In diesem Beitrag stellt Antonia Pollmer folgenden Aufsatz vor:
Rüger, Carolin (2021): 20 Jahre nach 9/11 – Wie zukunftsfähig ist die Außenpolitik der Europäischen Union?; in: Zeitschrift für Politikwissenschaft, 31, S. 617-626, online unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s41358-021-00293-0.
In der Vergangenheit hat es weltpolitisch viele historische Einschläge gegeben, zu denen als prägendes Ereignis vor allem die Terroranschläge in den USA zu Beginn des 21. Jahrhunderts am 11. September 2001 zählen. Der darauffolgende "Krieg gegen den Terror", welcher von den Vereinigten Staaten geführt wurde, ist in diesem Zusammenhang natürlich auch zu nennen. Letztes Jahr wurde dieser allerdings durch den Abzug und Evakuierung der Truppen aus Afghanistan nach der Machtübernahme durch die Taliban beendet, in dessen Folge sich ein erschreckendes Szenario anschloss.
Die Europäische Union hinterließ kein positives Bild ihrer Sicherheitspolitik, da sie nur bedingt Rückholungen der Kräfte und Bürger*innen vor Ort organisieren konnte und nicht im Stande war, den Flughafen Kabul ohne weitere Hilfe zu sichern. In diesem Zuge stellt sich die Politikwissenschaftlerin Dr. Carolin Rüger in ihrem Aufsatz die Frage: „20 Jahre nach 9/11 – wie zukunftsfähig ist die Außenpolitik der Europäischen Union“ und nimmt dabei Bezug auf das globale Handeln und globale Herausforderungen.
Durch die Beschreibung der Dimensionen der Außenpolitik, der Beleuchtung von internen Stärken und Schwächen sowie externen Chancen und Risiken durch eine SWOT-Analyse möchte sie klären, wie es aktuell um die Außenpolitik in einer Welt voller Umbrüche steht und wie sie zukünftigen Herausforderungen entgegenwirken kann.
Zunächst beginnt die Autorin, die EU-Außenpolitik in ihren vielfältigen und mehrdimensionalen Zusammenhängen zu beschreiben. Zu diesen gehören als wichtige intergouvernementale Bestandteile die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Essenziell ist außerdem die supranationale Gemeinschaftsdimension, welche die Handelspolitik, die Entwicklungszusammenarbeit und die Humanitäre Hilfe einschließt und sich durch die Gemeinschaftsmethode von der intergouvernementalen Dimension der GASP und GSVP unterscheidet.
Weiterhin nennt die Autorin die sogenannten restriktiven Maßnahmen, die eine eigene Dimension bilden und sowohl intergouvernemental als auch supranational agieren und die Erweiterungspolitik sowie die Europäische Nachbarschaftspolitik. Die externe Dimension von internen Politikbereichen zählt außerdem zur mehrdimensionalen Außenpolitik der EU. Darunter fallen die Klimapolitik, die externen Implikationen des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sowie die mannigfaltigen Aktivitäten der EU zur globalen Regulierung der Digitalisierung. Diese kurze Vorstellung ermöglicht Rüger, die Komplexität und Vielgestaltigkeit der EU-Außenpolitik sowie die verschiedenen Dimensionen aufzuzeigen, um ein „umfassendes Bild der globalen Rolle der EU heute und in der Zukunft zu gewinnen“.
Um die Zukunftsfähigkeit der EU-Außenpolitik und die Position im globalen Wettbewerb festzustellen, erfolgt im Folgenden eine SWOT-Kurzanalyse. Dieses Konzept ist ein Instrument der verbal-argumentativen Bewertung und untersucht drei zentrale interne Stärken und Schwächen des Akteurs sowie je zwei externe Chancen und Risiken der EU-Außenpolitik. Die Analyse und Bewertung folgt dabei dem Kriterium der Zukunftsfähigkeit bzw. der Weltpolitikfähigkeit der Europäischen Union im globalen Wettbewerb.
Die erste interne Stärke, welche Rüger herausgearbeitet hat, ist die wirtschaftliche Stärke und Relevanz der Europäischen Union in der Welt trotz einiger Krisen und nach dem Brexit. Dazu zählen vor allem die Bedeutung des Euros in der Welt, die Mitgliedstaaten der EU und ihre Entwicklungshilfezahlungen sowie deren Machtausübung. Ein bedeutender Faktor, der die EU zu einer Weltwirtschafts- und Gestaltungsmacht macht, ist das Gewicht des Binnenmarktes, der weltweit globale Standards setzt.
Eine weitere essentielle Stärke ist die Mehrdimensionalität der EU-Außenpolitik und im Speziellen ihre Handlungsbereiche sowie der zivil-militärische Ansatz der Union beim Krisenmanagement, wodurch sie einen dualen Ansatz verfolgt. Aufgrund dessen ist die Europäische Union einzigartig gegenüber anderen globalen Akteuren, wie beispielsweise der NATO, die nur auf militärischer Basis wirkt. Auch mit Hilfe der verschiedenen Dimensionen der Außenpolitik kann sie zukünftigen Herausforderungen und Bedrohungen effektiv begegnen.
Die letzte Stärke des ersten Teils der Kurzanalyse betrifft die Kooperation, die den Krieg beendet hat und den Frieden wahrt. Bedeutend für die Erhaltung des Friedens und das Handeln auf globaler Ebene sind dabei Grundsätze wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Grundfreiheiten, Gleichheit und Solidarität, die wichtig für die Entstehung, Entwicklung und Erweiterung der Europäischen Union waren.
Ergänzend zu diesen Prinzipien spielt der Multilateralismus ebenso eine bedeutende Rolle, da die EU somit zeigt, dass die Kooperation vor allem zwischen den Mitgliedstaaten selbst unter schwierigen und herausfordernden Situationen möglich ist. Diese Stärke ist gerade im Zusammenhang zur Erhaltung des Friedens und zur Stärkung von internationalen Beziehungen bedeutsam.
Ein erstes Defizit, das die Analyse herausstellt, ist der fehlende politische Wille. Da die Mitgliedstaaten noch viel Freiraum genießen, besteht wenig Platz für europäische Interessen. Dies führt zu einer fehlenden militärischen Bündelung und bedeutenden Lücken in der Zusammenarbeit. Die zweite Schwäche bezieht sich auf die Fragmentierung der europäischen Institutionen, da die Verwaltung der EU-Außenpolitik auf verschiedene Politikbereiche aufgeteilt ist.
Die dritte Schwäche, die die Autorin herausarbeitet, ist die fehlende Rechtsstaatlichkeit von einzelnen Mitgliedstaaten und betrifft daher interne Probleme. Aufgrund dessen entstehen Begleiterscheinungen, die die Glaubwürdigkeit der Union und Schäden der Handlungsfähigkeit betreffen und sich daher negativ auf die globale Rolle der EU auswirken können.
Der nächste Schritt der SWOT-Analyse beschränkt sich auf die Ausarbeitung von jeweils zwei Chancen und Risiken, die sich im Wettbewerbs- und Handlungsumfeld bieten. Die erste Möglichkeit, die sich im aktuellen internationalen Umfeld ergibt, ist die Kooperation der Mitgliedstaaten. Diese ermöglicht es ihnen, zusammen Entscheidungen zu treffen und zu handeln, da sie nur durch gemeinsames Wirken über eine Gestaltungsmacht verfügen und die europäische Souveränität befördert werden kann.
Eine weitere Chance bietet sich aus dem globalen Wettbewerb der Systeme, wodurch sich ein Weg für die Europäische Union zwischen den zwei Weltmächten USA und China bietet. Die Union kann auftretende Leerstellen nutzen, um sich einen „spezifisch europäischen Zugang als Wettbewerbsvorteil aufzubauen.“
Die erste Bedrohung, die sich aus dem globalen System herausstellt, sind die aufsteigenden autoritären Mächte und Konfrontationen mit deren autoritären Ordnungsvorstellungen, welche die liberale Demokratie bedrohen. Vor allem die Türkei, Belarus oder Russland, auf dessen Kooperationen die EU angewiesen wäre, stellen ein großes Risiko für die Zusammenarbeit dar.
Weitere Risiken sind die zukünftigen und schwer zu lösenden Herausforderungen. Dazu zählen Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Cyber-Kriminalität, Pandemien, organisierte Kriminalität, Menschenhandel, illegale Migration, hybride Bedrohungen sowie Umweltzerstörung und allen voran der Klimawandel inklusive dessen Folgen.
Mit Hilfe der SWOT-Analyse konnte überblicksartig ein Eindruck von der Außenpolitik der Europäischen Union, ihrer Stärken und Schwächen sowie Bedrohungen und Chancen gewonnen werden. Blickt man auf die Vergangenheit zurück, lässt sich eine positive Entwicklung der EU- Außenpolitik hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit und des globalen Handelns feststellen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen