Donnerstag, 25. Juni 2020

Demokratie(defizit) und Reformen (I): Frank Decker

"Weniger Konsens, mehr Wettbewerb"  lautet der Titel des Beitrags von Frank Decker, in dem er das institutionelle Demokratiedefizit der Europäischen Union kritisiert und Reformvorschläge aufwirft. Welche Maßnahmen diesen vermehrten Wettbewerb anstoßen sollen, könnt ihr in der Zusammenfassung im Moodle-Kurs nachlesen. Als Vorbereitungsgruppe haben wir uns noch einige Denkanstöße überlegt, die ihr gerne hier in den Kommentaren oder in eurem Lernprotokoll bearbeiten könnt!

1) Zunächst würde uns interessieren, wie ihr die Ideen Deckers einschätzt: Dazu haben wir hier eine Umfrage erstellt. Das Meinungsbild werden wir im Lauf der nächsten Woche kommentieren.

2) Stellt euch vor, ihr wärt Frank Decker und lest diesen Artikel von der Europäischen Union: Was würdet ihr nun entgegnen? Also doch ein Mythos und halb so schlimm?

3) Decker hat die Hoffnung, mithilfe der beschriebenen institutionellen Korrekturen einen gemeinsam geteilten europäischen institutionellen Rahmen zu schaffen und damit eine europäische Öffentlichkeit auszubilden. Er sieht das Demokratiedefizit demnach als ein primär institutionelles. Alexander Görlach beschreibt in einem ZEIT-Beitrag hingegen nicht das Institutionengefüge, sondern die "apathischen und konsumgeilen Wähler" als das wahre Demokratiedefizit: „Die aktuell tiefste Krise der europäischen Demokratie scheint daher bei ihren Bürgern zu liegen.“ (Görlach 2019, S.2) schreibt er beispielsweise. Lest den Text von Görlach und bezieht dazu Stellung: Greifen Deckers Überlegungen zu kurz?

Leseempfehlung für Interessierte: In ihrem Beitrag „Legitimität, Legitimation und Demokratiedefizit der Europäischen Union“ gibt Gabriele Abels einen Überblick über die Debatte zum „Legitimations- bzw. Demokratiedefizit“ der Europäischen Union und diskutiert Reformen und bestehende Herausforderungen, um dieses zu beheben. Online unter: https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-17409-5_39 (Zugriff mit Shibboleth)

Paul Ebner, Celine Gawlitza, Berda Mak, Luca Mästling und Leonie Pflüger

4 Kommentare:

  1. Hallo zusammen, dann starte ich mal einen Kommentar:

    Lektüre zu Frank Decker: Weniger Konsens, mehr Wettbewerb: Ansatzpunkte einer institutionellen Reform (Aufgabe vom 25.06.2020)

    2) Stellt euch vor, ihr wärt Frank Decker und lest diesen Artikel von der Europäischen Union: Was würdet ihr nun entgegnen? Also doch ein Mythos und halb so schlimm?

    In der Rolle des Frank Decker würde ich an dieser Stelle ein Zitat aus dem Internetauftritt der Europäischen Kommission (Vertretung Deutschland) kommentieren:

    "Die öffentliche Wahrnehmung hat nicht immer Schritt gehalten mit der Fortentwicklung der tatsächlichen Macht des direkt gewählten Europäischen Parlaments. Das Europäische Parlament wird von nationaler Politik und nationalen Parteien, den Medien und manchmal sogar den obersten Gerichtshöfen nicht immer als vollwertiges Parlament anerkannt."

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  2. Diese Meinung teile ich vollumfänglich. In der Tat hat das Europäische Parlament in Fragen der justiziellen Zusammenarbeit oder der Steuerpolitik lediglich ein Anhörungsrecht, ist aber nicht stimmberechtigt (Vgl. Decker, 2017, S. 165).

    Zu einem weiteren Zitat aus selbiger Quelle möchte ich außerdem noch Folgendes anmerken:

    "Es heißt oft, dass „Brüssel etwas entschieden“ hat – das erweckt den Eindruck, die EU sei ein geheimnisvoller und distanzierter Club. Zwar ist der europäische Entscheidungsprozess hin und wieder langwierig, aber sicher nicht geheim. Die Europäische Kommission schlägt neue Gesetze vor. Nationale Minister, die demokratisch gewählte Regierungen im Ministerrat vertreten, und das demokratisch gewählte Europäische Parlament verhandeln und verabschieden diese Gesetze gemeinsam."

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  3. Richtig. So ist die Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger der EU oftmals.
    Und hier liegt der Kernpunkt der Problematik. Bezogen auf eine repräsentative Demokratie, welche Nucleus der Volkssouveränität ist, muss es den Bürgerinnen und Bürger eines Landes erlaubt und ermöglich werden politisch zu partizipieren, oder praktisch ausgedrückt, an Wahlen teilzunehmen.
    Durch die Wahlen ist es klar, dass sich Politikerinnen und Politiker auch verwundbar machen können, denn gewählt werden kann auch bedeuten, dass man irgendwann wieder "abgewählt" wird.
    Zudem müssen laut Wahlrecht auch alle Bürgerinnen und Bürger wählen gehen können. Stimmen müssen gleich viel zählen.
    Nur dann, wenn sich die Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger aus ihrer Sicht bezahlt macht, ist auch eine hohe Wahlbeteiligung zu erwarten und somit ein genereller Willen, an den Geschicken der EU etwas zu bewegen.
    Aber hier liegt das institutionelle Demokratiedefizit der EU. Eigentlich ist hier nur die Bedingung "Rechtliche Allgemeinheit der Wahl" erfüllt.
    Allerdings wird hier das Prinzip "Stimmgleichheit" nicht erfüllt. Zudem ist eine hohe Wahlbeteiligung bei den Europawahlen auch nicht auszumachen gewesen in den letzten Jahren.
    Insofern mutet die EU allerdings wie ein "geheimnisvoller und distanzierter Club" an.
    Hier entscheiden in der Tat übergeordnete und vielleicht auch elitär wirkende Instanzen über die Geschicke der Bürgerinnen und Bürger der 27 Mitgliedstaaten.
    Und abschließend möchte ich noch anmerken: Sicherlich entscheidet die EU "etwas". Dazu sind ihre Gremien auch verantwortlich und existent. Es sind jedoch die Zusammenhänge und die Verquickungen der EU-Instanzen für viele Menschen nicht sehr leicht verständlich, es sei denn, man setzt sich intensiver damit auseinander.

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  4. 3) Decker hat die Hoffnung, mithilfe der beschriebenen institutionellen Korrekturen einen gemeinsam geteilten europäischen institutionellen Rahmen zu schaffen und damit eine europäische Öffentlichkeit auszubilden. Er sieht das Demokratiedefizit demnach als ein primär institutionelles. Alexander Görlach beschreibt in einem ZEIT-Beitrag hingegen nicht das Institutionengefüge, sondern die "apathischen und konsumgeilen Wähler" als das wahre Demokratiedefizit: „Die aktuell tiefste Krise der europäischen Demokratie scheint daher bei ihren Bürgern zu liegen.“ (Görlach 2019, S.2) schreibt er beispielsweise.
    Lest den Text von Görlach und bezieht dazu Stellung: Greifen Deckers Überlegungen zu kurz?


    Ich denke nicht, dass Frank Deckers Gedanken an dieser Stelle zu kurz greifen, sondern exakt das beschreiben, was die Grundproblematik der EU ausmacht. In der Tat haben auch die sogenannten "Unabhängigen" (EUGH, Kommission und EZB) sehr viel Macht und Einflussnahme innerhalb der EU. Insofern führt hier das EP schon fast ein Schattendasein, um es etwas überspitzt zu formulieren.
    Nimmt man als aktuelles Beispiel die Berateraffäre um die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (ehemals Verteidigungsministerin der Bundesrepublik Deutschland), so ist doch festzustellen, dass die Bürgerinnen und Bürger der EU daraufhin (und hier insbesondere die Deutschen) ein schiefes Bild von der EU bekommen könnten.
    So als ob es quasi ein Leichtes wäre, sich in ein europäisches Amt hinüberzuretten und damit den Versuch starten zu wollen, eine "innerdeutsche" Affäre vergessen machen zu wollen.
    Der Satz Alexander Görlachs
    "Dabei hat es (Europa) nichts anderes im Sinn als das Wohl der im Gemeinwesen Zusammengefassten."
    wirkt in diesem Zusammenhang doch eher so, als ob das "Wohl" hier nur für ein paar wenige höhere Beamtinnen und Beamten gelten könnte.


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