt nicht bewältigen zu können.

Die Angst der Osteuropäer hat allerdings andere Gründe. Osteuropäer hegen eine Aversion gegen jegliche Art von Vielfalt, was an der homogenen Gesellschaft heute liegen mag (vgl. Krastev 2019, S. 13). Nur 1,6 % der heutigen Pol*innen sind nicht in Polen geboren und 99,9% der Bevölkerung sind christlichen Glaubens. Die polnische Bevölkerung hatte demnach in den letzten Jahrzehnten kaum Berührungspunkte mit anderen Kulturen (vgl. Krastev 2019, S. 13).

Die osteuropäischen Staaten mit ihren homogenen Gesellschaften stehen heute einem Westen gegenüber, welcher Zuwanderung prinzipiell begrüßt und die multiethnische Gesellschaft schätzt (vgl. Krastev 2019, S. 14). Zudem hat aber auch das spezifische Erbe des Kommunismus dazu geführt, dass der Hang zum Nationalismus bei den osteuropäischen Staaten im Vergleich zu den westeuropäischen Staaten größer ist. Denn während der kommunistischen Besetzung wurde jegliche Art von Nationalbewusstsein unterdrückt (vgl. Krastev 2019, S. 4 / vgl. Krastev 2018, S. 67). Dies hat die Spaltung zwischen Ost- und Westeuropa von Anfang an begünstigt (vgl. Krastev 2018, S. 67). Außerdem haben die osteuropäischen Staaten keine koloniale Vergangenheit und dadurch keinerlei Verbindung zu Menschen, die heute aus ihren Ländern flüchten.

Die Abneigung gegenüber dem offenen westlichen Denken und Handeln zeigt sich vor allem in den Wahlergebnissen. In diesen spiegelt sich eine große Unterstützung für heimatorientierte Parteien, deren Wahlprogramm kein Weltgeschehen oder andere Kulturen berücksichtigt (vgl. Krastev 2018, S. 67).
„Was die Polen am meisten bewegt, ist Tradition, ist Geschichtsbewusstein, Liebe zum eigenen Land, ein normales Familienleben zwischen Männern und Frauen“ (zit. nach Krastev 2018, S. 67).
Dieser Satz von dem früheren Außenminister Witold Waszczykowski zeigt die Schwierigkeiten auf, multikulturelles offenes Denken vor dem Hinergrund der kommunistischen Vergangenheit zu verankern. Denn obwohl zur polnischen Gesellschaft einige Jahrhunderte lang viele verschiedenen Ethnien gehörten, wurde sie doch bedingt durch den Zweiten Weltkrieg relativ ethnisch homogen und katholisch.

Einwanderung ist den Pol*innen in den letzten Jahrzehnten fremd, weshalb die Migrationskrise als Schwerpunkt für den Wahlkampf der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) im Jahr 2015 diente und sie zum Sieg führte (vgl. Sutowski, S. 17). Dabei sind die Abneigungen und Vorurteile gegenüber Migrant*innen ein paradoxes Phänomen, denn das Thema Migration kann man nicht von der Geschichte und Kultur Polens trennen. Ohne die Flucht und damit einhergehende Migration in andere Länder hätte die polnische Bevölkerung während des Zweiten Weltkrieges nicht überleben können. Zu dieser Zeit war die multiethnische Bevölkerung Polens auf der Flucht, wurde deportiert oder ausgesiedelt (vgl. Kerski, S. 5f. / vgl. Zeithistorische Forschungen).

Neben der Migrationskrise, die als gesamteuropäisches Problem gewertet werden kann, spielen bei den Bestrebungen für den Demokratieabbau in Polen weitere Faktoren mit. Denn viele Pol*innen erfüllt ihre Vergangenheit mit Stolz, denn ihre Nation konnte, ohne dass sie während des 19. Jahrhunderts ein eigenes Territorium besessen hat, eine kulturelle Identität entwickeln (vgl. Mazur, S. 32).

Polen hatte während dieser Zeit einen Verlust seiner staatlichen Eigenständigkeit an Russland, Österreich und Preußen hinzunehmen und konnte die Souveränität erst 123 Jahre später zurückerlangen (vgl. Dossier Polen). Auch ein gewisser imperialer Stolz herrscht bei der Bevölkerung Polens vor, der sich aus den Erinnerungen an die Erste Polnische Republik vom 14. bis ins 18. Jahrhundert speist. Denn die polnisch-litauische Adelsrepublik gehörte damals zu den europäischen Großmächten und zerfiel später aufgrund des Egoismus und der Engstirnigkeit der adligen Eliten. Daher hegt die polnische Bevölkerung eine Abneigung gegen politische Eliten. Bestätigt wurde diese Abneigung erneut 1989 durch das kommunistische Establishment (vgl. Mazur, S. 31). Gründend auf diesen historischen Erfahrungen im 18. und 19. Jahrhundert herrscht beim polnischen Volk die Angst vor Souveränitätsverlust und Marginalisierung vor.

Die Ängste vor einer Marginalisierung Polens sind nicht unbegründet. Die Europäische Kommission prophezeit in ihrem „Weißbuch zur Zukunft Europas“, im Jahr 2060 würden voraussichtlich nur noch 4 % der Weltbevölkerung in Europa leben. Im Vergleich dazu lebten 1900 sechsmal mehr Menschen in Europa. Durch diesen Wandel wird die abnehmende Bedeutung der Europäischen Union vorausgesagt (vgl. Mazur, S. 32).

Auch steigert der anstehende Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU die Marginalisierungsängste in Polen (vgl. Buras, S. 36). Denn für Polen wie für alle Staaten der EU, die ihre eigenen Währungen dem Euro vorgezogen haben, wird der „Brexit“ weitreichende Folgen haben. Nur 15 % des Wirtschaftspotentials der EU wird auf die Nicht-Euro-Staaten fallen, wenn das Vereinigte Königreich erst einmal ausgetreten ist. Damit besteht die Gefahr für diese Staaten, in Brüssel an Einfluss zu verlieren, was als Souveränitätsverlust wahrgenommen wird (vgl. Buras, S. 36). Aufgrund dieser Ängste versucht sich Polen von innen zu stärken und konzentriert sich auch in Brüssel immer mehr auf seine innenpolitischen Themen. Entstanden ist dabei eine Krise mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten (vgl. Buras, S. 35).

Gleichzeitig sehen die Bürger*innen Polens die Vorteile der vier Grundfreiheiten, die der EU-Beitritt mit sich brachte (freier Personen -, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr ), durch die "Brüssler Elite" gefährdet. So wird die EU-Entsenderichtline, welche unter anderem polnischen Arbeitnehmer*innen den Eintritt zum europäischen Arbeitsmarkt erschwert und als Schutzmaßnahme gegen die Ausbeutung von Billigarbeitskräften gedacht war, als protektionistische Maßnahme wahrgenommen (vgl. Buras, S. 37). 

Polens politische Landschaft und der Vormarsch der populistischen Partei

Die bereits genannten Herausforderungen werden heute von der nationalpopulistischen Partei in Polen für ihr Programm genutzt. Jedoch stellte sich bereits 1990 heraus, dass der Wandel des politischen Systems nicht mit dem Wandel der Einstellungen der Bürger*innen einhergeht. Schon zu Beginn der 1990er Jahre zeigte das institutionelle System in Polen Schwächen auf. Vor allem die Unbeständigkeit der Stammwähler einer Partei wies darauf hin. Diese Unfähigkeit der Parteien, ihre Wähler in der darauffolgenden Wahlperiode zu behalten, wird in der Politik als „Volatilität“ des Parteiensystems bezeichnet und lag im Zeitraum von 1990 bis 2015 in Polen bei einem Durchschnittswert von 24,3%.

Angenommen wurde, dass sich im Lauf der Zeit die Volatilität in Polen auf dem Niveau der etablierten Demokratien mit rund 5% einpendeln würde, doch dieser Umstand trat nicht ein (vgl. Segert, S. 49). Gründe dafür lieferten die schon genannten Herausforderungen seit dem Umbruch 1989. Sie erschwerten den Alltag der Bevölkerung Polens und gingen mit der Enttäuschung über das politische System einher. Die wirtschaftlichen und politischen Machenschaften des Establishments führte zu hoher Unzufriedenheit der Bürger*innen. Dies führte zu einer hohen Volatilität und einer geringen Wahlbeteiligung, was sich aber auch mit dem sozialen Stress der Bevölkerung nach dem Umsturz 1989 begründen lässt (vgl. Segert, S. 50f.).

Die politischen Machenschaften und Korruptionsvorwürfe der regierenden sozialdemokratischen Partei SLD von 2001-2005 führten dazu, dass die Partei die Zustimmung der Pol*innen verlor und verhalf der populistischen Strömung zum Aufstieg (vgl. Segert, S. 51). Die Parlamentswahlen 2005 stellten sich trotz der geringen Wahlbeteiligung von 40%, als Umbruchwahlen heraus. Denn die Partei der Kaczyński-Brüder, „Recht und Gerechtigkeit“ (Prawo i Sparawiedliwość, PiS), erhielt mit 27% die meisten Stimmen.

Lech Kaczyński, der Zwillingsbruder von Jaroslaw Kaczyński, wurde kurz darauf Präsident Polens und konnte mit der radikalen Bauernpartei „Samboobrona“ („Selbstverteidigung“) und der nationalistischen „Liga Polnischer Familien“ (LPR) eine Regierungskoalition bilden. Das Ziel der Koalition war, Polen in die „Vierte Republik“ zu führen und eine vollständige „Dekommunisierung“ durchzuführen.

Innenpolitische Streitigkeiten führten dann allerdings kurz nach dem Regierungsantritt zum Scheitern der Koalition (vgl. bpb 2007). Die vorgezogenen Neuwahlen gewann die liberal-konservative Bürgerplattform (Platforma Obywatelska, PO) unter dem Vorsitz von Donald Tusk mit 41,5%  vor der PiS mit 32,1% und der SLD mit 13,2% der Stimmen (vgl. APuZ, 11/2015, S.48). Die Wahlen 2015 ordneten die Verhältnisse der politischen Parteien dann neu. Die PiS war während des gesamten Wahlkampfes mit ihren Kampagnen sehr präsent, während die konkurrierende Bürgerplattform aufgrund zu großer Siegessicherheit und innerparteilichen Schwierigkeiten den Wahlkampf verlor (vgl. Bachmann, S. 9).

Bronislaw Komorowski, der Kandidat der PO, verlor die Präsidentschaftswahl deshalb gegen den Europaabgeordneten Andrzej Duda von der PiS. Bei einer Wahlbeteiligung von 50,9% wurde die PiS mit 37,6 % der Stimmen stärkste Partei und konnte sowohl im Sejm (Unterhaus) als auch im Senat die absolute Mehrheit der Mandate erreichen (vgl. Bachmann, S. 9).

Erhalten konnte die PiS diese Zustimmungsrate vor allem deshalb, weil sie ihren Fokus ab 2015 auf die polnische Erinnerungspolitik legte (vgl. Bucholc, S. 19). Diese Strategie der Erinnerung wird zum Kampf gegen Hinterlassenschaften aus der Vergangenheit genutzt. Hierbei werden die angestrebten Reformen als Maßnahmen gegen vergangenes Unrecht dargestellt. Für das Gelingen der PiS- Strategie spricht, dass die polnische Erinnerung unter der sozialistischen Führung, dem Transformationsprozess und den Vorgängerregierungen gelitten hat und dank der PiS wieder erstarkt (vgl. Bucholc, S. 20).

Hierfür wird von der PiS unter anderem die kognitive Strategie der „Bricoalge“ (französisch „Bastelei“) genutzt. Dieser Begriff wurde von Claude Lévi-Strauss, einem französischen Anthropologen, eingeführt und meint die Verwendung von verfügbaren Mitteln für ein Problem, die ursprünglich nicht für die Lösung dieses Problems entworfen wurden. Dabei weist die Lösung einen mangelnden Zusammenhang mit dem Problem auf (vgl. Bucholc, S. 21). Die PiS beherrscht die Strategie der „Bricolage“, indem sie diejenigen historischen Erinnerungen des polnischen Volkes nutzen, die sich in irgendeiner Weise für ihr politisches Ziel in den Kontext setzen lassen (vgl. Bucholc, S. 21).

Als historisches Material dient der Partei hierbei unter anderem der Zweite Weltkrieg. Sie aktiviert die Gefühle der Vergangenheit und legitimiert so die Forderungen nach Reparationszahlungen für Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg von Deutschland. Hierfür ist eine Neuinterpretation der historischen Ereignisse erforderlich. Diese Neuinterpretation ist geläufiger unter dem Begriff „Framing“. Dabei wird dem Inhalt durch unterschiedliche Rahmung andere Bedeutung beigemessen. „Framing“ dient als Kommunikationsstrategie, die Einfluss darauf nimmt, wie Inhalte von Personen wahrgenommen und empfunden werden.

Um Erinnerungen neu zu konnotieren, wird oft eine „Stilisierung“ verwendet. Die populistische Partei nutzt beispielsweise den Flugzeugabsturz von Smolensk im April 2010, durch den unter anderem der damalige Präsident Lech Kaczyński ums Leben kam (vgl. Bucholc, S. 21). Seit jenem Tag versucht Jaroslaw Kaczyński zu beweisen, dass dieser Absturz von den Russen initiiert wurde und die 2010 regierende PO-Regierung dieses Verbrechen vertuschte (vgl. Krastev 2018, S. 91f.). So wird dieses tragische Ereignis von der PiS ritualisiert, indem an jedem 10. Tag im Monat Märsche zum Gedenken an die Opfer stattfinden (vgl. Krastev 2018, S. 92).

Durch den Glauben an diese Verschwörungstheorie wird die Zugehörigkeit zu einer Gruppe definiert, die sich nicht von "liberalen Eliten" täuschen lässt. Diese Verschwörungstheorie kann als ein Grund genannt werden, weswegen die Partei seit 2015 wieder die Regierung stellt (vgl. Krastev 2018, S. 94).

Oft verwendet wird auch die „Retusche“. Eingesetzt wird sie von der PiS vor allem bei historischen Ereignissen und Personen. Dabei wird in Vergessenheit geratenen Personen und Ereignissen, wie der Familie Ulma, große Bedeutung zugesprochen. Sie versteckte während des Zweiten Weltkriegs eine jüdische Familie und wurde dafür 1944 von den Deutschen ermordet. Regierungsfreundliche Medien legen die Ereignisse heute auf ihre eigene Weise aus und suggerieren dabei, dass Pol*innen Juden und Jüdinnen gerettet haben und diese niemals ermordet hätten. Polen könne demnach als „Republik der Gerechten“ und als „moralisch höherwertige Nation“ angesehen werden (Bucholc, S. 22f.).

Diese geschichtspolitische Strategie wird nun für die Legitimation der verfassungspolitischen Maßnahmen der PiS genutzt (vgl. Bucholc, S. 20). Im Gegensatz zu den westeuropäischen Verfassungen ist die Verfassung in Polen, beschlossen im Jahr 1997, relativ jung und findet keine tiefere Verankerung in der polnischen Erinnerung. Die PiS nutzt die Schwäche dieser nicht historisch untermauerten Verfassung maßgeblich für ihre Erinnerungspolitik. Somit muss nur eine polnische Erinnerung geschaffen werden, die der Verfassung ihre Legitimation entzieht. Zugleich wird damit die Basis des gesamten Staatsystems angegriffen (vgl. Bucholc, S. 21). 

Fazit

In der eingangs gestellten Frage nach den Beweggründen für Polens Demokratieabbau schwingt Empörung der etablierten Demokratien mit. Denn der Umstand, dass Polen, obwohl es vom geeinten Europa enorm profitiert, sich nun gegen die Werte der Union stellt und den Iliberalismus anstrebt, führt zu Unverständnis. Dabei wird oft vergessen, dass die Situation von außen betrachtet anders bewertet wird, als sie sich der polnischen Bevölkerung darstellt.

Fest steht, dass Polen von dem Beitritt zur EU profitierte und auch heute noch viele Zuschüsse und Subventionen erhält. Denn 60 % der getätigten Investitionen in Polen sind von der EU finanziert. Dabei wird vergessen, dass EU-Kohäsionspolitik vor allem dort betrieben wird, wo die Unterstützung am nötigsten ist. Dass in einem Land, das von Armut geprägt ist, die Zustimmung für das jeweilige politische System schwindet, ist verständlich. Zudem wurden durch den Beitritt in die Europäische Union Freiheit, Wohlstand, Lebensqualität, Sicherheit und Stabilität erwartet (vgl. Wolz u.a., S. 26 / vgl. Segert, S. 51). Durch die transformatorischen Erschütterungen, den Krisen in Europa und den dadurch aufkeimenden Verlustängsten wurden diese Erwartungen aus Sicht vieler Pol*innen nicht erfüllt. Gegen diese Empfindungen sprechen Zahlen und Statistiken, die zeigen, dass sich Polen gut im freien Markt etablieren, das Bruttoinlandsprodukt steigern und die Arbeitslosigkeit senken konnte (vgl. hr-inforadio).

Hier scheint es also einen Widerspruch zu geben zwischen dem, was westliche Demokratien sehen, und dem, was das polnische Volk empfindet. Die westlichen Demokratien, die schon deshalb eine Überheblichkeit ausstrahlen, da sie das Bild des „Normalen“ definieren, gingen davon aus, dass dem politischen und wirtschaftlichen Wandel automatisch der kulturelle und mentale Wandel folgen würde (vgl. Bucholc, S. 26). Diesen Wandel scheint das polnische Volk allerdings noch nicht vollzogen zu haben und muss sich ein weiteres Mal an dem „normalen“ Westen orientieren.

Die Erinnerungspolitik der PiS wirft im Gegensatz dazu eine Version der Vergangenheit auf, die den Pol*innen schmeichelt und ihnen nicht den erhobenen Zeigefinger zeigt (vgl. Bucholc, S. 26). Hier stellt sich die Frage, ob die seit 1989 betriebene Strategie der etablierten Demokratien, ihr System mit Druck Anderen aufzuzwingen, nicht letztlich den nationalpopulistischen Strömungen zugutekommt. Es sollte aber auch nicht vergessen werden, dass längst nicht alle Pol*innen hinter den Maßnahmen der PiS stehen. Die Angst, die Politik der PiS könnte Polen noch mehr ins Abseits drängen, lässt viele Bürger*innen Polens auf die Straßen gehen (vgl. Hillebrand 2017, S. 78). 

Literaturverzeichnis
  • Bachmann, Klaus: Aus Politik und Zeitgeschichte: Polen: Zeitschrift der Bundeszentrale für politische Bildung: Beilage zur Wochenzeitung: Das Parlament: 10-11/2018, 5.März 2018
  • Bucholc, Marta: Aus Politik und Zeitgeschichte: Polen: Zeitschrift der Bundeszentrale für politische Bildung: Beilage zur Wochenzeitung: Das Parlament: 10-11/2018, 5.März 2018
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