In diesem Beitrag stellt Daniel Fesser folgenden Text vor:
Sturm, Roland (2016): Die Europäische Union: Bedingt handlungsfähig und orientierungslos. Der europäische Integrationsprozess in der Krise?: in: Gesellschaft - Wirtschaft - Politik (GWP) Heft 3/2016, S. 273-279, online unter: https://www.budrich-journals.de/index.php/gwp/article/download/24979/21811.
Der Autor dieses Artikels, Prof. Dr. Roland Sturm, lehrt Politische Wissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg. In seinem Artikel behandelt er folgende Themenschwerpunkte:
- Die ungelöste Finalitätsfrage
- Mehr Integration oder weniger Integration?
- Konsolidierung der EU
- Permanent Krise?
„Kern der Stagnation des europäischen Integrationsprozesses ist die ungelöste EU-Finalitätsfrage, als - anders formuliert - die Frage, welches Europa soll es denn sein?“ (S. 274)
Roland Sturm erörtert, ob Probleme durch mehr oder weniger Integration gelöst werden können. Er erklärt, dass die europäischen Institutionen auf der Seite "mehr Integration" stehen. Dies spiegelt sich vor allem durch die Wahrnehmung der Kommission als europäischer Regierung und in der Bewältigung der Griechenland-Krise wider. Es wurde versucht, eine eigene Wirtschafts- und Flüchtlingspolitik durchzusetzen (vgl. S. 275f.)
„Für die europäischen Institutionen sind die Vereinigten Staaten von Europa das Zukunftsmodell, wie sich auch am „Five Presidents Report“ ablesen lässt, der die strategischen Konsequenzen aus der unvollendeten Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) zieht.“ (S. 275)
Er beschreibt die Vertiefung der WWU als eine Voraussetzung für die politische Union Europas. Hierbei greift Sturm die vier Stufen des Prozesses auf, welche eine „echte Wirtschaftsunion“, eine Finanzunion, eine Fiskalunion und eine politische Union beinhaltet. Zudem erklärt er, dass eine echte Wirtschaftsunion eine Abgabe an Souveränität sowie eine erhöhte Bereitschaft für Solidarität verlangt.
Sturm erörtert die unterschiedlichen Forderungen der Länder, insbesondere die der Visegrád-Staaten (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei). Er schreibt, dass die Zahl der Widersprüche hoch ist, der Umgang mit diesen Problemen aber meist pragmatisch sei. Hier steht wohl der Gedanke, Europa zusammenzuhalten, im Vordergrund (vgl. S. 275f.)
„Wäre es nicht besser, anstatt eine Vereinsamung der Befürworter von Integration und Solidarität zu riskieren, nur so viel Integration umzusetzen, wie alle mittragen wollen?“ (S. 276)
Sturm beschreibt die mehrmaligen Warnungen gegenüber der Bürgerferne des Integrationsprozesses, das zu schnelle Vonstattengehen dieses Prozesses sowie die Entstehung neuer Probleme durch den EU-Erweiterungsprozess. Dennoch sieht er den Lissabonner Vertrag als wichtigen Bestandteil, um den erreichten Stand festzuhalten. Allerdings hätte man, laut Sturm, erahnen können, dass die Integrationsfortschritte in Gefahr geraten können.
„Warnungen“ waren unter anderem die fehlgeschlagenen Referenden zum Verfassungsvertrag und einige Referendumsniederlagen bei Vertragsrevisionen. Als ein weiteres Problem beschreibt er die mangelnden emotionalen oder kommunikativen Bindungen, basierend auf der Komplexität des Integrationsprozesses. Besonders seine vertraglichen Grundlagen seien für die Bevölkerung der Mitgliedstaaten oftmals nicht zu durchdringen.
Diese Bürgerinnen und Bürger werden aber benötigt, um die nächsten Themen zu verwirklichen. Laut Sturm reduziert sich die Input-Legitimation alle fünf Jahre, erkennbar an der niedrigen Wahlbeteiligung bei Europawahlen. Er fordert, dass die Begeisterung für den Integrationsprozess wieder geweckt werden muss, ähnlich wie in der Nachkriegszeit. Grundsätze wie Transparenz, Überschaubarkeit und Nachvollziehbarkeit sollten in den Mittelpunkt rücken.
Des Weiteren sollte die europäische Bevölkerung in die Kommunikation zu unterschiedlichen Themen beziehungsweise Problemen eingebunden werden, also eine Aufnahme und Diskussion solcher Themen in der nationalen Politik. Generell beschreibt Sturm die Situation wie folgt, Vielfalt, welche in Europa gegeben ist, kann koexistieren mit einer Verständigung über unterschiedliche Ziele basierend auf gemeinsamen Verträgen und Institutionen. Er schreibt zudem, dass das Ziel des Integrationsprozesses, welches erreicht werden soll, mit den Bürger*innen diskutiert werden muss.
Im letzten Teil seines Artikels schreibt der Politikprofessor, dass unklar ist, wie weit die EU noch tiefer in die Krise stürzen muss, um über das Gemeinsame zu reden und den voranschreitenden Ansehensverlust sowie die Stärkung EU-kritischer Parteien zu verhindern. Der Sinn der europäischen Integration muss wieder erkennbar werden, da sonst diversen Anschuldigungen ein nahrhafter Boden gegeben wird. Abschließend erklärt Sturm, es sei Zeit für Klarstellungen besonders in Zeiten solcher Unsicherheiten, erwartet diese von der Europäischen Union allerdings nicht. Somit geht für ihn die Krise des europäischen Integrationsprozesses in die nächste Runde (vgl. S. 278f.).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen