Samstag, 15. Dezember 2018

EU-Exkursion 12/2018: Besuch im Rat der EU

Foto: Ragnar Müller
Ein Bericht von Lisa Knapp und Nadine Schäfer

Mittwoch, 5. Dezember 2018, 9.00-11.30 Informationsbesuch im Rat der Europäischen Union: „Die Rolle des Rates der Europäischen Union im institutionellen Gefüge“

Nach zahlreichen Sicherheitsvorkehrungen, die typisch für die Institutionen der Europäischen Union sind, trafen wir den und zugeteilten Mitarbeiter des Rates in einem Sitzungsraum. Er ist seit 2006 im Ratssekretariat tätig und arbeitet aktuell für das Krisenmanagement.

Unter dem Dach des zweitgrößten Bürogebäudes Brüssels befinden sich zwei ähnlich klingende Institutionen mit unterschiedlichen Aufgabenschwerpunkten. Zum einen der „Europäische Rat“ und zum anderen der „Rat der Europäischen Union“. Als Europäischer Rat treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, momentan ist Donald Tusk der Präsident dieses Gremiums. Der Rat der Europäischen Union hingegen besteht aus den FachministerInnen der Mitgliedsstaaten, die (rotierende) Ratspräsidentschaft hat aktuell Österreich inne.

Der Rat der Europäischen Union ist in 10 Ratskonstellationen untergliedert, die sich jeweils auf einen bestimmten Themenbereich beziehen, wie zum Beispiel Arbeit und Soziales, Finanzen, Agrarwirtschaft. Demnach treffen in diesen Konstellationen die zuständigen MinisterInnen eines Fachbereiches zusammen und vertreten die Interessen ihrer jeweiligen Regierung.

3006 MitarbeiterInnen arbeiten im Ratsgebäude, zusätzlich sind täglich 2000- 5000 BesucherInnen, Beamte oder MinisterInnen etc. im Haus. Das Gebäude ist mit einer kleinen Stadt zu vergleichen, da es hier neben den vielen Sitzungsräumen, Restaurants, eine eigene Feuerwehr, eine Polizei und ein kleines Klinikum gibt.


Noch komplizierter wird die Unterscheidung der Räte, da es auch den „Europarat“ gibt, der einen ähnlichen Namen hat, jedoch in keiner institutionellen Verbindung zur Europäischen Union steht. Der Europarat setzt sich aus 47 Staaten zusammen, hat damit weit mehr Mitgliedsstaaten als die EU, die auf einer rein intergouvernalen Ebene zusammenarbeiten.

Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen bei der Gesetzgebung

Der Referent betonte vor allem die Zusammenarbeit zwischen der Kommission, dem Parlament und dem Rat. So hat die Kommission zwar das Initiativmonopol, der Rat kann aber auch Vorschläge für ein Gesetz einbringen. Die Kommission ist jedoch nicht daran gebunden, diese umzusetzen. Um im Sinne der Mitgliedsstaaten Gesetze auf den Weg zu bringen, ist der Kommissionspräsident (aktuell Juncker) ebenfalls bei den Treffen der Staats- und Regierungschefs dabei, um anschließend Vorschläge für Gesetze gemäß den Beschlüssen des Europäischen Rates machen zu können.

Die Aufgabe des Sekretariates besteht darin, frühzeitig Entwicklungen bei der Terminplanung verschiedener Sitzungen zu berücksichtigen, damit z.B. die MinisterInnen zusammenkommen, sobald mehrere Themen auf einmal abgearbeitet werden können und diese bis dahin bereits gut vorbereitet wurden. Die Planungen berücksichtigen vorausschauend auch schon Themen, die in der Kommission noch beratschlagt werden, aber noch nicht in einen offiziellen Gesetzesvorschlag gemündet sind.

Während der Erarbeitungsphase eines Gesetzesvorschlags nimmt die Kommission bereits Kontakt zu der Öffentlichkeit (BürgerInnen, Wirtschaft und NGOs) auf. Deshalb trat die Frage auf, inwiefern organisierte Lobbyarbeit im Gegensatz zu den Interessen von einzelnen BürgerInnen Einfluss nehmen kann. Der Referent betonte die Möglichkeit eines jeden Bürgers, sich aktiv an die Kommission zu wenden und sich durchgehend über das Online-Portal (https://ec.europa.eu/commission/index_de) der Kommission zu informieren. Trotz allem kann man an dieser Stelle den Mehrwert einer gut organisierten und vernetzten Organisation nicht verschweigen. Die Wirtschaftsverbände etwa wissen im Gegensatz zu den normalen BürgerInnen genau, an welcher Stelle sie ansetzen müssen, um ihre Interessen einzubringen.

Außerdem kann man auf der Website des Europäischen Parlamentes eine Liste (http://ec.europa.eu/transparencyregister/public/homePage.do) einsehen, in der die Lobbyisten zeigen, wer sie sind, für wen sie arbeiten und woher sie ihre finanziellen Mittel beziehen. Dies ist laut dem Referent einmalig und ermöglicht eine hohe Transparenz.

Zu jedem Zeitpunkt sind ca. 200 Gesetzgebungsverfahren parallel am Laufen, die eine gute Vorarbeit durch die themenspezifischen 213 Arbeitsgruppen des Rates der Europäischen Union voraussetzen. Je nach Themengebiet entstehen Querverbindungen, um für die MinisterInnen die wesentlichen Aspekte herauszuarbeiten und eine abschließende Entscheidung zu erleichtern.

Dabei müssen sie zuerst klären, ob der Gesetzesvorschlag eine gute Idee ist. Meist ist diese Frage sehr schnell geklärt, da die Kommission den Vorschlag bereits ca. 1 - 1½ Jahre im Kontakt mit der Öffentlichkeit geprüft hat. Anschließend geht es darum, zu entscheiden, ob man den Inhalt des Gesetzes angehen möchte und ob das Vorgehen öffentlichkeitswirksam dargestellt werden soll. Zum Schluss muss geklärt werden, welche Instanz für die Finanzierung des Vorhabens zuständig ist.

Dieses dreistufige Modell lässt sich sowohl auf die Arbeitsschritte in den technischen Arbeitsgruppen übertragen als auch auf die Diskussionsebene der BotschafterInnen, MinisterInnen und Staatchefs. Dieser Prozess dauert ebenfalls 1 bis 1½ Jahre. Allerdings kann dieser Vorgang bei besonders wichtigen Anliegen beschleunigt werden, zum Beispiel durch Videokonferenzen mit allen zuständigen MinisterInnen bzw. der Staats- und Regierungschefs. Jedoch ist diese Methode sehr teuer und weniger effizient, da die VertreterInnen nicht in den persönlichen Austausch miteinander treten können.

In der Regel münden so gut wie alle Vorschläge in ein Gesetz. Die gute Vorarbeit der 213 Arbeitsgruppen führt dazu, dass die MinisterInnen „nur noch“ die letzte formelle Entscheidung mit „Ja“ oder „Nein“ bei ihren Sitzungen treffen müssen.

Hausintern wird englisch und französisch gesprochen. Die Staats- und Regierungschefs bekommen DolmetscherInnen für ihre Sitzungen. Auch den MinisterInnen und BotschafterInnen stehen DolmetscherInnen zur Verfügung, wobei darauf geachtet werden muss, dass jeder Mitgliedsstaat nur ein bestimmtes Budget zugesprochen bekommt und alle weiteren Kosten für Übersetzungen selber getragen werden müssen. Da die Übersetzungen der Besprechungen sehr aufwendig und teuer sind, findet der Austausch meist auf Englisch statt. Der Einsatz von DolmetscherInnen ist abhängig davon, in welcher Sprache man seinen Standpunkt vorbringen und inwiefern man seine Sprache innerhalb der EU bedeutsam halten möchte.

Zu guter Letzt wurde noch die Rolle der vielen BotschafterInnen und VertreterInnen der Mitgliedsstaaten thematisiert, die in Brüssel wohnen und somit vor Ort das politische Geschehen verfolgen. Ihr Wert besteht besonders darin, dass die VertreterInnen der verschiedenen Länder gemeinsam in Brüssel leben und sie somit auch in ähnlichen sozialen (privaten) Kreisen in der Stadt verkehren. Die daraus entstehenden menschlichen Verbindungen zueinander unterstützen die eigentlichen formellen Verhandlungen, die sie in ihrer Tätigkeit vorantreiben.

Das Gespräch im Ratsgebäude zeigte uns auf, wie viel Arbeit und Mühe zahlreiche MitarbeiterInnen investieren, um die Europäische Union möglichst effektiv zu unterstützen und ihre Vorteile zu erhalten. Gleichzeitig verdeutlichte der Besuch, dass Brüssel häufig zum Sündenbock gemacht wird, mit Statements wie „Brüssel hat entschieden“. Dieser Satz fällt in den einzelnen Mitgliedsstaaten, wenn der eigene Anteil an einem neuen Beschluss nicht betont werden soll, dann schiebt man die Verantwortung nach Brüssel ab. Dagegen werden Beschlüsse, die auf wenig Unmut der jeweiligen Bevölkerung stoßen, als eigene Verdienste hervorgehoben. Die Europäische Union befindet sich damit oft (zu Unrecht) in einer unliebsamen Rolle. Vielleicht sollten sich die Mitgliedsstaaten über diese Tatsache einmal gründlich Gedanken machen, damit die BürgerInnen keinen falschen Eindruck von der Arbeit der EU erhalten und sich somit nicht eines Tages wie Großbritannien für einen Austritt entscheiden.

Im Anschluss an das sehr informative und aufschlussreiche Gespräch hatten die TeilnehmerInnen noch die Möglichkeit, das neue Sitzungszentrum, eine gläserne Amphore, aus der Nähe zu betrachten. Ein Merkmal des Gebäudes sind die aus Eiche gefertigten Fenster, welche recycelt sind und aus allen 28 Mitgliedsstaaten zusammengetragen wurden.

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