Montag, 17. Dezember 2018

Exkursionsbericht

Foto: Ragnar Müller
„Europa vor dem Brexit“ - Exkursion nach Luxemburg und Brüssel (02.- 05.12.2018)

Ein Bericht von Lisa Knapp und Nadine Schäfer

 Sonntag 2 Dezember 2018 

07.30 / 8.30 Abfahrt

Nachdem zunächst in Ludwigsburg und anschließend in Plieningen die TeilnehmerInnen der Brüssel-Exkursion in den Bus eingestiegen sind, ging es los. Zur Einstimmung wurde ein Quiz zu Merkmalen, Fakten etc. rund um die EU verteilt, welches kurz vor der Ankunft in Schengen besprochen wurde. Außerdem vergegenwärtigten wir uns, wo die EU und ihre Regelungen bereits am frühen Morgen Auswirkungen auf unser Leben haben, zum Beispiel beim Frühstück (Herkunftsort von einem Ei) oder im Badezimmer beim Zähneputzen.

12.15-14.15 Zwischenstopp in Schengen:

„Das Schengen-System und seine Darstellung im Schengen-Museum“

Im Schengen-Museum wurde die Gruppe zunächst von zwei Mitarbeiterinnen des Europe Direct Schengen begrüßt, die die Vorteile des Schengenraumes anhand eines Dialoges auf Luxemburgisch und Deutsch darstellten und mit dem Beispiel Neuseeland vom Nicht-Schengenraum abgrenzten. Nils Bunjes vom Europa Zentrum Baden-Württemberg führte anschließend in den Seminarablauf ein und fragte die Erwartungen der TeilnehmerInnen ans Seminar ab. Anschließend konnte sich jeder individuell über die Infotafeln einlesen. Besonderes Interesse der TeilnehmerInnen fanden auch die Sternsäulen des Museumsvorplatzes mit charakteristischen Eigenschaften der einzelnen Schengen-Länder. Dabei konnte man ebenfalls die Schiffsform des Museums betrachten, welche an das Schiff MS Princess Marie-Astrid angelehnt ist, auf dem am 14. Juni 1985 das Schengener Abkommen unterschrieben wurde. Das Schiff diente als Ort, um das Abkommen direkt an der Grenze von Deutschland, Frankreich und den Benelux-Staaten zu signieren.


15.00-16.15 Historisch-politische Stadtführung durch Luxemburg-Stadt mit Europaviertel

Geführt wurde die Gruppe von Frau Heide Walch durch das Stadtzentrum Luxemburgs. Zu Beginn betrachteten wir das Schloss und das Chambre des Députés (die Abgeordnetenkammer des Großherzogtums Luxemburg). Interessant war an dieser Stelle, dass man aufgrund der aneinander grenzenden Gebäude durch eine Tür „von der Monarchie in die Demokratie“ gelangt. Einmalige Lampen mit Gesichtern „bewachen“ das Abgeordnetenhaus Tag und Nacht. Im Zentrum der Stadtführung stand immer wieder die Bedeutung von Robert Schuman, der in Luxemburg geboren und aufgewachsen ist und als einer der Gründungsväter der Europäischen Union gilt. Laut Aussagen der Stadtführerin befinden sich die europäischen Institutionen in Luxemburg heutzutage an jenem Ort, wo Schuman aufgewachsen und vermutlich viel gespielt hat.

Immer wieder wurde die kleine Größe des Landes thematisiert und gleichzeitig aufgezeigt, wie bedeutsam das Land trotz allem für die EU ist. Unterstützt wird dies durch die vielen PendlerInnen aus den angrenzenden Staaten, die täglich zum Arbeiten nach Luxemburg kommen. Frau Walch machte uns darauf aufmerksam, dass in Luxemburg Wahlpflicht herrscht, welche auf die geringe Einwohnerzahl zurückzuführen ist. Luxemburg hat ca. 600.000 EinwohnerInnen, davon einen Ausländeranteil von 47%. Laut eigenen Recherchen waren bei der Wahl im Oktober nur ca. 256.000 LuxemburgerInnen wahlberechtigt.

Im Anschluss fuhr die Gruppe mit Frau Walch über eine rote Stahlbrücke, die das Europaviertel mit der Stadt verbindet. Dabei kamen wir an einem Stahlpfeiler vorbei, der symbolisch für die sechs Gründungsländer der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl sechs Spitzen besitzt. Alleine im Europaviertel gibt es 21.000 Arbeitsplätze, viele BänkerInnen und DolmetscherInnen führen dort ihre Tätigkeiten aus. Außerdem hat der 1952 gegründete Europäische Gerichtshof hier seinen Sitz. Im selben Jahr wurde im Europaviertel auch die erste Europaschule gegründet. Diese ist für jene Kinder gedacht, deren Eltern häufig aufgrund ihrer Arbeit für die Europäische Union umziehen müssen. Abschließend fuhren wir an einem großen Stuhl vorbei, der verdeutlicht, dass es noch „viel Platz auf dem Platz Europa“ gäbe.

16.15-19.00 Fahrt nach Brüssel

Auf dem Weg von Luxemburg nach Brüssel folgte das Brexit-Quiz, um alle TeilnehmerInnen annähernd auf den gleichen Wissenstand zu bringen. Diesbezüglich machte Herr Bunjes einige interessante Anmerkungen zur Beziehung Großbritanniens und der EU mit Blick auf die vergangenen 40 Jahre. Hauptsächlich standen diesbezüglich die Folgen eines automatischen Austrittes aus der EU im Fokus, der erfolgt, wenn man innerhalb von 2 Jahren nach Bekundung des Austritts seines Landes keine Einigung mit den anderen Mitgliedsstaaten über einen Vertrag erreichen konnte. Die Folgen sind auf den ersten Blick nicht zu erfassen und umfassen viele Bereiche.

Montag 3. Dezember 2018

09.00-12.00 „Migratorische und soziologische Wirkungen der EU auf die Stadt Brüssel“

Gemeinsam mit Malte Woydt startete der Tag mit einer alternativen Begehung, deren Ziel es war, hinter die Fassade der Stadt zu schauen und dabei sowohl historisch-soziologische wie auch migratorische Aspekte der EU-Hauptstadt kennen zu lernen. In diesem Zuge klärte er uns darüber auf, dass unter Brüssel zum einen die größere Hauptstadtregion zu verstehen ist und zum anderen jenes Brüssel, welches zu den 19 unabhängigen Gemeinden dieser Region zählt.

Herr Woydt führte im weiteren Verlauf aus, dass die BelgierInnen keinen starken Staat wollen, womit gemeint ist, dass zum Beispiel nicht alle EinwohnerInnen gemeldet sind und daher unter anderem eine Strafverfolgung im akuten Fall erschwert ist. Dies wirkt aus deutscher Sicht befremdlich, wird aber laut Aussage des Referenten von den BelgierInnen befürwortet, da sie sich so der strikten Kontrolle des Staates in vielen Punkten entziehen können. Dazu zählt, dass Belgien das Kinderrecht auf Bildung nicht am Aufenthaltsstatus festmacht, sondern allen Kindern der Zugang zur Schule ermöglicht wird.

Die Innenstadt ist zunächst aufgeteilt in die östliche Oberstadt auf dem Hügel und die westliche Unterstadt im Tal. Auffällig ist dabei, dass die Reichen im Osten der Stadt leben und die ärmere Bevölkerung im Westen, obwohl dies aufgrund der besseren Luft im Westen in vielen Großstädten andersherum ist. Dabei fällt auf, dass sich die Stadt besonders in den teureren östlichen Teil der Stadt ausbreitet. Dies ist ein Beispiel dafür, dass die Teilnehmenden auf der Reise nicht nur viel über die europäischen Institutionen gelernt haben, sondern auch ihr Allgemeinwissen erweitern konnten.

Im weiteren Verlauf wurde die Bildungspolitik Belgiens thematisiert. Dies war insbesondere für die Lehramtsstudierenden von Interesse. In Belgien gehen die Kinder 6 Jahre in die Grundschule, an die die 6-jährige Oberschule anschließt, welche mit dem separierenden System in Deutschland verglichen werden kann. Ein Rahmenlehrplan gibt für alle Schularten das Gerüst vor, wobei die kirchlichen und staatlichen Schulen dies jeweils durch ihre Detaillehrpläne konkretisieren. Anhand der Schullandschaft lässt sich ebenfalls die Aufteilung Belgiens in ein katholisches und liberales Netzwerk verdeutlichen, da 60% der Schulen katholisch sind. Die Jugendarbeitslosigkeit stellt ein großes Problem in Belgien dar und ist laut Herr Wodyt unter anderem auf die qualitativ minderwertige Praxis während der Ausbildung zurückzuführen.

1/3 der Bevölkerung von Belgien sind AusländerInnen, in Brüssel haben sogar 72% mindestens ein ausländisches Elternteil. Daher sprach Herr Wodyt davon, dass es in der Hauptstadt keine Mehrheitsgesellschaft gibt. Das wirkt sich auch politisch aus, da man sich in diesem Zuge die Frage stellen muss, in welche Gesellschaft überhaupt integriert werden soll.

Besonders beeindruckend ist, dass Brüssel mit einem Durchschnittsalter von 37 Jahren eine sehr junge Stadt ist. Zusätzlich gibt es eine Geburtenrate von 1,8 Kindern pro Frau – im europäischen Vergleich quasi ein Babyboom. Dies hat zur Folge, dass die Stadt derzeit sehr viele Ressourcen in den Schulbau investieren muss.

Während der Fahrt erhielten wir Einblicke in das Europaviertel sowie in das arme Viertel Molenbeek, dabei wurden Kontraste sehr stark sichtbar. Das Besondere an Molenbeek ist, dass einige den sozialen Aufstieg in kurzer Zeit vollziehen, während andere nicht aus der Armut herauskommen. Dies führt bei jenen Bevölkerungsgruppen zu Frustration und Unzufriedenheit.

Unsere Fahrt endete im Europaviertel, das durch die Gebäude der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlamentes, des Rates der Europäischen Union und die vielen Botschaften und Büros von Lobbyisten geprägt ist.

13.00-14.00 Informationsbesuch im Parlamentarium: „Europa entdecken über das Parlamentarium“

Nach einer kurzen Mittagspause hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, sich im Parlamentarium zur Geschichte, Entwicklung und Zukunft der Europäischen Union und der Arbeit im Parlament zu informieren.

14.15 Informationsbesuch in der EU-Kommission:

„Die Rolle der Europäischen Kommission in der EU“

Am Mittag wurden wir von Joachim Wiemann in der Europäischen Kommission begrüßt. Herr Wiemann ist Beamter bei der Kommission und ist aktuell im Generalsekretariat für die Binnenmarktkoordination verantwortlich. Anfangs stellte er die EU-Kommission und ihre Aufgaben vor. Dabei verdeutlichte er, dass die 28 Kommissare der Mitgliedstaaten das europäische und nicht das nationale Interesse vertreten. Laut Aussagen von Herr Wiemann begründet dies auch, warum die EU-Kommission das alleinige Initiativrecht innehat. Von Seiten der Studierenden wurde gefragt, weshalb die ParlamentarierInnen ihr Wissen und ihre Ideen nicht im gleichen Maße einbringen können. Jenem Aspekt entgegnete er, dass dies zu einem Ungleichgewicht zwischen dem Parlament und dem Rat der Europäischen Union führen würde. In diesem Zusammenhang zeigte der Referent auf, dass der Kommission 30.000 Beamte zur Verfügung stehen, die die aufwendigen Gesetzesvorschläge erarbeiten. Im Gegensatz dazu besitzt das Parlament nur 10.000 Beamte und der Rat sogar nur 2.000 Beamte, woraus folgt, dass es für diese Institutionen schwieriger ist, einen Vorschlag von gleicher Qualität zu unterbreiten. Das alleinige Initiativrecht ist somit darauf aus, dass nur Vorschläge eingebracht werden, die wirklich eine Chance haben.

Im weiteren Verlauf stand der mehrjährige Finanzrahmen der EU im Fokus, welcher für sieben Jahre angelegt ist und somit für Planungssicherheit sorgt. Die Höhe der einzelnen Geldbeträge muss daher auf den gesamten Zeitraum betrachtet und auch vor dem Hintergrund der Zuständigkeiten der EU bewertet werden.

Zum Ende seines ersten Vortrages erkundigte sich eine Studentin, wie man auf die Kritik der aufwendigen Bürokratie reagiert, die während dem Brexit mehrfach geäußert wurde. Hierzu verwies Herr Wiemann auf das Dilemma zwischen Gründlichkeit und Schnelligkeit, weshalb derzeit nicht mit einem Abbau der Bürokratie zu rechnen sei. Ein prägnantes Motto der ersten Einheit war: „Big on big, small on small“. Dieses begleitete uns auch im weiteren Verlauf.

16.15-18.00 „Der Europäische Binnenmarkt“

Zu Beginn seiner zweiten Präsentation verdeutlichte Herr Wiemann die vier Freiheiten des Binnenmarktes (freier Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital). In diesem Zuge hob er das Diskriminierungsverbot hervor, welches unter anderem besagt, dass Waren eines Mitgliedstaates im Sinne des Wettbewerbsprinzips des gemeinsamen Binnenmarktes nicht an anderen Landesgrenzen der EU zurückgewiesen werden dürfen. Im Austausch mit den TeilnehmerInnen ergab sich die Frage, warum die EU die Bildung nicht vereinheitliche im Hinblick auf berufliche Qualifikationen. Herr Wiemann entgegnete diesbezüglich, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten die kulturelle und bildungspolitische Zuständigkeit behalten möchten. Außerdem entkräftete er die Kritik, welche der EU im Hinblick auf ihre Regelung von Kleinigkeiten entgegengebracht wird. Laut ihm ersetzt eine gründliche EU-Vorschrift 28 andere und ist somit keine Kleinigkeit.

Ganz im Sinne des Mottos der Exkursion „Europa vor dem Brexit“ bekundeten die TeilnehmerInnen ihr Interesse hinsichtlich der Vor- und Nachteile eines weichen bzw. sehr weichen Brexits. Da der Brexit für alle Beteiligten eine Lose-Lose-Situation darstellt, sind alle an einer Schadensbegrenzung interessiert. Jedoch möchte man „Cherry-Picking“ vermeiden, um so präventiv die Gefahr von Nachahmung anderer Mitgliedsstaaten zu minimieren. Allerdings gilt wohl auch, dass der Brexit aufgrund seines enormen Regelungsbedarfs ohnehin Nachahmer abschrecken sollte.

Abschließend wurde die Möglichkeit von europäischen Medien diskutiert, die der Verzerrung von nationaler Berichterstattung entgegenwirken sollte. Dabei machte Herr Wiemann auf bereits vorhandenes Online-Material aufmerksam und unterstrich zugleich das beschränkte Budget als ein Hindernis. Eine europaweite Medienanstalt ist derzeit unwahrscheinlich, bedeutsam ist vor allem, dass die nationalen Meinungsmacher mit eigenen Korrespondenten in Brüssel vorhanden sind und somit kompetent informieren. Im Anschluss an den Vortrag wurde die bisherige Europaerfahrung in Brüssel individuell abgefragt.

Dienstag 4. Dezember 2018

09.00-10.00 Besuch in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland:

„Wie nehmen die Mitgliedstaaten Einfluss in Brüssel?“

Bernd-Ulrich von Wegerer, der Leiter des Arbeitsbereiches Rüstungspolitik, begrüßte die Teilnehmenden in der Ständigen Vertretung der BRD. Zunächst erläuterte er die Zuständigkeiten der Vertretung. Dabei betonte er den Unterschied zwischen Vertretung und Botschaft. Da Europa kein völkerrechtlich anerkannter Staat ist, kann die Vertretung nicht den offiziellen Status einer Botschaft haben. Bezüglich des Aufgabenfeldes betonte er, dass die MitarbeiterInnen der Vertretung "eigentlich nur essen und trinken für Deutschland". Darunter versteht man, dass Netzwerke gepflegt werden, um bereits frühzeitig auf mögliche Änderungen aufmerksam zu werden. In diesem Zusammenhang sprach er von dem "Spiegel der Bundesregierung", den sie in Brüssel darstellen.

Insgesamt arbeiten ca. 250 MitarbeiterInnen bei der ständigen Vertretung. Die Stellen werden jedoch auf ca. 400 aufgestockt bis zum 1. Juli 2020, da Deutschland ab diesem Zeitpunkt die Ratspräsidentschaft innehat. Dabei betonte er die kurze Verweildauer der Mitarbeiter von nur 3-4 Jahren bei der Ständigen Vertretung, weshalb es durchgehend zu einem Wechsel kommt. Die gute personelle Repräsentation eines Staates ist wichtig, da neben der EU auch die NATO bedient werden muss. Kleinere Staaten haben es daher schwerer und MitarbeiterInnen müssen häufig eine Doppelfunktion einnehmen (Beispiel Österreich). Die weisungsgebende Stelle der Vertretung ist das Auswärtige Amt, welche abhängig von der Situation eine engere oder weitere Sprache vorschreibt. Eine enge Sprache entspricht vorgeschriebenen Sätzen, die in Gesprächen wiedergegeben werden müssen.

Im Zentrum der Zuständigkeit steht zum einen die Repräsentation bei den verschiedenen Institutionen der EU und zum anderen die Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten. Darunter fällt es, Stimmungslagen auszumachen, gemeinsame Interessen zu finden, Kompromisse vorzubereiten, Allianzen zu schmieden und somit die Position gegenüber anderen Organen zu koordinieren. Daher kann die Arbeit der Vertretung klar als Lobbyarbeit der BRD bezeichnet werden. Die Lobbyarbeit stellte Herr von Wegerer grundsätzlich als bedeutsam dar, denn „ein Abgeordneter weiß auch nicht alles“. Ein wichtiger Mechanismus, um auch kleinere Vertretungen zu schützen, ist die Begrenzung des freien Zugangs der Lobbyisten zu den Abgeordnetenbüros zum selben Zeitpunkt auf ca 3-4 Personen aus dem gleichen Konzern, der gleichen Botschaft usw.

Zum einen nehmen sie Einfluss auf die Arbeit der europäischen Institutionen im Sinne der BRD und zum anderen melden sie direkt Gerüchte, die sich aus diesem Umfeld ergeben, an die Zuständigen in Berlin zurück. Daher fungieren sie als Frühwarnsystem und versuchen die Gerüchte in ihrer Bedeutung einzustufen. An dieser Stelle wurden die Aufgabenbereiche nur angerissen, jedoch geht es hauptsächlich darum, dass die Ständige Vertretung möglichst frühzeitig und viele gute Beziehungen in alle Richtungen pflegt.

Im Bezug auf das aktuelle Thema Brexit, äußerte Herr von Wegerer, dass die übrigen 27 Mitgliedsstaaten seit den Verhandlungen enorm zusammengewachsen seien. Sie folgen alle der Weisung von Herr Juncker, sich nicht auf inoffizielle Gespräche mit den Vertretern Großbritanniens bezüglich des Brexits einzulassen. Damit folgt man dem Gedanken, „erst die Scheidungspapiere, dann die Zukunftspläne“ zu besprechen.

Im zweiten Teil der Präsentation konzentrierte sich Herr von Wegerer auf die Rüstungspolitik. Er unterstrich die Bedeutung gemeinsamer Planungen, indem er aufzeigte, dass es momentan 154 verschiedene Waffensysteme innerhalb der EU gibt, die es zu reduzieren gilt, um eine Zusammenarbeit der Streitkräfte zu erleichtern. Dies zielt auf eine effiziente und preisgünstige Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU ab.

Zum Schluss wurde der emotionale Aspekt der Thematik deutlich, der bei einem Teil der Teilnehmenden Kritik hervorrief. In diesem Zusammenhang fiel folgende Aussage seitens einer Teilnehmerin: „Die Waffen kommen eh irgendwo her, dann kann ich auch noch Geld daran verdienen“.

10.30-13.00 Informationsbesuch im Europäischen Parlament

Sebastian Lang begrüßte uns im Auftrag des Parlaments-Vizepräsidenten Rainer Wieland, der aufgrund einer Dienstreise in den AKP-Staaten die Gruppe nicht persönlich empfangen konnte. Zu Beginn des Besuches wurde der Plenarsaal besichtigt. Dabei fielen vor allem die zahlreichen Dolmetscherkabinen auf. Im Plenum wird meist in die 24 Amtssprachen übersetzt. In den Sitzungen der Ausschüsse werden häufig nur 6-8 Sprachen angeboten, je nach Anwesenheit.

Obwohl der eigentliche Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg ist, liegt der Schwerpunkt der parlamentarischen Arbeit in Brüssel. Diese Situation ergibt sich daraus, dass das Kommissions- sowie das Ratsgebäude in unmittelbarer Umgebung liegen und die Arbeitsgespräche und Ausschussarbeiten als Grundlage für die Arbeit im Plenum wirkungsvoller und einfacher durchgeführt werden können.

Meist tagt in Brüssel nur das Miniplenum, in dem es um „abstimmen, abstimmen, abstimmen" geht. Die generellen Debatten im Plenum finden dagegen immer in Straßburg statt, wo das Parlament mindestens 12-mal im Jahr zusammentreffen muss. An diesen Tagen ist das Parlament nahezu vollständig anwesend, da die Termine frühzeitig reserviert werden und in aller Regel Priorität haben. Meistens erfolgt die Abstimmung elektronisch, was zum einen effizient ist und zum anderen auch die Möglichkeit bietet, anhand einer Abstimmungstafel die Entscheidung der einzelnen Abgeordneten zu erfassen.

Im Anschluss folgte das Gespräch mit Herrn Lang in einem Besprechungsraum. Zunächst wurden die verschiedenen Rollen von Herrn Wieland im Parlament erklärt. Er gehört zu den 14 Vizepräsidenten des Parlaments, die jeweils ein Dossier übernehmen. Er hat das Dossier der Gebäudeinfrastruktur und des Haushalts des Parlaments inne. Gleichzeitig nimmt er Repräsentationsaufgaben besonders in den AKP-Staaten wahr. Dabei ist er noch immer ein Abgeordneter mit Beteiligung in verschiedenen Ausschüssen des Parlaments.

Die TeilnehmerInnen interessierten sich für das Bestehen von europäischen Parteien. Herr Lang erklärte, dass es explizit keine europäischen gibt und diese sich aus den bestehenden nationalen Parteien zusammenfinden. Auf europäischer Ebene werden Finanzmittel mittlerweile als Anregung genutzt, um die Entwicklung europäischer Parteien voranzutreiben.

Zum Abschluss wurde noch die Frage der Gestaltung des Bürgerkontaktes aufgeworfen. Dabei machte der Referent auf die schwer verstehbaren Gesetzestexte aufmerksam, bei denen versucht wird, sie für die BürgerInnen verständlicher zu formulieren. Er verdeutlichte die eingeschränkte Reichweite der Abgeordneten, da sie viele BürgerInnen vertreten, und fordert in diesem Zuge auch die Initiative von jedem Bürger. Beispielhaft plädierte er für Besuche der europäischen Institutionen und appelliert, die daraus gewonnenen Erkenntnisse weiterzutragen.

14.15-15.15 Informationsbesuch im Scotland House: „Schottland vor dem Brexit“

Der Brexit wird von Seiten Schottlands bedauert. Mit Spannung wird nun der 11.12.2018 erwartet. An diesem Tag wird das Unterhaus von Großbritannien über das Austrittsabkommen abstimmen. Bis zum Schluss wird der Ausgang der Abstimmung wohl ungewiss bleiben. Das schottische Haus wünscht sich weiterhin Kontakt zu den Mitgliedsstaaten und der EU. Momentan sind die MitarbeiterInnen dabei, Ideen zu entwickeln, wie sie das mit ihrer neuen Rolle nach dem Brexit umsetzen können. Als Zeichen für ihre Bestrebungen kann der Ausbau des Scotland House in Brüssel gesehen werden. Damit betonen sie ihre fortwährende Repräsentanz.

Laut Aussagen der Referentin, Eleanor McKeegan, Senior EU Policy Executive , gibt es zu diesem Zeitpunkt keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Referendum durchgeführt werden soll, mit dem Ziel die Unabhängigkeit von Großbritannien zu erlangen und erneut der EU beizutreten. Beachtet werden muss dabei auch, dass Schottland 4-mal so viel Handel mit Großbritannien als mit der EU betreibt.

15.30-18.00 Informationsbesuch im Haus der Europäischen Geschichte

Im Anschluss hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit sich im Haus der Europäischen Geschichte über Gegebenheiten aus der Vergangenheit, sowie über Theorien und Entwicklungen der Gegenwart zu informieren, die die heutige Zusammensetzung der EU beeinflussten und dazu anregten sich über die Zukunft Europas Gedanken zu machen. Zum Abschluss des Tages wurden wieder die Brüsseler Tageserfahrungen ausgetauscht.

Mittwoch, 5. Dezember 2018

09.00-12.45 Informationsbesuch im Rat der Europäischen Union:

„Die Rolle des Rates der Europäischen Union im institutionellen Gefüge“

Nach zahlreichen Sicherheitsvorkehrungen, die typisch für die Institutionen sind, trafen wir den Referenten in einem Sitzungsraum. Er ist seit 2006 im Ratssekretariat tätig und arbeitet aktuell für das Krisenmanagement. Unter dem Dach des Gebäudes befinden sich zwei ähnlich klingende Institutionen mit unterschiedlichen Aufgabenschwerpunkten. Zum einen der Europäische Rat und zum anderen der Rat der Europäischen Union. Im Europäischen Rat treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, momentan ist Donald Tusk der Präsident dieses Gremiums. Der Rat der Europäischen Union besteht aus den FachministerInnen der Mitgliedsstaaten, die (rotierende) Ratspräsidentschaft hat aktuell Österreich inne. Der Rat der Europäischen Union ist in 10 Ratskonstellationen untergliedert, die sich jeweils auf einen bestimmten Themenbereich beziehen, wie zum Beispiel Arbeit und Soziales, Finanzen, Agrarwirtschaft. Demnach treffen in diesen Konstellationen die jeweiligen ExpertInnen eines Fachbereiches zusammen. Laut aktuellem Stand arbeiten 3.006 MitarbeiterInnen im Ratsgebäude, zusätzlich sind täglich 2.000- 5.000 BesucherInnen, Beamte oder MinisterInnen etc. im Haus.

Der Referent betonte vor allem die Zusammenarbeit zwischen der Kommission, dem Parlament und dem Rat. Außerdem besteht die Aufgabe des Sekretariates darin, frühzeitig Entwicklungen bei der Terminplanung verschiedener Sitzungen zu beachten.

Da bereits während der Erarbeitung eines Gesetzesvorschlages Interessensverbände und die Öffentlichkeit im Allgemeinen einwirken kann, trat die Frage auf, inwiefern organisierte Lobbyarbeit Einfluss nehmen kann. Der Referent betonte die Möglichkeit eines jeden Bürgers, sich aktiv an die Kommission zu wenden und sich durchgehend über das Online-Portal der Kommission informieren zu können. Trotz allem kann man an dieser Stelle den Mehrwert einer gut organisierten und vernetzten Organisation nicht verschweigen.

Gleichzeitig sind ca. 200 Gesetzgebungsverfahren am Laufen, die eine gute Vorarbeit durch die themenspezifischen 213 Arbeitsgruppen des Rates der Europäischen Union voraussetzen. Je nach Themengebiet entstehen Querverbindungen, um für die MinisterInnen die wesentlichen Aspekte herauszuarbeiten und eine abschließende Entscheidung zu erleichtern.

Dabei müssen sie zuerst klären, ob der Gesetzesvorschlag eine gute Idee ist. Meist ist diese Frage sehr schnell geklärt, da die Kommission den Vorschlag bereits ca. 1- 1 ½ Jahre im Kontakt mit der Öffentlichkeit geprüft hat. Anschließend geht es darum, zu entscheiden, ob man den Inhalt des Gesetzes angehen möchte und ob das Vorgehen öffentlichkeitswirksam dargestellt werden soll. Zum Schluss muss geklärt werden, welche Instanz für die Finanzierung des Vorhabens zuständig ist.

Dieses dreistufige Modell lässt sich sowohl auf die Arbeitsschritte in den technischen Arbeitsgruppen übertragen, sowie auf die Diskussionsebene der BotschafterInnen, MinisterInnen und Staatchefs. In der Regel münden alle Vorschläge in einem Gesetz.

Im Anschluss an das sehr informative und aufschlussreiche Gespräch wurde die Seminarauswertung durchgeführt. Beim Hinausgehen hatten die TeilnehmerInnen noch die Möglichkeit, das neue Gebäude des Europäischen Rates neben dem alten Ratsgebäude, eine gläserne Amphore, von Innen zu sehen. Ein Merkmal des Gebäudes sind die aus Eiche gefertigten Fenster, welche recycelt sind und aus allen 28 Mitgliedsstaaten zusammengetragen wurden.

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