Donnerstag, 6. Februar 2020

Rezension zu Claus Offe: Europa in der Falle

Offe, Claus (2016), Europa in der Falle, Suhrkamp.

Rezension

Autor: Simon Baur

Das Buch befasst sich mit zentralen Problemen der Europäischen Union. Es werden zahlreiche Reibungspunkte aufgezeigt, die auf das Gefüge der EU einwirken. Mit der Einführung des Euro beispielsweise hat sich Europa in ein neues Spannungsfeld begeben. Die Euro-Zone spaltet sich in Gewinner und Verlierer. Der europäische Norden mitsamt Deutschland profitiert stark durch die Währung, doch es gibt auch klare Verlierer, die Offe benennt. Er benennt die südlichen Staaten Europas, die geldpolitisch „entmachtet“ werden und einem immensen Spardiktat unterliegen.

Laut Offe unterliege man einem Irrglauben, wenn man annehme, dass der Euro Europa zusammenschweißen werde bzw. zusammengeschweißt hat. Er beschreibt die Heterogenität als zentralen Faktor, welcher durch die Euro-Einführung vielerorts noch verstärkt würde (Lohnbildung, wirtschaftliche Entwicklung etc.).

Die Konsequenz hieraus lasse sich überall beobachten, so Offe: Je länger die Krise dauert und je größer die Diskrepanz zwischen wirtschaftlicher Notwendigkeit und politischer Durchsetzbarkeit wird, desto mehr Zulauf bekommen Parteien aus dem rechten Spektrum, welche eine Rückbesinnung auf nationale Souveränität vorziehen. ("Die EU hat keine positiv inspirierende Vision ihrer eigenen Zukunft anzubieten“).


Offe prophezeit, dass die EU, wird sie sich nicht in irgendeiner Form reformieren, immer weiter an Zuspruch verlieren wird. Ebenfalls sei das Vertrauen in die Europäische Union vielerorts stark geschädigt worden, nicht zuletzt durch den radikalen Sparzwang, der Griechenland auferlegt wurde. Viele Mitgliedsländer fürchten ähnliche Sanktionierungen. Offe benennt viele defizitäre Aspekte der EU:
  • Die Europäische Union beeinflusse und reguliere das Leben der Bürger entscheidend, ist selbst jedoch durch den Bürger unantastbar.
  • Er beschreibt auch, dass die Institutionen der Europäischen Union mit dem größten Einflusspotential die geringste Responsibilität für die Bürger aufweisen.
  • Manche Institutionen seien komplett „entpolitisiert“ und handeln laut Offe z.T. nicht im Sinne eines durch Wahlen sichtbaren Bürgerinteresses.
  • Die „Eigenheiten“ der Mitgliedsstaaten werden durch die innereuropäische (Wirtschafts-) Globalisierung aus ökonomischen Gründen wegrationalisiert und -reguliert.
Offe beschreibt, dass für viele der Eindruck entsteht, Europa habe sich nicht zu einer Wertegemeinschaft entwickelt, sondern zu einer Schutzgemeinschaft für Großkapital, die den bedingungslosen Kapitalismus befeuere. Hier sind diverse EU-seitige Bankenrettungsmaßnahmen der jüngsten Vergangenheit zu nennen.

Offe fordert jedoch keinen Ausstieg aus der gemeinsamen Währungsunion. Er übt nur Kritik an der damaligen Euro-Einführung, da diese nicht an die Gegebenheiten der verschiedenen politischen Systeme angepasst worden ist und es keine Einbettung in eine politische Union gegeben hat. Die Krise zeigt, wie kurzsichtig es gewesen ist, den heterogenen Wirtschaftsraum mit einer Einheitswährung zu versehen, ohne ihn politisch zu vereinen.

Offe fordert eine Umgestaltung der Wirtschafts- und Sozialpolitik: Er fordert Umverteilung und eine entschiedene Sozialpolitik. Er fordert auch, das Vertrauen der Bürger in die EU und in den Euro wieder aufzubauen. Er sieht vor allem Deutschland als einen Akteur, der besonders in der Pflicht steht: Er glaubt, dass Deutschland bisher am meisten von der EU und dem Euro profitiert und am wenigsten unter den gemeinsamen begangenen Fehlern gelitten hat. So sei Deutschland verpflichtet, bei der Wiedergutmachung und Kompensation der Schäden der anderen Mitgliedstaaten mitzuwirken.

Dies ist allerdings mit immensen Unkosten verbunden, so Offe, die jedoch nichts im Vergleich zu den Kosten seien, die entstehen, sollte es einen Zusammenbruch des Euros geben. Offe prophezeit ebenfalls eine dunkle Zukunft, sollte es zum Zusammenbruch des Euros kommen, die in einer inneren Zerrüttung Europas und in einer Zerstörung der gesamteuropäischen Identität gipfeln würde.

Ich finde das Buch sehr informativ und kann viele von Offes Gedankengängen und Argumentationsketten gut nachvollziehen. Ich finde jedoch, dass er sich vielfach wiederholt, was zu Desinteresse beim Lesen führen kann. Alles im allem umreißt Offe eine Thematik, mit der sich viele bestimmt noch nicht befasst haben und die weit tiefergehend ist, um sie auf 189 Seiten umfassend zu beschreiben. Das Buch ist keinesfalls eine Abrechnung Offes mit der EU und dem Euro, sondern ein Appell an die Technokraten und die Bürger, sich auf die wahren Werte der Gemeinschaft zurückzubesinnen.

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