Freitag, 25. Juni 2021

EU-Außenpolitik und Polykrise

In diesem Beitrag stellt Pauline Knöpke folgenden Aufsatz vor:

Rüger, Carolin (2016): Wie handlungsfähig ist die EU als außenpolitischer Akteur in Zeiten der Polykrise?; in: Zeitschrift für Politikwissenschaft 26, S. 469-477, online unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s41358-016-0062-z.

In ihrem Aufsatz geht Carolin Rüger der Frage nach, wie es um die außenpolitische Krisenreaktionsfähigkeit und Handlungsfähigkeit der EU in Zeiten der Polykrise bestellt ist. Einleitend fasst Rüger zusammen, aus welchen Krisen sich die Polykrise der EU zusammensetzt. Hier müssen neben der Eurokrise die Flüchtlingskrise, aber auch die Rechtsstaatlichkeitskrise sowie der Brexit genannt werden. Neben diesen innereuropäischen Krisen lassen sich auch externe Dimensionen der Polykrise erkennen. Verschärft wird die Polykrise zudem durch das Erstarken nationalpopulistischer Strömungen und einer Vertrauenskrise vieler Bürger*innen der EU.

Um die Frage nach der außenpolitischen Handlungsfähigkeit beantworten zu können, geht Rüger zuvor auf das Feld der EU-Außenpolitik ein. Neben der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) erstreckt sich das außenpolitische Handeln der EU über diverse weitere Bausteine. Hierzu zählen unter anderem die Entwicklungszusammenarbeit, die humanitäre Hilfe, aber auch die externe Dimension interner Politikbereiche, wie beispielsweise der Klimapolitik oder Terrorismusbekämpfung. Daneben wird die Außenpolitik durch die sui-generis-Dimension vervollständigt. Diese umfasst die Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik (vgl. S. 469f.).

Zunächst befasst sich Rüger mit GASP und GSVP. Hier dominiert auch heute noch der Entscheidungsmodus der Einstimmigkeit. Insbesondere im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik zeigen sich „nationale Beharrungskräfte“ (S. 471) der einzelnen Mitgliedsstaaten. Zudem lassen sich viele unterschiedliche Fehlschläge der GASP finden.

Zu nennen sind hier unter anderem Fehlschläge im Irak, in Libyen und in Syrien. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass in den meisten Konflikten auch andere globale Akteure beteiligt waren, welche ebenfalls gescheitert sind. Zudem lassen sich auch Erfolge der GASP verzeichnen, welche aufgrund der verschiedenen Fehlschläge jedoch oft in den Hintergrund geraten (vgl. S. 470f.).

Des Weiteren zählen konkrete Sicherheitsfragen zur Außenpolitik der Europäischen Union. Sowohl durch das Vorgehen Russlands in der Ukraine als auch aufgrund von Terroranschlägen setzt die EU auf die Stärkung des sicherheitspolitischen Pfeilers. Darüber hinaus wird der Brexit als „Katalysator“ der neuen sicherheitspolitischen Bestrebungen gesehen.

Einerseits „scheinen die außen- und sicherheitspolitischen Auswirkungen [des Brexit] immens“ (S. 473), da Großbritannien eines der höchsten Verteidigungsbudgets der EU besitzt und zudem eine Nuklearmacht ist. Aber Großbritannien nahm oftmals eine bremsende Rolle in der EU ein. Inwiefern sich der Brexit tatsächlich auf die EU-Außenpolitik auswirken wird, bleibt laut Rüger bis zum Ende der Verhandlungen abzuwarten (vgl. S. 474).

Die Frage nach der außenpolitischen Handlungsfähigkeit der EU kann allerdings nicht nur auf  GASP und GSVP reduziert werden. Es lassen sich daneben eine Vielzahl von „Baustellen“ erkennen. Seit der EU-Osterweiterung herrscht eine „Erweiterungsmüdigkeit“ und auch die Nachbarschaftspolitik kann keine effektive Antwort auf die Umwälzungen in den südlichen und östlichen Nachbarschaftsländern der EU geben.

„Insgesamt mangelt es der Union oft dann an Handlungsfähigkeit, wenn die Implementierung durch die Mitgliedstaaten ansteht“ (S. 474).

Dies ließ sich bereits mit Blick auf die Verteilung von Flüchtlingen erkennen und auch in Bezug auf die Klimapolitik sind nach Rüger Probleme bei der nationalen Umsetzung zu erwarten. Rüger führt daher weiter aus, dass das „Beharren auf nationale Entscheidungsgewalt weiterhin eine der größten Achillesfersen der außenpolitischen Handlungsfähigkeit der EU darstellt“ (S. 475).

Zuletzt geht Rüger noch auf die strategische und institutionelle Ausrichtung der EU-Außenpolitik ein. Zwar vereint der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) alle außenpolitischen Dimensionen der EU. Es lassen sich allerdings diverse Baustellen erkennen. So gibt es sowohl Probleme bezüglich der vertikalen Kohärenz zwischen den Mitgliedsstaaten und der EU-Ebene als auch Mängel hinsichtlich der horizontalen Kohärenz zwischen den verschiedenen außenpolitischen Bereichen, wie beispielsweise der Entwicklungszusammenarbeit oder der Handelspolitik. Um die Entwicklung der EU voranzutreiben, muss insbesondere die Voraussetzung gegeben sein, die bestehenden Grundlagen der EU-Außenpolitik erfolgreich nutzen zu wollen (vgl. S. 475f.).

Rüger fasst zusammen, dass die EU „hinsichtlich ihrer außenpolitischen Krisenreaktionsfähigkeit trotz unzweifelhafter Fortschritte auf dem Weg zum veritablen und handlungsfähigen globalen Akteur noch markantes Verbesserungs- und Aktionspotenzial aufweist“ (S. 476). Dies trifft auf alle außenpolitischen Bereiche zu und bezieht sich auch auf die institutionelle und strategische Aufstellung.

Es existiert aber keine sinnvolle Alternative zu den vorherrschenden außen- und sicherheitspolitischen Strukturen. Es bietet sich laut Rüger aufgrund der zunehmenden Politisierung der EU-Außenpolitik die Möglichkeit, über die Unabdingbarkeit, aber auch die Herausforderungen einer außenpolitischen europäischen Kooperation zu diskutieren. Letztlich können nach Rüger alle Staaten in der EU „außenpolitisch nur gemeinsam stark sein“ (S. 476).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen