Samstag, 2. Mai 2020

EU und Corona: Ist das europäische Projekt mangelhaft?

Alberto Alemanno: Die EU und ihre Antwort auf Corona: Die Magie europäischer Politik (taz, 02.05.20)

Ferner denn je sei der Gedanke einer Europäischen Gemeinschaft, die ihre 450 Millionen BürgerInnen schützt und verteidigt, bilanziert der spanisch-italienische Jurist und Politaktivist Alberto Alemanno in einem für die taz verfassten Gastbeitrag: Angesichts der „suboptimalen und unkoordinierten“ Antwort auf die Covid-19-Krise ergebe sich die Frage: Ist das europäische Projekt an sich mangelhaft?

Darauf antwortet der Autor mit einem klaren Nein. Nicht das europäische Projekt an sich sei verantwortlich, sondern die nationalen politischen Systeme, die weiterhin der politischen Doktrin folgten, politische Herausforderungen – sei es die „Flüchtlingskrise“ oder die Herausforderung einer nachhaltigen Klimapolitik – wären vorrangig national zu lösen. Dabei stehe diese Haltung, so Alemanno, in einer Diskrepanz zu der tatsächlichen europäischen Realität der BürgerInnen, in deren Alltag europäische Politik längst angekommen sei:
„Auch nach 70 gemeinsamen Jahren gibt es noch keinen verständlichen, gesamteuropäischen Prozess, der die gemeinsame Antwort auf gemeinsame Herausforderungen bestimmt.“
Wie kann ein solcher Prozess angestoßen werden? Die Europäische Union müsse zu einem „echten europäischen politischen Raum“ werden, der eine eigene europäische Politik herausbilden könnte. Ein solcher Raum könne nur durch die Schaffung eines transnationalen Wahlkreises entstehen, wodurch sich ein „echtes europäisches Parteiensystem“ entwickeln könnte. Ein System, dessen Parteien sich programmatisch – nicht wie bisher üblich – an nationalen Partikularinteressen, sondern im Sinne einer „wahrhaft transnationalen Euro-Partei“ inhaltlich positionieren müssten. Nur dann könne auch eine handlungsfähige europäische Öffentlichkeit entstehen.

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