Donnerstag, 15. Juli 2021

EU, Polykrise und Zusammenhalt

In diesem Beitrag stellt Burcin Ugur folgenden Text vor:

Müller-Brandeck-Bocquet, Gisela (2016): Was hält die Europäische Union zusammen?; in: dies. u.a.: EU vor der Zerreißprobe – wie sieht die gemeinsame Zukunft aus?, Wirtschaftsdienst 96, S. 383–386, online unter: https://doi.org/10.1007/s10273-016-1988-y.

Der Text beschäftigt sich mit der Thematik, wie standfest die Europäische Union noch ist. Europa musste viele Krisen angehen. Manche davon konnte sie bewältigen, andere wiederum nicht. Die Flüchtlingspolitik, unzählige Rettungspakete, der Brexit und der Stimmgewinn von antieuropäischen Parteien erschweren die Integration, die einst ohne Widerspruch von den meisten Bürgerinnen und Bürger mitgetragen wurde. Die kritischen Stimmen werden immer lauter. Kritiker beharren darauf, dass sich die Europäische Union in einer tiefen Krise befindet. Die Gründungsmotive verflüchtigen sich und der Zusammenhalt innerhalb der Europäischen Union wird in Frage gestellt. Wie aber kann die Europäischen Union heute zusammengeführt werden (vgl. S. 383)?

„Es zeigt sich derzeit schonungslos, wie brüchig und wenig belastbar die Fundamente des gemeinsamen Hauses Europa de facto sind, wie dünn und oberflächlich der Firnis der europäischen Einigung“ (S. 383).

Die Frage muss umformuliert werden. Es sollte nicht nach Punkten gesucht werden, die die Union zusammenhalten, sondern vielmehr müsste es darum gehen, welche Bedrohung den Zusammenhalt am meisten gefährdet (vgl. S. 384). Der Brexit ist eine dieser Bedrohungen. Das Argument, souveräner und autonomer zu werden, findet überwiegend in Krisenzeiten viele Anhänger (vgl. S. 384).

Auch die Flüchtlingskrise stellte eine Gefährdung für den Zusammenhalt der Europäischen Union dar. Der massive Zustrom im Sommer 2015 von schutzsuchenden Menschen verstärkte das Bild von Unfähigkeit und Überforderung der Gemeinschaft. Vorwiegend litt der Solidaritätsgedanke der Mitgliedstaaten an dieser Krise. Dabei macht genau diese Eigenschaft die Europäische Union attraktiv und beispielhaft. Die Mitgliedstaaten waren letzten Endes nicht in der Lage, ein tragfähiges und vernünftiges Migrationsregime aufzubauen (vgl. S. 384).

Die wahrscheinlich stärkste Bedrohung ist das Wiedererstarken von Nationalismus und Rechtsextremismus.

„Für den Zusammenhalt der EU unmittelbar entscheidend erweist sich aktuell der EU-weit beobachtbare Aufstieg nationalistischer, rechtsextremistischer, europafeindlicher Parteien. Dieser Trend ist seit Längerem wirksam. […] Seither und unter dem Druck der Polykrise scheint das Erstarken dieser Kräfte unaufhaltsam, und so feiern Nationalismus und Rechtsextremismus Erfolg auf Erfolg“ (S. 385).

Diese Entwicklung ist deshalb so verheerend, weil mit dem Rückzug ins Nationale die Krisen in einer globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts nicht bewältigt werden können. Vielfältige Konflikte wie Migration, Terrorismus, Klimapolitik können nur staatenübergreifend und mit Kooperation bewältigt werden (vgl. S. 386).

Unterm Strich sprechen all diese Baustellen Europas dieselbe Sprache. Es muss zum primären Ziel gemacht werden, die Aufgaben Europas weit über die Wirtschaftsinteressen zu legen und mit den veränderten politischen Strukturen unserer Zeit mitzuwachsen. Die Europäische Union muss handlungsfähiger werden und all die politisch-kulturellen Unterschiede innerhalb der Mitgliedstaaten nicht nur kontrollieren, sondern faktisch mitgestalten.

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