In diesem Beitrag stellt Amineh Malek Merkoomyans folgenden Aufsatz vor
Tardis, Mathieu (2016): Zwischen Abschottung und Ambitionen: Arbeiten Deutschland und Frankreich in der europäischen Flüchtlingskrise zusammen?; DGAP-Analyse, 7, Berlin: Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V., online unter: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-55923-0.
„Die Ankunft von einer Million Migranten an den Küsten des Kontinents hat Europa in nur einem Jahr tiefgreifend verändert. Während sich Deutschland für eine Aufnahme der Geflüchteten stark machte, steht Ungarn unter Regierungschef Viktor Orban exemplarisch für das Prinzip der Abschottung. Wo positioniert sich Frankreich zwischen diesen beiden Extremen?“ (S. 3)
Mit diesen Worten beginnt der Autor seinen Aufsatz, der in folgende Abschnitte unterteilt ist:
- Unerfülltes Versprechen eines „Europas des Asyls“
- Deutschland und Frankreich in der Asylpolitik: Kooperation als Fassade
- Asylrecht in Frankreich: Lösungsversuch einer Dauerkrise
- Fazit: Das Ende des Mythos von Frankreich als Asylland?
Der erste Teil des Textes widmet sich dem Versagen der europäischen Asylpolitik. In diesem Zusammenhang analysiert der Autor das Ungleichgewicht in der deutsch-französischen Zusammenarbeit im Politikfeld Asyl. Abschließend werden die Probleme, die die französischen Behörden mit der Aufnahme von Geflüchteten haben, näher beleuchtet. (S. 3)
Unerfülltes Versprechen eines „Europas des Asyls“
Einleitend verdeutlicht Tardis, dass die Flüchtlingskrise seinen Ursprung vor 2015 hatte und den unterschiedlichen nationalen Asylsystemen und der Schwierigkeit, eine gemeinsame Lösung für die Problematik zu finden, geschuldet sei. Auch die Konzentration von Asylanträgen auf wenige EU-Staaten ist nichts Neues. Im Jahr 2014 wurden 82,5% der Anträge auf internationalen Schutz in den fünf entscheidenden Aufnahmeländern (Deutschland, Schweden, Italien, Frankreich und Ungarn) gestellt (vgl. S. 3).
Grundsätzlich sind die nordischen und westeuropäischen Länder aufgrund bestehender Aufnahmetraditionen und besserer Integrationsaussichten für viele Flüchtlinge attraktiver als der Rest Europas. Im Gegensatz dazu ist das Asylsystem in Süd- und Osteuropa weniger gut entwickelt.
Auch die Zahl der 2014 anerkannten Anträge auf internationalen Schutz ist sehr unterschiedlich. Schweden hat 74 % der Antragsteller und Deutschland 42 % der Antragsteller anerkannt, in Frankreich ist diese Zahl auf 22 %, in Griechenland auf 14 % und in Ungarn auf 9 % gesunken (vgl. S. 3).
Der Autor geht hier darauf ein, dass die Europäische Union sich schon lange nicht mehr ernsthaft mit diesen Problemen beschäftigt hatte, da die Zahl der Asylbewerber relativ gering war. 2015 waren insgesamt 65,3 Millionen Menschen auf der Flucht. Auf der Flucht aus dem Land beantragten 3,2 Millionen Menschen Asyl (vgl. S. 4).
In diesem Zusammenhang kritisiert er, dass die europäischen Länder die Folgen der steigenden Zahl der Ankünfte falsch eingeschätzt hatten. Einerseits haben sie es versäumt, die wichtigsten Aufnahmeländer der Welt zu identifizieren (vgl. S. 4). 2005 haben sie regionale Schutzpläne in der Ukraine, Moldawien, Weißrussland und Tansania auf den Weg gebracht, um "die Einrichtung von Asylsystemen in Herkunfts- und Transitgebieten zu fördern." (S. 4)
Deutschland und Frankreich in der Asylpolitik: Kooperation als Fassade
Auf die Frage, wo Frankreich sich zwischen den beiden Extremen Deutschland und Ungarn positioniert, gibt Tardis eine klare Antwort:
„Die französische Zurückhaltung gegenüber einer grundlegenden Reform der europäischen Asylpolitik bringt das deutsch-französische Tandem an seine Grenzen. Deutschland hingegen scheint in dieser Frage eine Führungsrolle in Europa anzustreben.“ (S. 6)
Dies war jedoch nicht immer der Fall, denn in den letzten zehn Jahren hat Frankreich tendenziell Einwanderungs- und Asylfragen auf europäischer Ebene gefördert (vgl. S. 6). Während der Präsidentschaft von Nicolas Sarkozy war beispielsweise Einwanderung eines der Schlüsselthemen, doch nach den Wahlen 2012 verlor dieses Thema in der französischen Politik an Bedeutung (vgl. S. 6). Nach der Aufnahme von 20.000 syrischen Flüchtlingen im Rahmen des sogenannten humanitären Aufnahmeplans im Jahr 2013 wurde die Situation erneut zu einem neuen Thema. Deutschland forderte seine europäischen Partner auf, dies ebenfalls zu tun.
„Doch auch das deutsche Engagement spiegelt stets interne politische und gesellschaftliche Herausforderungen. Auf beiden Seiten des Rheins bestimmen somit vor allem nationale Interessen die europäische Politik und entscheiden über die Bedeutung, die ihr beigemessen wird.“ (S. 6)
Asylrecht in Frankreich: Lösungsversuch einer Dauerkrise
Die Zurückhaltung Frankreichs ist nach dem Verfasser vor allem darauf zurückzuführen, dass das Land in den Streitigkeiten um Flucht und Asyl keine politische Übereinstimmung erreicht hat (vgl. S. 7). Die Meinungen sind sehr unterschiedlich, und die Diskussion wird von Sicherheitsüberlegungen bestimmt. Der Handlungsspielraum der Regierung ist begrenzt – die Opposition lehnt eine offenere Flüchtlingspolitik fast einstimmig ab, „insbesondere Front National, der das Thema Einwanderung ins Zentrum seiner populistischen Programmatik stellt.“ (S. 6).
Das größte Manko des französischen Asylsystems sind jedoch die Aufnahmebedingungen. Aufgrund der langen Dauer des Asylverfahrens wurden in Jahr 2012 von freien 21.410 Plätzen nur 13.483 Neuankömmlinge in Einrichtungen aufgenommen (vgl. S. 7). Dennoch betont Tardis, dass die Regierung seit 2012 versucht, Lösungen in diesem Politikbereich zu finden. Die aktuelle Flüchtlingskrise in Europa kam laut dem Autor nur zu einer Zeit, in der die französische Regierung versucht, das französische Asylrecht zu reformieren (vgl. S. 6).
Fazit: Das Ende des Mythos von Frankreich als Asylland?
Abschließend geht der vorliegende Beitrag darauf ein, dass Frankreich und Deutschland ein hohes Maß an Überzeugungskraft brauchen, um gemeinsame Asylverfahren und ähnliche Asylrechte einzuleiten und die Anwendbarkeit der Freizügigkeit für Flüchtlinge zu verbessern (vgl. S. 9).
„Die auch derzeit zu Tausenden über das Mittelmeer nach Europa fliehenden Personen stellen uns vor die Frage, wie wir mit dem im Jahr 1957 begonnenen Projekt Europa umgehen wollen. Und sie erinnern uns an dessen Fundament: Friede, Freiheit und die Achtung vor dem Einzelnen. Damit bieten sie uns nicht zuletzt den Schlüssel für eine Wiederbelebung des europäischen Projekts.“ (S. 9)
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