Mittwoch, 6. Mai 2020

Kommentar zu "Die Bewährungsprobe" von Daniela Schwarzer

Daniela Schwarzer: Die Bewährungsprobe (Internationale Politik 3, Mai/Juni 2020, S. 26-29)

Wie Schwarzer in ihrem Text darlegt, hat die Corona-Krise die Schwächen der EU auf verschiedenen Ebenen offengelegt, so auch auf dem internationalen Parkett. Einerseits war da die anfangs mangelnde Solidarität zwischen den EU-Mitgliedstaaten, welche glücklicherweise schnell korrigiert werden konnte.

Diese, mittlerweile nur scheinbar, fehlende Solidarität wurde zusätzlich versucht zu torpedieren. Russland, welches jetzt selbst schwer von der Krise getroffen wurde, schickte Masken und andere Hilfsgüter nach Italien, um sich selbst als großen Retter zu inszenieren. (https://www.tagesschau.de/investigativ/russland-italien-corona-101.html)

Gleichzeitig agiert ein eigentlich traditionell Verbündeter der EU, die USA, wie der Elefant im Porzellanladen. Trumps unbeholfene Maßnahmen gepaart mit dem alten Schlachtruf "America first" sorgen dafür, dass die EU die USA nicht mehr als verlässlichen Partner definieren kann. Hier ist es an der EU selbst, eine starke Außenpolitik zu formieren und sich so unabhängiger und resistenter zu machen. Resistenter gegen äußere Einflüsse aus China und Russland und unabhängiger von den USA auf verschiedenen Ebenen, wie zum Beispiel der Verteidigungspolitik.

Eine weitere Schwäche, die Schwarzer anspricht, ist die Verwundbarkeit der EU, durch - wie sie es nennt - „hybride Bedrohungen“. Durch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der jetzigen Krise wird diesen Vorschub geleistet. Es wird entscheidend werden, wie geschlossen, mutig und energisch die EU diesen „hybriden Bedrohungen“ entgegentritt.

Massenarbeitslosigkeit kann den Populisten in die Karten spielen, und es könnten wieder Stimmen nach EU-Austritten laut werden. Chinesische Übernahmen krisengeschwächter europäischer (mittelständischer) Unternehmen erzeugen Abhängigkeiten, die einen hohen Preis zur Folgen haben können.

Eine weitere Eurokrise, neu entfachte Migrationsbewegungen, noch mehr Auseinanderdriften zwischen Nord und Süd? Angesichts dieser potenziellen Bedrohungen ist durchaus die Meinung Kanzlerin Merkels zu teilen, die EU stünde “vor der größten Bewährungsprobe seit ihrer Gründung”. Es wird Zeit, aus den Fehlern vergangener Tage zu lernen - je früher und entschlossener, desto besser!

Dazu gehört, wie Schwarzer es auch anspricht, die schon längst überfällige Einführung der Kopplung von Finanztransfers an die Einhaltung rechtsstaatlicher und demokratischer Prinzipien. Die Frage hat sich doch schon vor der Corona-Krise gestellt: Wie kann ein System, das auf den demokratischen Grundrechten basiert und als Folge des Zweiten Weltkrieges gegründet wurde, Regierungen finanziell unterstützen und in Entscheidungen einbeziehen, die ihre politische Macht fernab von diesen Prinzipien ausüben. Aufgrund der oben erwähnten „hybriden Bedrohungen“, die durch die Corona-Krise verstärkt werden, ist es umso wichtiger, eine klare Stellung einzunehmen und neue Instrumente zu finden, diese zu vertreten und durchzusetzen.

Eine weitere Folgemaßnahme, auf die Schwarzer ebenso wie viele andere Journalisten und Politiker im Moment eingehen, ist ein europäisches gesundheitliches Instrument. So hätte dem anfänglichen Isolationismus entgegengewirkt werden können. Grundlegend keine schlechte Idee. Ob und in welchem Ausmaß so etwas jedoch tatsächlich umgesetzt wird, hängt ausschlaggebend davon ab, wie gestärkt oder geschwächt die EU aus dieser Krise heraustreten wird. Weitere Gelder an die EU abzugeben, um diese Gesundheitsorganisation aufzubauen und in Stand zu halten, und weitere staatliche Kompetenzen abzugeben, braucht Vertrauen und Unterstützung der Bürger*innen.

Um auf diese auch nach der Krise noch bauen zu können, ist es nach Schwarzer nötig, dass Deutschland während seiner Zeit des EU-Ratsvorsitzes keine Mittler-, sondern eine Führungsrolle einnimmt und klare Wege aufzeigt. In den letzten Jahren wurden jedoch deutsche Vorstöße häufig kritisch beäugt. Es stellt sich die Frage, ob nicht in diesen schwierigen Zeiten ein gemeinschaftliches Vorgehen, so schwer dies aufgrund der Bedingungen auch sei, sinnvoller wäre, um die innere Gemeinschaft der Union nicht weiter zu erschüttern.

Florian Kiebel, Christian Gundling, Dennis Schlesinger, Oliver Buntrock, Vanessa Rüther

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