Donnerstag, 1. Juli 2021

Brexit als Neuland für die Europaforschung

In diesem Beitrag stellt Jannik Bachmann folgenden Aufsatz vor:

Große Hüttmann, Martin (2020): Den Brexit-Prozess erklären: Neuland für die EU-Forschung; in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) 23-25/2020, Seite 39-46, online unter: https://www.bpb.de/apuz/310571/den-brexit-prozess-erklaeren.

Große Hüttmann geht in seinem Artikel zum Brexit vor allem auf die Rolle der EU ein, denn der Brexit als solcher ist neu für die EU. Es ist das erste Mal, dass ein Mitgliedstaat aus der Union austritt. Zunächst einmal unterstreicht der Autor die Besonderheit des Brexit und die damit verbundene Medienaufmerksamkeit. Allerdings lenkt er schnell das Augenmerk auf die Wissenschaft, deren Aufgabe es ist, die Prozesse einzuordnen und auf verschiedenen Ebenen zu untersuchen. So schreibt Große Hüttmann:

„Der Brexit lässt sich auf all diesen Ebenen erforschen und ist in vielerlei Hinsicht ein besonderer Untersuchungsgegenstand.“

Dies unterstreicht, wie neu und vielschichtig der Prozess des EU-Austritts ist. So wird weiterhin über wichtige Beziehungspunkte zwischen den Briten und der EU verhandelt, auch wenn Großbritannien mit dem Ausscheiden aus der EU am 31.01.2020 eine wichtige Etappe erreicht hat, aber dem eigentlichen Ziel eines ganzen Ausstiegs weiter hinterherhinkt.

Laut dem Autor stehen eine Vielzahl von verschiedenen Themen in Verbindung mit dem Brexit. So geht es um Themen der europäischen Integration, Machtbalance innerhalb der EU oder die wechselseitigen Abhängigkeiten und Verletzlichkeiten zwischen den EU Staaten.

Die EU hatte bei den Verhandlungen mit den Briten die deutlich besseren Karten, da Theresa May unter dem innen- und außenpolitischen Druck stand, einen „harten Brexit“ zu verhindern. Somit war die EU die treibende Kraft bei den Verhandlungen. Weiter im Text spricht Große Hüttman von einem verzwickten Problem und stellt den Brexit auch in diesen Kontext.

„Der Brexit-Prozess war von Anfang an mit einer Reihe von „unknowns“ verbunden.“

Dies beschreibt es ziemlich gut, denn es ist nach wie vor ungewiss, wie es für die EU oder die Briten selber nach dem Brexit weitergeht. So kamen viele Fragen, wie beispielweise die Teilnahme der Briten an den Europawahlen, erst im Laufe des Prozesses auf und stellten beide Verhandlungsseiten vor enorme Herausforderungen.

Große Hüttmann versucht, den Brexit theoretisch einzuordnen und tut dies mit der Theorie des liberalen Intergouvernementalismus. Staaten, hier Großbritannien, sind egoistische, rational handelnde Akteure, die versuchen, ihre Interessen auf der internationalen Bühne durchzusetzen. Dabei fällt der Begriff des sogenannten „win-set“, also einer gemeinsamen Schnittmenge, die es braucht, um eine Einigung zwischen zwei Parteien zu finden. Die Schwierigkeit bei den Brexit-Verhandlungen war, dass der ganze Prozess von einer hohen Irrationalität und Emotionalität geprägt war, was die Verhandlungen schwierig gestaltet.

Interessanterweise wird aufgeführt, dass der Brexit für die EU-Forschung einen alten Streit zwischen Intergouvernementalismus und Neofunktionalismus aufwirft. Es geht darum, ob die einzelnen Mitgliedstaaten und deren Regierungen die entscheidenden Akteure sind oder die supranationalen EU-Organe Kommission und Parlament.

Zum Schluss gibt der Autor noch einen Ausblick auf die EU nach dem Brexit. Es scheint sicher zu sein, dass der EU-Austritt Folgen für den Integrationsprozess der EU hat. Zum einen sind schon länger rechtspopulistische Kräfte in vielen Mitgliedsstaaten der EU auf dem Vormarsch, was als zentrifugale Kräfte innerhalb der EU beschrieben wird. Gleichzeitig wurde im Brexit-Prozess aber auch der Zusammenhalt der EU-Staaten gestärkt, was die Sorge, dass daraus eine Art Kettenreaktion wird, klein werden lässt. Wiederum ist auch klar, dass der Brexit die tief gespaltene britische Gesellschaft noch lange prägen wird.

Weiter im Text wird deutlich, dass der EU-Austritt der Briten andere Probleme wie die Migrationspolitik oder Rechtstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten Ungarn und Polen zunächst einmal in den Hintergrund gerückt hat. Der Brexit selbst hängt mit diesen Themen zusammen und wird auch für die Zukunft von Europa bestimmend sein.

„Weil alles gewissermaßen mit allem zusammenhängt und häufig unklar geblieben ist, wie eine Lösung des entstandenen Knotens aussehen könnte, ist der Brexit zu Recht als „wicked problem“ beschrieben worden.“

Dieser Satz von Große Hüttmann beschreibt die Vielschichtigkeit und den Zusammenhang mit anderen Problemen, mit denen sich die EU befassen muss, sehr gut. Denn viele der Herausforderungen, mit denen die EU konfrontiert ist, hängen zusammen. Daher muss die EU angesichts dieser Probleme eng zusammenstehen, um sie lösen zu können.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen