Ute Frevert: Zu unserem Glück vereint?, FAZ vom 16.11.2016 (URL: http://www.faz.net/aktuell/politik/zerfaellt-europa/zerfaellt-europa-18-zu-unserem-glueck-vereint-14494485.html)
Autorin: Franziska Kaupisch
Ute Frevert spricht davon, dass im Zusammenhang mit der EU selten von „Gefühlen der Verbundenheit“ gesprochen wird. Außerdem ging es bei der Gründung der Europäischen Gemeinschaft vertraglich nur um Verbraucher, Preise und Märkte. Dieses Fehlen von Gefühlen in der Politik hat sich laut Frevert geändert. Als Beispiel, dass Gefühle heute nicht mehr wegzudenken sind, nennt sie Wahlwerbung, in welcher oft versucht wird, Gefühle in den Wählern zu wecken. Sie meint auch, dass es heute wichtiger geworden ist, auch außerhalb des Privaten über Gefühle zu reden und diese zu managen.
In dem Artikel wird die These aufgestellt, dass sich zeigt, dass Europa ein emotionales Defizit hat. Dies liegt laut der Autorin möglicherweise daran, dass der Traum von einer Friedensordnung, der nach den Kriegen entstand, verwirklicht scheint. Frühere Ziele wie zollfreier Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr sind heute in der EU bereits fester Bestandteil. Der Artikel spricht das Problem an, dass Europa-Gegner und -Kritiker immer mehr Zulauf bekommen und ihre Parolen und Kampagnen Europa schaden.
Frevert macht sich viele Gedanken und stellt Fragen, wie und welche Gefühle man für Europa wecken kann. Sie sieht das Problem darin, dass viele Bürger der EU mit großer Skepsis gegenüberstehen. Dies könnte ihrer Meinung nach daran liegen, dass Brüssel für viele Menschen zu weit entfernt, die EU-Administration nicht verständlich und undurchschaubar ist.
Durch kontraproduktive Kampagnen, negative Berichte in Medien, Skandale und Ablehnung bestimmter Entscheidungen steigt die Anti-Europa-Einstellung. Dies sieht man an Umfragen, die zeigen, dass seit 2014 nur noch 29 Prozent ein positives Bild von der EU haben, was einen Rückgang von 8 Prozentpunkten bedeutet. Der Anteil derer, die der EU negativ gegenüberstehen, ist in etwa genauso hoch.
Die Indifferenz/Neutralität der Befragten lässt sich laut Frevert darauf zurückführen, dass in den europäischen Ländern keine Wahlpflicht herrscht und so den Bürgern freigestellt wird, sich durch ihre Stimmabgabe im Rahmen der politischen Willensbildung zu beteiligen. Dies könnte jedoch dazu führen, dass es immer schwerer wird, eine Demokratie fortzuführen und weiter zu entwickeln, da ihr die Legitimation fehlt.
Bei den Europagegnern handelt es sich meist um Bürger, die sich ökonomisch, sozial oder kulturell als Verlierer sehen. Manche können sich bis zu gewaltbereiten Anführen, die andere hochputschen, entwickeln. Als Beispiel dafür nennt der Artikel, dass viele, die 2014 noch gegen den Ausstieg von Großbritannien aus der EU waren, später dann für den Brexit gestimmt haben. Die Nordiren und die Schotten hingegen stehen hinter der EU, da diese einen für sie wichtigen Gegenpol zu England bildet.
Frevert hält es außerdem für wichtig, sich vor Augen zu führen, dass sich in vielen europäischen Staaten die Bildung einer einheitlichen Nation nicht flächendeckend vollzogen hat. Als Beleg dafür werden Frankreich mit seinen Provinzen und späteren Departements und Deutschland, wo sich die Bürger eher mit ihrem Bundesland identifizieren, genannt. Außerdem wird erwähnt, dass Kriege es schafften, über die Grenzen innerhalb eines Landes hinweg alle zusammen zu schweißen. Gegenüber anderen Ländern wurde in solchen Zeiten der Hass durch Propaganda geschürt, was letztendlich im Zweiten Weltkrieg zum Höhepunkt getrieben wurde.
Diese Feindschaft wurde dann nach dem Krieg allmählich in Freundschaft verändert. Ein guter und schneller Neuanfang gelang laut Frevert unter jungen Menschen, welche einen stabilen Teil der EU bilden. Der 1949 gegründete Bund der Europäischen Jugend (heute Junge Europäische Föderalisten) agierte leidenschaftlich für Europa und versuchte einen Gegenpol zu den Politikern zu bilden. Sie bilden ein positives Gefühl im Zusammenhang mit Europa und versuchen, dieses weiter zu geben.
Die Autorin sagt ganz klar, dass es gut gewesen wäre, auf die symbol- und geschichtspolitische Ebene mehr Wert zu legen und nicht nur darauf zu vertrauen, dass die Entstehungsgeschichte auch lange nach dem Krieg noch präsent bleibt. Sie meint, es sei wichtig, dass die Bürger der EU ein positives Gefühl mit der EU verbinden und sich mit ihr identifizieren.
Als Möglichkeiten, wie dies erreicht werden kann, nennt Frevert, dass man die spannenden Momente der Einigung der EU gut in verschiedenen Medien interessant vermitteln könnte. Außerdem könnte man positiv mit Erinnerungen spielen, welche dann Emotionen auslösen. Des Weiteren könnte man laut Frevert mit Sachformationen, logischen Argumenten und durch Betonung der Vorzüge, die die EU mit sich bringt, die Argumente der Europa-Gegner ausbremsen.
Ich finde der Artikel zeigt sehr gut auf, dass das Thema der Gefühle im Zusammenhang mit Europa wichtig ist und die positiven Eindrücke ausgebaut werden müssen. Als ich den Text gelesen habe, habe ich mir die Frage gestellt: „Wie sehe ich die EU und identifiziere ich mich mit Europa? Bin ich Europäerin?“
Auf der einen Seite würde ich, wenn ich gefragt werde, woher ich komme, nie auf die Idee kommen zu sagen: “Ich komme aus Europa“. Jedoch wäre Deutschland wohl auch nicht meine Antwort. Wahrscheinlich würde ich sagen: „Ich komme aus dem Norden von Baden-Württemberg“. Ich persönlich identifiziere mich stark mit meiner Heimat und nicht so sehr mit dem, was alles drumherum ist.
Auf der anderen Seite sind mir beim Lesen des Artikels viele Dinge über die EU ein- und aufgefallen, über die ich froh bin. Wir können heute einfach spontan beschließen, in den Urlaub nach Frankreich zu fahren, ohne mit irgendwelchen Problemen rechnen zu müssen. Außerdem finde ich es sehr gut, dass es viele einheitliche Bestimmungen in Sachen Umwelt gibt. Wir leben in einem Land, in dem wir sicher sind, und das liegt zum Teil daran, dass wir in der EU sind. Ich finde es auch beruhigend zu wissen, dass die EU als Kontrollinstanz zur deutschen Regierung stehen kann.
Den Ansatz von Frevert, wie man den Gegnern begegnen soll, finde ich sehr gut, da es wichtig ist, ihnen entgegenzutreten. Aktuell sehe ich eine große Gefahr von den Gegnern ausgehend, da viele Menschen vergessen haben, welche Vorteile und Erleichterungen die EU mit sich bringt. Dies sollte man unbedingt wieder ins Bewusstesein der Bürger rufen, um ihnen zu zeigen, was sie missen müssten, wenn sie die EU verlören. Das Ganze geht nur über die emotionale Ebene und muss durch das Erwecken positiver Gefühle erreicht werden.
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