Samstag, 9. Januar 2021

Kinder- und Familienpolitik der EU

In diesem Beitrag stellt Franka Beller folgendes Dokument vor:

Janta, Barbara u.a. (2019): Die jüngsten Entwicklungen in der Kinder- und Familienpolitik der EU. Europäische Plattform für Investitionen in Kinder: Thematischer Jahresbericht, Europäische Kommission. 

„Investition in Kinder – den Kreislauf der Benachteiligung durchbrechen“ - unter dieser Überschrift brachte die Europäische Kommission 2013 eine Empfehlung über drei Säulen heraus. Diese drei Säulen sollen zu einer besseren Kinder- und Familienpolitik führen. Im Folgenden wird es darum gehen, ob die Europäische Kommission es geschafft hat, Veränderungen in der Kinder- und Familienpolitik zu schaffen. Die drei Säulen, um die es gehen soll, sind:

  • der Zugang zu angemessenen Ressourcen,
  • der Zugang zu erschwinglichen, hochwertigen Leistungen, 
  • das Recht des Kindes auf Teilhabe.

Das Programm wurde von der Europäischen Kommission weiterentwickelt, so wurde 2017 basierend auf den drei Säulen ein neues Programm aufgestellt. Dieses wurde „Europäische Säulen sozialer Rechte“ genannt. Orientiert an den drei bestehenden Säulen wurden jetzt 20 wichtige Prinzipien vorgestellt. Sie dienen als Orientierung für die Sozialpolitik der 28 (jetzt 27) Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.


Wenn Interesse daran besteht, die 20 Prinzipien nachzulesen, dann können Sie das gerne unter folgendem Link tun: Die europäische Säule sozialer Rechte in 20 Grundsätzen dargestellt | EU-Kommission (europa.eu) . Im Folgenden möchte ich nur zwei Beispiele geben, die von der Europäischen Kommission in ihrem Jahresbericht auch genannt wurden.

Prinzip 9: In diesem Grundsatz geht es darum, das Recht auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Beruf und dem Privatleben von Eltern herzustellen. Man möchte geeignetere Urlaubsregelungen für Familien festlegen und ihnen flexiblere Arbeitszeiten ermöglichen.

Das zweite Beispiel wird von der Kommission als Prinzip 11 genannt. Hier werden die Betreuung und Unterstützung der Kinder angesprochen. Die Bedeutung der frühkindlichen Bildung und Erziehung wurde in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus gerückt. Forschungen haben ergeben, dass Bildung und Erziehung im frühkindlichen Alter zu einer besseren Entwicklung im späteren Leben führen. Ebenso bringt der Grundsatz den Schutz vor Armut mit sich. Die Europäischen Kommission möchte sich dafür einsetzen, dass für Kinder aus ärmeren Familien besondere Maßnahmen ergriffen werden, um ihnen die Forderung auf Chancengleichheit zu ermöglichen.

Zusätzlich zu den drei Säulen, wurde 2013 eine Europäische Plattform für Investitionen in Kinder (EPIC) eingeführt. Diese verfügt über mehrere Aufgaben. Ihre wichtigste Aufgabe ist das Überwachen der zentralen und innovativen Entwicklung auf dem Gebiet der Kinder- und Familienpolitik. Darüber hinaus ist sie dazu da, Ressourcen zu erschließen. Sie ist dafür zuständig, den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit zur Umsetzung der 20 Prinzipien zu bieten. Zuletzt ist die EPIC dafür zuständig, die Entwicklungen der einzelnen Mitgliedsstaaten zu beobachten und zu dokumentieren. Auf den Grundlagen der einzelnen Länderprofilen wurde von der Kommission die Zusammenfassung über die Entwicklung verfasst.

Im nächsten Abschnitt wird es um die verschiedenen Entwicklungen in der Kinder- und Familienpolitik gehen. Dieser Abschnitt wird etwas länger werden, da die drei Säulen noch einmal separat voneinander betrachtet werden. Die Entwicklungen werden auf nationaler und europäischer Ebene betrachtet.

Die erste Säule, um die es gehen wird, ist der Zugang zu angemessenen Ressourcen: In diesem Bereich soll es grundlegend darum gehen, die Verhältnisse zwischen Arbeitsplatz und dem Familienleben zu verbessern. Demnach wurden 2017 neue Richtlinien für Urlaubs- und Betreuungszeit festgelegt. So soll es nun 10 Tage bezahlten Erziehungsurlaub geben. Darüber hinaus bekommt man einen zweimonatigen bezahlten Erziehungsurlaub für beide Elternteile. Damit möchte man die Gleichberechtigung der Geschlechter fördern. In Deutschland gibt es die Regelung für den Erziehungsurlaub schon länger. So kann man Deutschland als Vorbild für andere EU-Mitgliedsstaaten sehen. Die Regelung über den Erziehungsurlaub trat im April 2019 in Kraft und soll bis 2024 in allen EU-Ländern umgesetzt werden. In vielen Ländern führt die Aufteilung des Mutterschafts- beziehungsweise Vaterschaftsurlaubs zu Begünstigungen, wenn man es sich zwischen den Partnern aufteilt.

Als weiteren Punkt möchte man eine Kindergarantie für gefährdete Kinder. Darunter versteht man die Unterstützung zu angemessenen Lebensstandards. Die Kindergarantie steht unter hoher politischer Priorität. Es gibt mehrere laufende Projekte, um die Standards zu verbessern Das Ziel ist es, für alle Kinder den Zugang zu einer kostenloser Gesundheitsversorgung, Bildung und Betreuung zu gewährleisten. Zusätzlich dazu möchten sie menschenwürdige Wohnverhältnisse sowie eine angemessene Ernährung für alle Kinder der EU-Mitgliedsstaaten bieten. Das Kindergarantie-Programm wurde bis Ende 2019 getestet. Somit liegt der Europäischen Kommission bereits ein Ergebnis vor. Wenn Interesse am Abschlussbericht besteht, können Sie diesen gerne selbst nachlesen: https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1428&langId=en

Des Weiteren beschäftigte sich die Europäische Kommission mit angemessenen Ressourcen zur Unterstützung von Großfamilien. In verschiedenen Ländern wurde die „European Large Family Card“ eingeführt. Mit dem Besitz der Karte ist es für die Familie möglich, Vergünstigungen zu erhalten. Die Umsetzung der Unterstützung sieht in den verschiedenen Ländern unterschiedlich aus. Polen zahlt für das zweite und jedes weitere Kind einen Geldbetrag. Im Gegensatz dazu bekommt man in Italien, wenn man mehr als drei Kinder hat, landwirtschaftliche Parzellen. Diese Initiative wurde von der Europäischen Kommission breiter angelegt. Sie soll zur Armutsbekämpfung beitragen. So wurden verschiedene Projekte gestartet wie zum Beispiel die „Government Strategy for Tackling Child Poverty“ in Irland oder des „1000 Tage Programm“ in Dänemark.

Die zweite Säule bietet den Zugang zu erschwinglichen, qualitativ hochwertigen Dienstleistungsangeboten. Diese sollen die Verringerung von Ungleichheit bewirken und die Kinder mit besonderen Hindernissen fordern. Unter besonderen Hindernissen versteht man zum Beispiel elternlose Kinder oder Kinder mit einer Behinderung.

Die Dienstleistungsangebote in der Kinder- und Familienpolitik sind stark von der Frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung geprägt (FBBE). Man sieht die FBBE als effektives Mittel an, die Ungleichheit aus dem Weg zu räumen. Hier gibt es jedoch noch große Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten. Das Ziel ist es, eine bezahlbare und hochwertige Betreuung zu schaffen. Diese wird von der EU ausgehandelt, um die Leistungsanforderungen zu modernisieren. Hierfür zuständig ist der Rat für Bildung, Jugend, Kultur und Sport. In Deutschland und Rumänien arbeitet man an einer Steigerung der Qualität des FBBE-Angebots. Initiativen zur Weiterentwicklung der beruflichen Qualifikation von FBBE-Fachkräften gibt es in Österreich und Finnland.

Eine weitere Aufgabe, die man sich gestellt hat, ist die Forderung des Wohlergehens von Kindern durch positives Erziehungsverhalten. Hierfür wurde das „Nationale Zentrum Frühe Hilfen“ in Deutschland gegründet. In Malta wird das Wohlergehen durch die Einführung nationaler Strategiepolitik für positives Erziehungsverhalten gefördert. Zusätzlich wurden noch verschiedene Informationsplattformen erstellt.

Zuletzt werden die familienorientierten Hilfen vorgestellt. Es gibt eine große Anzahl an Kindern, die in Heimen aufwachsen. Um dem entgegenzuwirken, arbeitet man an Pflegeorganisationen. Für eine schnellere Umsetzung gibt es finanzielle Unterstützungen unter anderem aber auch Aufklärungskampagnen.

Die letzte der drei Säulen handelt von dem Partizipationsrecht von Kindern. Kinder sollen bei Aktivitäten nicht vergessen werden. Dies gilt sowohl für Freizeitaktivitäten bis hin zur Einbeziehung in gerichtliche Verhandlungen. Auch in der Politik und Leistungsplanung ist die Meinung der Kinder von immer größerer Bedeutung. Hier wird auf das Alter der Kinder geachtet.

In der „Erklärung von Bukarest“ wurde zusammen mit Kindern eine Erklärung verfasst. Diese dient als politische Verpflichtung. Damit möchte man den Kindern die Mitbestimmung an Themen, die sie betreffen, bieten. Die Möglichkeit zur Teilhabe, Repräsentation und Strategien zur Selbstbestimmung von Kindern wird nicht nur in der Erklärung von Bukarest gefordert, sondern auch in der Initiative „Child Participation Assessment Tool“. Dieses Projekt wird in mehreren EU-Mitgliedsstaaten bereits umgesetzt. Das „Child Participation Assessment Tool“ gibt Auskunft darüber, wie gut das Recht von Kindern auf Teilhabe umgesetzt wird.

Zuletzt gibt es noch die EU-Jugendstrategie. Sie hat als Ziel die Verbindung junger Menschen. Die Jugendstrategie soll junge Erwachsene anregen, ein staatsbürgerliches und demokratisches Leben zu führen.

Abschließend kann man sagen, dass in vielen Bereichen ein großer Fortschritt geschaffen wurde. Doch die große Herausforderung steht immer noch vor uns. Kinderarmut und die soziale Eingliederung von Kindern bereiten weiterhin Bauchschmerzen. Es ist ein komplexes Thema, das uns noch lange begleiten wird. Grundsätzlich sind die Prinzipien der EU die richtigen, aber die Umsetzung in den einzelnen Ländern ist sehr schwierig und langsam.

In Deutschland ist durch das föderale System die Schulpolitik Ländersache. Und wenn man sieht, wie schwierig es ist, eine Vereinheitlichung der Schulpolitik zwischen den Ländern zu erreichen, dann kann man sich vorstellen, wie schwierig es zwischen den 27 Mitgliedstaaten ist. Trotzdem wurde in den letzten Jahren viel erreicht, z.B. die Elternzeit, Frühförderprogramme in KiTas, Inklusion in Schulen, die Erhöhung von Elterngeld und Kindergeld, was mehr oder weniger auch auf die Initiativen und Programme der EU zurückzuführen ist.

Im Folgenden eine kurze Zusammenfassung der Empfehlungen der Europäischen Säulen sozialer Rechte:

Zugang zu angemessenen Ressourcen

  • Verbesserung der Ressourcen im Zusammenhang zwischen dem Arbeitsplatz und dem Familienleben
  • Mutterschafts-, Vaterschafts- und Erziehungsurlaub
  • Kindergarantie für gefährdete Kinder
  • Unterstützung für Großfamilien

Zugang zu erschwinglichen, qualitativ hochwertigen Dienstleistungsangeboten

  • Verringerung von Ungleichheit
  • Unterstützung von Kindern mit besonderen Hindernissen
  • Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE)
  • Positives Erziehungsverhalten
  • Familienorientierte Hilfen

Partizipationsrecht von Kindern

  • Teilhabe von Kindern an Aktivitäten sowie an gerichtlichen Verhandlungen
  • „Erklärung von Bukarest“
  • Child Participation Assessment Tool
  • EU-Jugendstrategie

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