Donnerstag, 4. Februar 2021

Rezension zu Martin Sonneborn: Herr Sonneborn geht nach Brüssel

Sonneborn, Martin (2019): Herr Sonneborn geht nach Brüssel. Abenteuer im Europaparlament, Kiepenheuer & Witsch.

Rezension

Autor: Yutian Leiyang

Das Buch beschreibt die 5-jährige Dienstzeit des Autors im Europaparlament von 2014-2019. Wissenswertes zum Autor: Martin Sonneborn ist Mitbegründer der Partei „Die Partei“. Die Buchstaben stehen für "Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative". Sie wurde im August 2004 gegründet. Bis 2005 war Sonneborn Chefredakteur des Satiremagazins titanic.

Da es im Europaparlament keine Sperrklausel von 5% gibt, können selbst Kleinstparteien Vertreter nach Straßburg schicken. Dies galt auch für „Die Partei“. Im Europaparlament finden sich viele Parteien zu Fraktionen zusammen. Daneben gibt es noch einige Abgeordnete, die fraktionslos sind, wie manche rechtsextreme Parteien und "die Partei". Wie er im Buch beschreibt, sitzt er nicht unweit von Udo Voigt (NPD), Beatrix von Storch (AfD) sowie einem polnischen Anhänger der Monarchie, der sich gegen das Frauenwahlrecht ausspricht. Frau von Storch betitelt Sonneborn immer mit „Frau von Strolch“, was beim Lesen Schmunzeln mit sich bringt.

Das 425 Seiten starke Buch ist in 5 Kapitel gegliedert, die jeweils in 12 Unterkapitel unterteilt sind. Jedes Kapitel steht für ein Jahr und jedes Unterkapitel für einen Monat. Sonneborn gibt einen Überblick für politikaffine und weniger politikaffine Leser, wie Tagesroutinen im Europaparlament ablaufen.

Direkt im ersten Kapitel „I personally do drink champagne – das erste Jahr“ stellt Sonneborn seinem Büroleiter Dustin Hoffmann die Frage: „Hoffmann, was verdiene ich jetzt eigentlich wirklich? Lohnt sich die Sache?“ Dem Leser wird direkt das Gehalt samt Zuschüssen eines Europaparlamentariers aufgelistet. Sein Gehalt liegt bei 8600 € brutto, nach Abzug von Steuern bekommt er 6700 € netto. Hinzu kommt ein steuerfreier Tagessatz in Höhe von 300 €, wenn er an den täglichen offiziellen Aktivitäten teilnimmt. Die Anwesenheit muss er mit seiner Unterschrift in einem Anwesenheitsbuch belegen.

Zusätzlich hat er noch Anspruch auf eine monatliche Bürokostenpauschale in Höhe von 4416 €, die auch steuerfrei ist. Die Ausgaben müssen lediglich mit dem Ausüben seines Amts in Verbindung stehen (S. 22). Ebenso wird ihm eine Bahncard 100 zur Verfügung gestellt und er kann kostenfrei einmal in der Woche zwischen Berlin und Brüssel Business-Class fliegen. Auch den Limosinen-Service kann ein Parlamentarier kostenfrei zwischen Brüssel, Straßburg und Berlin nutzen, dazu noch Reiskostenentschädigung sowie ein Budget für Veranstaltungen und Werbematerial. Um sich seinen Stab an Assistenten zu leisten und andere Personalkosten decken zu können, stehen ihm 25.000 € monatlich zusätzlich zur Verfügung.

In einem weiteren Abschnitt beschreibt er das schnelle Abstimmungsverhalten im Plenarsaal. Die Abstimmungen verlaufen elektronisch und dabei im Sekundentakt. Sonneborn bringt viel Humor in sein Buch ein „Den Arm hebe ich schon lange nicht mehr, die Nationalen haben einfach besser trainierte rechte Oberarme“ (S. 80). Interessant sind auch Einblicke in frühe Entscheidungsprozesse wie das Konvergenzkriterium, als es um die Entscheidung, wie die Zahl 3% aus der Gesamtdefizitquote zur Berechnung der Staatsschuldenquote gekommen ist (S. 73ff.).

Im Ganzen lässt sich das Buch gut lesen, mit wenig verschachtelten Sätzen und verständlich verschrieben. Es ist nicht nur humorvoll, sondern auch informativ zugleich. Dazu werden politische Rahmenbedingungen gut rübergebracht. Die Darstellung mit seinem Büroleiter Dustin Hoffmann und der europapolitischen Beraterin vermittelt den Eindruck, dass man Teil dieses Gesprächs ist. Die vielen erwähnten Zahlen im Buch sind sehr informativ, wirken aber nicht erschlagend bzw. überfordernd. Sonneborn lässt einen Blick hinter die Kulissen im Europaparlament zu.

Das Cover mit Sonneborn in Siegerpose und den Sternen der EU als Heiligenschein lässt Spielraum für Interpretation. Auch der Blick auf das leere Europaparlament hinter ihm wird im Buch oft bemängelt. Auch wenn das Buch in der Regel verständlich ist, so gerät man an manchen Stellen doch ins Stocken, wenn es um politische Fachbegriffe geht. Manchmal wird man mit dem Fachbegriff allein gelassen. Ein Beispiel sind „Dual-Use-Güter“ (S. 339). Hier wäre eine kurze Anmerkung unmittelbar nach dem Fachbegriff hilfreich.

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