Mittwoch, 19. Dezember 2018

EU-Exkursion 12/2018: Sklaverei als Thema im Haus der europäischen Geschichte

Ein Beitrag von Lilly Bock

Sklaverei in Europa - Bemerkungen zu einer Vitrine im Haus der europäischen Geschichte in Brüssel

Im Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel befindet sich die oben gezeigte Vitrine. Auf rotem Grund ist dort eine Halsfessel für drei Menschen ausgestellt. Im ersten Moment weiß man als Betrachter*in nicht wirklich, wie man dieses barbarische Werkzeug in die europäische Geschichte einzuordnen hat. Dies liegt wohl vor allem daran, dass Sklaverei für die meisten eher der amerikanischen als der europäischen Geschichte zuzuordnen ist. Und doch ist der Sklav(*innen)enhandel, wie auch in der Information zu dieser Vitrine zu lesen ist, "ein nicht zu leugnender Teil der europäischen Geschichte."

Der Sklav*innenenhandel wurde durch monarchische europäische Staaten, wie z.B. Portugal, systematisch gefördert. Die Profitgier veranlasste diese Staaten dazu, sich am transatlantischen Sklav*innenenhandel zu beteiligen. Dies erwies sich als lukratives Geschäft. Schiffe wurden mit kostbaren Rohstoffen wie Kaffee oder Zucker beladen, die man afrikanischen Stammesfürsten zum Tausch anbieten konnte.

Die mit Sklav*innen beladenen Schiffe fuhren dann nach Amerika, wo die in Afrika ersteigerten Menschen an die Höchstbietenden verkauft wurden. Daraufhin wurden die europäischen Schiffe erneut mit Rohstoffen beladen, diesmal aus den Kolonien. Besonders beliebt waren Baumwolle, Tabak und Edelmetalle. Kehrten die Schiffe dann nach Europa zurück, hatte der Menschenhandel meist einen gewaltigen Profit erbracht. Auch in die Karibik wurden diese europäischen Sklav*innenenschiffe verfrachtet. Ein transnationales Geschäft entstand.

In den fast vierhundert Jahren, in denen dieses Geschäft bestand, wurden schätzungsweise zehn bis zwölf Millionen Schwarzafrikaner*innen lebend nach Amerika verschleppt. Weitere vier bis fünf Millionen wurden an die Karibik geliefert. Bedenkt man die oft katastrophalen Gesundheitsbedingungen, die auf den Sklav*innenschiffen herrschten und die damit verbundene hohe Todesrate, ist diese Zahl mehr als erschreckend. Bis zu 40 Millionen Menschen sollen aus ihrer afrikanischen Heimat verschleppt worden sein und unter katastrophalen Bedingungen - angekettet, geschlagen und hungernd - trauriger Bestandteil eines traurigen Kapitels der europäischen Geschichte geworden sein.

Erst im 19. Jahrhundert wurde der Sklavenhandel in Europa endgültig abgeschafft. Oder doch nicht? Direkt unter der ausgestellten Halsfessel befindet sich ein kleines Bild des Streetart-Künstlers "Banksy". Darauf sieht man ein Kind, das vor einer Nähmaschine kniet und eine britische Flagge näht. Der stets gesellschafts- und konsumkritische Künstler spielt hier darauf an, dass Europa auch heute noch von der Arbeit profitiert, die Menschen (auch Kinder) unter unwürdigen Bedingungen verrichten müssen, um unseren Konsumstandard zu erhalten. Auch wenn heute keine Halsfesseln mehr benutzt werden, sind Europas Hände nicht frei von Menschenblut in unserer heutigen Zeit, und die Vitrine ist daher nicht nur eine schmerzliche Erinnerung an ein dunkles, längst vergangenes Kapitel der europäischen Geschichte, sondern ein Mahnmal für die Gegenwart.

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