Freitag, 20. Juli 2018

Essay zum FAZ-Gastbeitrag "Mit der Hand auf dem Herzen" von Witold Waszczykowski

Witold Waszczykowski: Mit der Hand auf dem Herzen, FAZ vom 08.04.2016 (URL: http://www.faz.net/aktuell/politik/die-gegenwart/zerfaellt-europa-6-mit-der-hand-auf-dem-herzen-14158580.html)

Autorin: Leandra Nagaba

Dr. Witold Waszczykowski, zum damaligen Zeitpunkt Außenminister Polens, schreibt in seinem Gastbeitrag über die Rolle Polens in der Europäischen Union, deren Verbundenheit mit ihr und die Wünsche Polens für ein funktionierendes System der Mitgliedsstaaten untereinander.

Polen zählt, laut Aussage Waszczykowskis, zu den Nationen mit der höchsten Wertschätzung für die europäische Integration. Dies spiegelt sich in Meinungsumfragen wieder, in welchen 80% der Polen und Polinnen die Mitgliedschaft ihres Landes in der Europäischen Union befürworten. Diese Befürwortung sei auch Prämisse für das Handeln jeder polnischen Regierung, einschließlich der aktuellen.


Waszczykowski beschreibt die enge loyale Zusammenarbeit und das Handeln entsprechend des Subsidiaritätsprinzips der Nationalstaaten untereinander als Grundlage der Philosophie Polens in der EU. Er sieht die EU als einen engen Bund von Nationalstaaten an, für ihn gibt es keine europäische Nation. Er führt dies am Beispiel daran weiter aus, dass für die meisten Bürger*innen die Angehörigen ihrer eigenen Nation die Grundgemeinschaft der EU bilden und die europäische Identität eine wichtige, aber keine Hauptrolle spiele.

Als wichtigen Faktor für das Fortbestehen der EU sieht er die Offenheit gegenüber neuen Ländern an, die bereit sind, sich zur Durchführung notwendiger Reformen zu verpflichten, um die Idee der europäischen Integration und die der Überwindung der Spaltung Europas weiter zu verfolgen. In diesem Zusammenhang fordert Waszczykowski respektvollen Umgang mit osteuropäischen Ländern, zum Beispiel Weißrussland, Ukraine, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, und einen intensiven Dialog mit ihnen. Den aufgeführten Ländern sollte langfristig eine EU-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt werden, um sie zu Reformen zu motivieren, um dadurch den Einfluss Russlands zu verringern.

Eben diesen Einfluss Russlands bzw. die aggressive russische Politik, betrachtet Waszczykowski als problematisch und der europäischen Krise zuträglich, da sie die europäische Sicherheitsarchitektur verändern und den Wandel in den Staaten, die ihre Zusammenarbeit mit der EU intensivieren, hemmen will.

Hinzu kommen langwierige Konflikte in den südlichen Nachbarstaaten, die zur Aushebelung staatlicher Funktionen führen und dadurch dazu, dass sich fundamentalistische parastaatliche Organisationen bilden. Als weiteren die europäische Krise bedingenden Faktor führt Waszczykowski die erhöhte Terrorgefahr und weitere Wellen illegaler Migration auf, die durch die Instabilität im Nahen Osten und in Nordafrika entstehen.

Seiner Ansicht nach sind Außen- und Sicherheitspolitik somit ausbaufähig bzw. müssen gestärkt werden. Waszczykowski fordert eine Neuausrichtung der Zusammenarbeit zwischen EU und Nato. Alle Bürger der EU-Mitgliedstaaten sollen sich gleich sicher fühlen können, auch die mit einer EU-Außengrenze. Hierfür verlangt er als Ergänzung zur Nato eine militärische EU-Operationszentrale und eine stärkere Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten, um Konflikten in der Nachbarschaft der EU angemessen begegnen zu können.

Es sei außerdem entscheidend, die Kontrolle über die Migrationskrise zu gewinnen. Als Konfliktlösungsvorschlag unterbreitet Waszczykowski die Idee, die seiner Meinung nach wahren Ursachen der Migration zu bekämpfen. Hierzu zählen die Beendigung der Konflikte in Syrien und im Irak, ebenso die Stabilisierung der Lage in Libyen. Die eben aufgeführten Ziele sind für ihn nur mittel- und langfristig erreichbare. Zur Begrenzung der Krise innerhalb der EU, führt Waszczykowski die Stärkung der Kontrolle an den Außengrenzen auf, außerdem die Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Besonderen Wert legt Polen auf den Schutz des Schengen-Raums, welcher nur durch Stärkung der Kontrolle an den Außengrenzen gewährleistet werden kann. Damit argumentiert er auch die Unterstützung Griechenlands an deren Grenzen durch Polen. Weiter zeige die Hilfe für Griechenland, das Gefühl der Verantwortung und der europäischen Solidarität die Polen innehabe, auf.

Für Waszczykowski zeigt die jüngste Finanzkrise, dass das Projekt der Wirtschafts- und Währungsunion nicht perfekt gelungen ist. Bezogen auf dieses Themenfeld ist für Polen die Trennung der wirtschaftlichen und politischen Integration relevant. Es sollen keine Staaten unterschiedlicher Kategorie geschaffen werden, der Binnenmarkt soll Grundlage der EU bleiben und auch Länder mit anderer Währung nicht ausschließen.

Wichtig sei außerdem die Schaffung eines europäischen digitalen Binnenmarktes, dadurch erfolgt eine Stimulierung des Wirtschaftswachstums in der EU. Zudem ergibt sich eine Stärkung des Vertrauens untereinander und der Sicherheit im Cyberspace. Hauptsächliche Aufgabe wird es beim Maßnahmen-Entwurf laut Waszczykowski sein, auf eine gleichmäßige Verteilung zu achten, dann kann der digitaler Binnenmarkt Niveauunterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten ausgleichen.

Polen will zudem erreichen, dass bei Versorgungskrisen kein Land sich selbst überlassen sein soll, keine Klauseln mehr hinnehmen, die mächtige Gaslieferanten stärken. Der Wunsch Polens nach einer tatsächlichen Zusammenarbeit auf der Ebene des Energiesektors und keine Partikularismen einzelner Mitgliedstaaten, wird laut. Waszczykowski meint, dass die Arbeit am Paket der Sicherung der Gasversorgung aufzeigen wird, ob die Mitgliedstaaten es schaffen, sich im Energiesektor gegenseitiges Vertrauen entgegenzubringen.

Auf institutioneller Ebene sieht Waszczykowski den Handlungsbedarf der EU darin, Aufgaben zu fokussieren die im Interesse aller Mitgliedsstaaten liegen und auf regionaler oder nationaler Ebene nicht besser umgesetzt werden können. Er plädiert für eine Stärkung der Rolle der nationalen Parlamente der EU da sie gesellschaftlich höher legitimiert sind.
„Die Stärke lokaler Verflechtungen und die Suche nach den besten Lösungen für die Probleme einzelner Regionen können eine Inspiration für Lösungen auf europäischer Ebene sein. Dank der konsequenten und aktiven regionalen Zusammenarbeit bekräftigen wir die Verantwortung für unser Land und den Wunsch, die Zukunft in Zusammenarbeit und im Einvernehmen mit denjenigen mitzugestalten, mit denen uns eine geographische, oft aber auch mentale Nähe verbindet. Wir bauen tragfähige Bande zu unseren Nachbarn auf, indem wir lokale und regionale Behörden einbeziehen.“
In diesem Zitat führt Waszczykowski das Vorgehen Polens als beispielhaft für eine Herangehensweise, die auch innerhalb der EU erfolgen sollte, auf. Die gewählten Worte stellt Polen als eine sehr offene und lösungsorientierte Weise dar. Im Hinblick darauf darf allerdings nicht vergessen werden, dass Polen, auch während der Amtszeit Waszczykowski, immer wieder dazu neigte, sich übergangen zu fühlen, und als Reaktion darauf für wichtige Entscheidungen mit ihrem Veto drohte. Dadurch sollte mit den Befürchtungen der übrigen EU-Mitgliedstaaten vor einer Blockadepolitik und den Schaden, der dadurch erfolgen könnte, gespielt und der eigene Wille durchgesetzt werden.

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