Mittwoch, 8. Juli 2020

Demokratie(defizit) & Reformen (III): Dieter Grimm

In Moodle findet ihr eine Zusammenfassung des Textes von Dieter Grimm. Als weiterführende Literatur haben wir die folgenden Artikel ausgesucht:
Damit ihr euer Lernprotokoll weiter bearbeiten könnt, haben wir uns noch ein paar Fragen ausgedacht, die ihr bearbeiten könnt.

1. War die Demokratisierung der EU durch seine demokratischen Mitgliedsstaaten rückblickend ein Fehler? Intergouvernementalität vs. Supranationalität

2. Durch welches Organ der EU wurde die politische Integration in Gang gesetzt und wie lief dieser Prozess ab?

3. Weshalb kann sich der gesetzgebende Rat nur schwerlich gegen den EuGH durchsetzen? Und welche Folgen hat dies für die Akzeptanz in den Bevölkerungen? 

4. Worin liegt nach Grimm das eigentliche Demokratieproblem der EU?

5. Wie seht ihr die von Verheugen geforderte volle Parlamentarisierung der EU?

6. Reformvorschlag Schäuble: Ausbau von Währungsunion zur Wirtschaftsunion: Ein sinnvoller Weg für ein geschlosseneres, stärkeres und krisenfesteres Europa? Längst überfällige Umgestaltung oder ein voreiliger Vorschlag?

Krisen drängen nach mehr Europäisierung (wie wir während der Covid-19 Pandemie oder der „Flüchtlingskrise“ oder der Finanzkrise 2008/2009 gesehen haben). Deswegen ist es umso wichtiger, dass Kriterien bestehen, die nicht von der Krise diktiert werden, sondern in der Krise die Wahl der Maßnahmen leiten (vgl. Grimm 2016). Hierfür muss eine öffentliche (!) Zieldiskussion geführt werden: 

7. Wie seht ihr das? Wo würdet ihr euch zwischen USE und Zweckgemeinschaft einordnen? Und warum?

Hier drei Vorschläge…
  • Die Strukturen der EU sind definiert und das Parlament spielt eine gewichtige Rolle. Man sollte lieber die Wirtschafts- und Währungsunion vollenden, auf Errungenschaften Europas verweisen und diese hervorheben. Quasi: „Europa hat viel erreicht, ist ein einmaliges, gutes Konstrukt, aber wir sollten Europa nicht überstrapazieren.“ (Prof. Dr. Henrik Enderlein, Politik- und Wirtschaftswissenschaftler an der Hertie School of Governance) 
  • Die europäische Integration fand in den vergangenen Jahren vorwiegend juristisch, aber kaum politisch statt. Um das Demokratiedefizit zu lösen, schlägt Prof. Dr. Dr. Dieter Grimm eine Aufwertung des Europäischen Parlaments vor mit einer Kompetenzfülle wie in nationalen Parlamenten. Die EU bekäme dann ein bundesstaatliches Muster. Um die europäische Demokratie noch mit Leben zu füllen, muss es einen ausgestatteten Wahlkampf und einen ununterbrochenen Meinungsprozess und eine Interessenartikulation geben.
  • Prof. Dr. Ulrike Guérot (Professorin für Europapolitik und Demokratieforschung) ist eine Verfechterin einer „EUtopie“, der Europäischen Republik. Sie steht für ein Europa der Regionen (ein postnationales Konstrukt, vgl. Robert Menasse (erste Sitzung)). In diesem Vorschlag wählen die europäischen Bürger*innen direkt das „European House of Representatives“, den/die „European President“ und den „European Senate“. (vgl.: https://european-republic.eu/de/#idea)

3 Kommentare:

  1. Zum Glück muss ich die Fragen nicht beantworten. Bei den ersten beiden hätte ich massive Schwierigkeiten. Vielleicht können Sie diese beiden nochmals präziser formulieren...

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  2. Hallo zusammen, hier mal mein Versuch, die Fragen zu beantworten:

    1. Frage: Weshalb musste man die Europäische Union erst noch ´demokratisieren´? Dieses "Europäische Haus" wurde doch aus bereits bestehenden demokratischen Staaten heraus gebaut?!

    Ist zudem die Demokratisierung durch demokratische Staaten nicht eine Dopplung?
    Und wenn, dann dauert doch die "Demokratisierung" innerhalb der EU noch an, liest man Antoine Vauchez (Europa demokratisieren).
    Was ist mit der Demokratisierung demokratischer Staaten gemeint??

    2. Es war die Europäische Kommission, die auch "Motor der Europäischen Integration" genannt wird.
    Es war hier wichtig, dass die Europäische Kommission Europäisches Recht in allen Mitgliedstaaten implementiert, respektive überwacht hat.
    Zudem wurde eine Verfassung implementiert, in welcher klar die gemeinsamen Werte aller Mitgliedstaaten festgeschrieben werden.
    Zudem soll es ein Europa der Regionen sein: Alle Mitgliedstaaten sollen ein Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrecht haben.
    -Wirtschaftsebene
    -Ebene des politischen Systems
    -Justiz- und Innenpolitik
    -Außenpolitik

    3. Der EuGH (Europäischer Gerichtshof) ist innerhalb der EU eine der drei unabhängigen Instanzen, gemeinsam mit der EZB und der Kommission.
    Als unabhängige Instanz ist der EuGH dem Europäischen Rat nicht Rechenschaft schuldig.
    Aufgrund der Beschaffenheit des EuGH und des Europäischen Rats hat es der Rat schwer, Interessen gegenüber dem EuGH durchzusetzen.
    Der EuGH ist dafür zuständig, dass die EU-Mitgliedsstaaten das EU-Recht einhalten.
    Der Europäische Rat legt die politischen Leitlinien in der EU fest.
    Der EuGH hat das Primärrecht und der Europäische Rat hat das sekundäre Gemeinschaftsrecht; aber beide bilden den Gemeinschaftlichen Besitzstand (acquis communautaire).
    Zudem gehört zum Europäischen Rat auch die Kommissionspräsidentin. Auch hierbei hat die Kommission als Angehörige des Dreigestirns der Unabhängigen als "außenstehende" Behörde Einfluss, zumal die Kommission durch den Rat ernannt wird.
    Die Bevölkerung, bzw. die Bürger*innen der Mitgliedstaaten, könnten ihr Vertrauen in die Institutionen der EU verlieren, da sie annehmen könnten, dass die politischen Leitlinien der EU gerade nicht beim Rat liegen, sondern dass die Kommission, der EuGH und die EZB das Zeptern in der Hand halten.

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  3. Hier noch der Rest:

    4. Obgleich das Parlament etliche Befugnisse und Rechte hat, bleiben bei vielen Entscheidungen die Kommission und der EuGH für sich. Es entsteht eine Schere zwischen Entscheidungsbefugnis und Verantwortlichkeit. Nationale Regierungen werden mit der innerstaatlichen Umsetzung beauftragt, obwohl sie nicht bei Entscheidungen partizipiert haben. Die EU hat hier nicht die Mittel dazu.

    5. Wie Dieter Grimm bereits 2017 angemerkt hat, würde bei einer "vollen Parlamentarisierung" wohlmöglich der Wählerwillen nicht genügend Ausdruck finden. Das würde maßgeblich mit dem Europäischen Wahlrecht zusammenhängen, welches nicht "europäisiert" ist.
    Alle Mitgliedstaaten wählen nach ihrem nationalen Wahlrecht. Außerdem hätten die nationalen Parteien gar kein Alleinstellungsmerkmal im EP, weil die nationalen Parteien dort sowieso in einer Parteiengemeinschaft aufgehen.
    Aus diesen Gründen halte ich es wie Dieter Grimm für schwierig, einer vollen Parlamentarisierung der EU entgegenzusehen.

    6. Reformvorschlag Schäuble: Ausbau von Währungsunion zur Wirtschaftsunion: Ein sinnvoller Weg für ein geschlosseneres, stärkeres und krisenfesteres Europa? Längst überfällige Umgestaltung oder ein voreiliger Vorschlag?
    Krisen drängen nach mehr Europäisierung (wie wir während der Covid-19 Pandemie oder der „Flüchtlingskrise“ oder der Finanzkrise 2008/2009 gesehen haben). Deswegen ist es umso wichtiger, dass Kriterien bestehen, die nicht von der Krise diktiert werden, sondern in der Krise die Wahl der Maßnahmen leiten (vgl. Grimm 2016). Hierfür muss eine öffentliche (!) Zieldiskussion geführt werden:

    Wie können die Europäer*innen und die EU klammen Mitgliedstaaten durch Krisen hindurch finanzielle Hilfe gewährleisten, ohne dabei aber einzelne "Zahler" bzw. nationale Kassen zu sehr zu belasten?
    Muss hier nicht ein Rettungsschirm etabliert werden, welcher jederzeit aktiviert werden kann, wenn Staat(en) in Not sind, ohne dass es vorab größerer Abstimmungen zwischen den Mitgliedsstaaten bedarf?

    7. Ich denke, dass die EU bislang noch eine Zweckgemeinschaft ist, weil es zwar einerseits freien Grenz- und Warenverkehr gibt und durch den Euro viele Hürden weggefallen sind (kein leidiges Geldwechseln mehr). Außerdem gibt es gerade für Europäische Studierende durch das ERASMUS-Angebot genügend Möglichkeiten, EU-Weit zu studieren. Allerdings entsteht der Eindruck, dass die einzelnen 27 Mitgliedstaaten doch sehr mit ihren eigenen innenpolitischen Schwierigkeiten beschäftigt sind und dass Europa vor allem dann ein Thema ist, wenn wieder einmal Europawahlen anstehen, so wie im Jahr 2019.
    Zudem steht die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen momentan in der Kritik, weil sie angeblich eine Mega-Geldspritze für coronabedingt schwächelnde EU-Staaten aufziehen will.
    https://www.merkur.de/politik/corona-europa-eu-kommission-finanzspritze-ursula-von-leyen-zr-13652615.html Abgerufen am 8.7.20.

    LG Uli Maurer

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