Sonntag, 23. Mai 2021

Entwicklung der europäischen Verkehrspolitik

In diesem Beitrag stellt Max Sperlich folgenden Aufsatz vor:

Schulz, Günther; Ebert, Volker (2007): Europäische Binnengüterverkehrspolitik seit 1945. Wege und Hindernisse der Harmonisierung; in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, Band 48, Heft 1/2007, S. 83-92, online unter https://www.degruyter.com/document/doi/10.1524/jbwg.2007.48.1.83/html.

Das überlastete Straßenverkehrsnetz in Europa führt täglich zu Staus auf Fernstraßen. Das liegt zum großen Teil am Gütertransport. Dazu schrieben Schulz und Ebert einen Beitrag über die Europäische Binnengüterverkehrspolitik seit 1945 und wie es dazu kam.

Die Kapazitäten der europäischen Eisenbahngesellschaften sind in keinem Land völlig ausgelastet. 2001 wurden in Europa jedoch nur 8 Prozent der Güter mit Zügen transportiert, zum Vergleich: in den Vereinigte Staaten waren es 40 Prozent, in China bis zu 70 Prozent (vgl. S. 83).

„Verkehrsexperten warnen seit Jahrzehnten vor den Folgen mangelnder Gemeinschaftspolitik, doch die Resonanz auf der Ebene der europäischen Entscheidungsträger blieb aus.“ (S. 83)

Um das gegenwärtige Probleme besser einordnen zu können, muss ein Blick in die Vergangenheit geworfen werden. Schon während des Zweiten Weltkriegs probierten die Alliierten, ihre Aktivitäten im Verkehrssektor zu koordinieren. Auf die Initiative der Vereinten Nationen (UN) entstand 1945 ECITO (European Central Inland Transport Organisation). Ihre Aufgabe war es, eine Grundversorgung mit Energieträgern im zerstörten Europa zu gewährleisten.

Da es sich bei dieser Organisation aber vor allem um eine militärischen Charakters handelte, führten die Vereinten Nationen 1947 den Binnenverkehrsausschuss (ITC) der Wirtschaftskommission für Europa (EVE) ein. Hier kam es allerdings auch zu keiner leichten Kompromissfindung. Großbritannien, Schweden und die Niederlande waren sich einig, dass der Verkehrsmarkt möglichst frei von staatlichen Eingriffen sein müsse. Belgien, Frankreich und die Bundesrepublik vertraten die Meinung, dass der Markt strikt reguliert sein müsse (vgl. S. 84).

Mitglieder der OEEC/OECD und der UN beschäftigten sich parallel mit der Frage der internationalen Zusammenarbeit in der Verkehrspolitik. „In Anlehnung […] zur Errichtung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) erarbeitete eine Kommission […] das Konzept einer europäischen Transportgemeinschaft“ (S. 85). Die geplante Behörde sollte die Nutzung der Transportwege und Investitionen in die Infrastruktur koordinieren. Dieser Plan scheiterte allerdings an der skeptischen Einstellung von Großbritannien und Schweden. Andere Kompromissversuche fanden bei den Regierungen Europas keine Mehrheiten (vgl. S. 85).

Mit den Römischen Verträgen 1957 bekam die Verkehrspolitik von den Mitgliedstaaten der EWG zunächst ein besonderes Gewicht. Doch die Differenzen der unterschiedlichen Regierungen wurden bereits im Verlauf der Vertragsverhandlungen sichtbar. Hier standen sich allerdings die Konzepte von Frankreich und der Bundesrepublik einerseits, und den Niederlanden andererseits nahezu unversöhnlich gegenüber (vgl. S. 86).

1958 begannen die Institutionen, die Aktivitäten der Kommission und die der EKGS zu koordinieren. 1961 veröffentliche die Kommission eine 128 Seiten starke Denkschrift zur künftigen Ausrichtung der gemeinsamen Verkehrspolitik (vgl. S. 87).

Anfang der 1970er Jahre war die gemeinsame europäische Verkehrspolitik am Tiefpunkt. Die am 1. Januar 1973 neu eingetretenen Mitglieder Dänemark, Großbritannien und Irland fügten der Debatte um Straße und Schienen einen weiteren, neuen Aspekt hinzu: Es kam zu Überlegungen, wie eine gemeinsame Verkehrspolitik aussehen könnte. Zusätzlich zu den Straßen und Schienen wurde auch der Bereich des Seetransportes miteinbezogen. Zwischen 1975 und 1982 kam es zu mehr als 40 Vorschlägen und Berichten, wie der Frachttransport harmonisiert werden könnte. Es kam allerdings zu keinen konkreten Ergebnissen (vgl. S. 89).

„Als Ergebnis des Zeitraums zwischen 1957 und 1985 ist somit festzuhalten, dass die Entscheidungsträger der Europäischen Gemeinschaft die Chance nicht nutzten, eine gemeinsame Verkehrspolitik zu entwickeln.“ (S. 89f)

Mit dem Vertrag von Maastricht (1992) begann eine neue Epoche. Um eine stärker ergebnisorientierte Politik zu gewährleisten, wurde anstelle des Einstimmigkeitsprinzip das Mehrheitsprinzip bei Ratsentscheidungen eingeführt. Zudem wurden die Kompetenzen des Europaparlaments erweitert (vgl. S. 90). An diesem Beispiel wird deutlich, dass zahlreiche Institutionen nur ungenügend mit Entscheidungskompetenzen ausgestattet waren und auf den unterschiedlichsten Ebenen agierten (vgl. S. 91).

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