Rezension
Autor: Michael Feil
Der Autor Giles Merritt stammt aus dem Vereinigten Königreich. Seine Werke erscheinen dementsprechend auf Englisch. Er wurde von der „Financial Times“ als einer der 30 „Eurostars“ bezeichnet. Giles Merritt war 15 Jahre Auslandskorrespondent für die „Financial Times“, wo er über europäische Angelegenheiten berichtete und diese auch kommentierte. Er gilt als sehr kritisch und tendiert dazu, die aktuelle politische Lage rund um die Europäische Union eher aus einer pessimistischen Perspektive zu sehen. Das wird auch durch seinen Titel „Slippery Slope – Europe's Troubled Future“ deutlich. Die Oxford University Press schreibt, dass das besagte Werk „a hard-hitting warning for the future of Europe and the EU“ sei. Weiter heißt es: „[the book] [a]rgues that the future is gloomy unless tough and painful action is taken now.“
Das Buch beginnt mit der Klarstellung, dass es sich hierbei nicht um ein Buch über den „Brexit“ oder „Grexit“ handelt. Es geht auch nicht um die Mitgliedschaft Großbritaniens oder Griechenlands in der EU bzw. Eurozone. Es geht ihm - das betont er immer wieder - darum, keinen Rückschritt in Richtung mehr Souveränität der einzelnen Nationalstaaten zu verfolgen. Die Herausforderungen in einer globaliserten Welt, welchen sich die einzelnen EU-Staaten stellen müssen, seien nur gemeinsam innerhalb der Europäischen Union zu bewältigen.
Merritt spricht davon, dass die Zukunft der Europäischen Union und deren Bürger jetzt entschieden wird und gibt dazu auch einen Katalog voller Mythen rund um die Europäische Gemeinschaft. Diese Mythen beziehen sich immer auf die aktuelle Lage und damit einhergehend auch auf die zukünftigen Herausforderungen, welche zu erwarten sind. Diese werden in seinem ersten Kapitel „The Myths of Hastening Europe's Decline“ aufgeführt. Diese zehn Mythen unterteilt er in „Europe is overcrowded“, worin er sehr deutlich schreibt:
„Our problem isn't overcrowding, it's underplanning. In most parts of Europe there is a need for more and better housing, and for public transport links that will open up underdeveloped or neglected regions.“ (S. 2)Diese Problematik scheint, schaut man sich weitere kürzlich erschienene Werke an, eine für ihn sehr große Herausforderung zu sein. Genauer beschreibt er diese Problematik in „The Challenges of Freedom“, einem Buch, welches sich mit den Schwierigkeiten post-kommunistischer Staaten in Osteuropa beschäftigt. Diese Regionen scheint er auch mit „underdeveloped or neglected regions“ ansprechen zu wollen.
Der zweite Mythos lautet „Europe is rich“. Dem stimmt er zunächst zu. Es gibt einen sehr hohen Lebensstandard in Europa, welcher weltweit seinesgleichen sucht. Jedoch ergänzt er:
„Rising inequality of wealth and opportunity are provoking new tensions, and social frictions could contain the ingredients for future political turmoil.“(S. 4)Hiermit spielt er auf das Nord-Süd-Gefälle sowie auf das West-Ost-Gefälle an. Auch könnte man diesen Satz mit der Redewendung „Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander“ umschreiben.
Der vierte Mythos handelt von dem vermeintlichen wirtschaftlichen Fortschritt der europäischen Staaten: “Europe is technologically advanced“. Zunächst betont Giles Merritt, wie verflochten die europäische Wirtschaft mit der weltweiten Wirtschaft ist. Auch macht er auf die Konkurrenz in Nicht-EU-Ländern aufmerksam. Als Beispiel hierfür werden Patente aufgezählt, wodurch schnell klar werden soll: asiatische Länder sind uns weit voraus. Das unterstützt er durch die Aussage:
“[…] by the early 2020s China will drawn ahead of Europe on technological innovation.“ (S. 5)Diese Aussage ist also, laut Merritt, überholt und gehört, wenn es nicht bald zu einer Änderung bzw. zu einer Verbesserung kommt, der Vergangenheit an. Weitere Mythen seien: „Europe is resilient“, „Europe is haemorrhaging jobs to Asia“, „Europeans are losing out to immigrants“, „Europe's voice is heard around the world“, „Europe is on the same wavelength as America“ und „The EU 'superstate threatens national souvereignity“.
Dieser letzte Punkt scheint für mich eine besondere Bedeutung zu haben, da genau dieser Mythos von Rechtspopulisten und EU-Kritikern verwendet wird. Giles Merritt widerlegt diesen Mythos in einer sehr radikalen und direkten Art und Weise. Er behauptet, dass die EU-Institutionen disfunktional und schlecht organisiert seien. Weiter führt er aus:
„They suffer from a bureaucratic culture that has soured over the years from idealistic visionaries to surly bean counters.“ (S. 14)Das sind sehr deutliche Worte, besonders für einen EU-Experten, welcher sich in den letzten Jahrzehnten sehr intensiv mit der Europäischen Union beschäftigt hat.
Beim Lesen des Buches war ich zunächst erstaunt, wie negativ und pessimistisch Merritt die Zukunft der EU sieht. In den folgenden Kapitel geht er genauer auf die Entwicklung und die damit einhergehenden Herausforderungen ein. Um dem Buch nicht sämtliche Faktoren zu entziehen, welche es lesenswert machen, werde ich nun direkt mit der To-Do-Liste fortfahren, die sich auf die eben genannten Punkte bezieht. Diese Aufgabenliste besteht aus Ansätzen, wie man die genannten Mythen und deren Negierung angehen kann.
Merritt ist sich bewusst, dass es keinen Master-Plan für die EU geben kann, jedoch gebe es mehrere Ansätze, um die EU wieder auf den richtigen Pfad zu bringen. So nennt er sein zwölftes und damit auch letztes Kapitel „No Master Plan for the EU, but an Urgent 'To Do' List“. Der erste Punkt auf seiner „To-Do-List“ lautet:
„Europe needs a more determined strategy for modernizing and expanding basic infrastructure, especially transport, to boost competitiveness and spur growth.“Mit diesem Punkt geht er direkt auf den ersten Mythos ein. Die für ihn größte Gefahr umschriebt er mit:
„It would in any case be a mistake to put all Europe's Keynasian eggs into only the EU's basket. Housing shortages across Europe are already a serious break on economic growth and on job-seekers' mobility; the obvious answer to the economic doldrums now threatening deflation and a return to a 1930s-style Great Depression is for EU member governments to launch national house building and infrastructure drives.“ (S. 239)Die Lösung hier scheint es zu sein, auf europäischer Ebene mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Laut Merritt ist dieser Schritt ein wichtiger, um des Wirtschaftswachstum aufrecht zu erhalten. Der zweite Punkt bezieht sich auf die Förderung von Forschung und Innovationen, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben. Dieser wird umschrieben mit:
„The EU should have a more realistic budget than its tiny one per cent of the EU's 13 Trillion Euro economy, and it should scrap spending where national supports are more appropriate--farm subsidies, say--while boosting cross-border funding for research and innovation.“Insgesamt empfand ich "Slippery Slope" als sehr wertvoll, besonders in der Vorbereitung für die Exkursion nach Brüssel. Giles Merritt schreibt in einer sehr einfachen, jedoch reichhaltigen Sprache, wodurch das Lesen seiner Werke auch als Nicht-Muttersprachler angenehm ist. Dieses Buch befasst sich intensiv mit der europäischen Zukunft, wobei es oftmals sehr spekulativ bleibt. Zugleich regt dies jedoch auch zum Nachdenken an. Ich denke das ist auch die Intention hinter diesem Buch - ein Werk für jeden, der sich kritisch mit der EU beschäftigen möchte.
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