In diesem Beitrag stellt Maximo Winter den Abschnitt zu den Anfängen der europäischen Integration aus folgendem Buch vor:
Rheinisch, Thomas (1999): Europäische Integration und industrielles Interesse: die deutsche Industrie und die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Stuttgart: Steiner, S. 8-19.
In seinem Buch geht Rheinisch besonders auf die Rolle der Industrie für die europäische Integration ein. Hierbei stelle ich das Kapitel „Europäische Integration nach 1945“ genauer vor. Eine ökonomische Sichtweise auf die Integration liefert Rheinisch gleich am Anfang dieses Kapitels:
„Ökonomisch bezeichnet Integration zunächst einmal lediglich die Überwindung nationalstaatlicher Grenzen durch den Zusammenschluss einzelner Volkswirtschaften zu einem großen Wirtschaftsraum.“ (S. 8)
Diese Grenzüberwindungen wurden durch die Einführung verschiedener Institutionen erreicht, die wirtschaftliche Grenzen wie Zölle und Handelsbeschränkungen entfernten und damit auch politische Grenzen verschwimmen ließen.
Die Nachkriegszeit war eine Zeit der Unsicherheit. Deshalb bemühten sich die europäischen Staaten zu einer neuen Ordnung. Rheinisch formuliert dazu vier Grundmotive der Einigung Europas:
- Die Etablierung von neuen Sicherheitsstrukturen: Nach zwei Weltkriegen in einem halben Jahrhundert hat sich das System der unabhängigen Nationalstaaten als unfähig herausgestellt, diese zu verhindern.
- Klärung der „deutschen Frage“ (S. 9): Deutschland, das sich in diesen Kriegen als Aggressor hervorgetan hatte, könnte durch die Einbindung integriert, aber auch kontrolliert werden. Abschreckendes Beispiel aus der Geschichte ist hierbei der Versailler Vertrag, der es nicht vermochte, einen erneuten Kriegsausbruch zu vermeiden.
- Bildung eines europäischen Wirtschaftsraums: Dabei sieht Rheinisch das Ziel, Europa auf dem Weltmarkt zu stärken und mit „Amerika und der Sowjetunion zu konkurrieren“ (S .9).
- Europäische Integration: Ein geeintes Europa mit einer gemeinsamen Außenpolitik stärkt den politischen Einfluss der europäischen Staaten gegenüber den „verbliebenen Supermächte(n) Amerika und Sowjetunion“ (S. 9)
Rheinisch führt danach die Bedeutung des Marshall-Plans auf, in dem mehrere dieser Grundaspekte thematisiert werden. Im Vordergrund steht dabei aber die wirtschaftliche Kooperation der 16 europäischen Staaten, die 1948 „aufgrund des amerikanischen Drängens“ (S. 10) der OEEC beitraten. Weiter schreibt Rheinisch aber auch von den Grenzen der „ständigen Konferenz, die nicht über traditionelle intergouvernementalische Kooperationen“ (S.10) hinausging. Dadurch spricht Rheinisch den Vereinigten Staaten von Amerika die Rolle als entscheidende Kraft bei der europäischen Integration ab.
Er sieht den ersten wirklichen Schritt zur europäischen Integration beim Schuman-Plan, der vorsah, dass der deutsche und französische Stahl- und Kohlesektor unter eine gemeinsame „Hohe Behörde“ gestellt wird. Rheinisch sieht darin trotz der integrativen Wirkung in erster Linie die nationalen wirtschaftlichen Ziele der Staaten im Vordergrund:
„Es ist Henning Köhler zuzustimmen, wenn er schreibt: „Der Schuman-Plan stelle also keineswegs ein primär europapolitisches Projekt dar, sondern vertrat handfeste wirtschaftliche Ziele.“ (S. 13)
Festzuhalten bleibt, dass die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) das erste supranationale Element innerhalb Europas war, das durch den Beitritt weiterer Staaten immer mehr an Einfluss gewann (vgl. S. 13). Rheinisch sieht also die Industrie und die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der europäischen Staaten als wichtigsten Treiber der europäischen Integration.
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