Kommentar zur Kolumne "Nun hängt es an Deutschland" von Marcel Fratzscher
In Zeiten der Corona-Krise werden die Rufe nach mehr europäischer Solidarität laut. Der nationale Alleingang fast aller europäischen Länder sei einer der größten Fehler in der Corona-Krise gewesen, der viele Europäerinnen und Europäer das Leben gekostet habe, so Marcel Fratzscher. Während in Deutschland Intensivbetten freistünden, könnten Covid-Patienten in unseren Nachbarländern mangels intensivmedizinischer Betreuung nicht angemessen behandelt werden.
Vor allem, um einer langanhaltenden Depression in Europa entgegenzuwirken, sei eine Kehrtwende notwendig: Die europäischen Länder müssten mehr Verantwortung für die Union übernehmen. Die Europäische Union, so Fratzscher, verdiene ihren Namen nicht, wenn ihre Mitglieder in einer solchen Krise nicht zusammenhalten würden – auch finanziell. Der Wiederaufbau könne nur gemeinsam finanziert werden, indem die Mitgliedstaaten für ihre europäischen Nachbarn haften.
Diese Aussage wirft die Frage auf, wer diese Nachbarn sind, für die wir haften sollen. Sollten wir uns nur um unsere eigenen Landsleute kümmern? Wäre es nicht sinnvoll, erst uns selbst zu helfen, bevor wir unsere Nachbarländer unterstützen? Oder verstehen wir uns als vereintes Europa, in dem Nachbarschaft keine Frage der Staatszugehörigkeit mehr ist?
Die Finanzkrise Griechenlands, der dadurch entstandene Spalt zwischen den Euroländern sowie das Erstarken euroskeptischer Stimmen hat gezeigt, dass ein Zusammenschluss nur so stark ist wie das schwächste Glied der Kette. Der reine Selbstschutz verlangt es, die europäischen Nachbarländer zu unterstützen, denn die wirtschaftliche Rezession eines Landes hat Auswirkungen auf die gesamte Union.
Ein Zeichen der Solidarität wäre langfristig nicht nur der wirtschaftlichen Lage der Union dienlich, sondern könnte zudem auch den EU-Skeptikern aus dem rechtspopulistischen Lager den Wind aus den Segeln nehmen.
In Krisenzeiten ist zügiges Handeln erforderlich. Der erste Reflex der europäischen Mitgliedstaaten sollte Solidarität anstatt Grenzschließung sein, denn ebenso wenig, wie die wirtschaftliche Schieflage eines EU-Mitgliedstaates nur diesen selbst betrifft, hält der Corona-Virus sich an Grenzen.
Von Helin Tufan, Vanessa Hofmaier, Sophia Schultze, Laura Schulz, Lea Schwarz
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